# taz.de -- Starkünstler und Geduldete | |
> KUNST Im Hamburger Bahnhof in Berlin werden 60 Werke aus der Sammlung der | |
> Nationalgalerie gezeigt, die zwischen 1933 und 1945 entstanden sind | |
Bild: Karl Hofer: „Die schwarzen Zimmer“ (2. Fassung), 1943, Öl auf Leinwa… | |
von Wolfgang Ruppert | |
In der Mitte des Bildes steht ein unbekleideter Mann mit einer Trommel. | |
Durch zwei Fenster im Hintergrund fällt Licht in die beiden Zimmer, in die | |
der Blick des Betrachters gelenkt wird. Weitere männliche Figuren sind | |
damit beschäftigt, die schwarzen Zimmerwände zu halten. Der Berliner Maler | |
Karl Hofer hat dieses rätselhafte Gemälde 1943 „Die schwarzen Zimmer“ | |
genannt. Kurz zuvor war sein Atelier bei einem Bombenangriff auf | |
Berlin-Schöneberg mit allen dort aufbewahrten Bildern abgebrannt. Hofer war | |
als einer der Ersten im April 1933 sowohl als politischer Gegner als auch | |
wegen des Vorwurfs der „Entartung“ aus seinem Lehramt an der Berliner | |
Kunsthochschule entlassen worden. | |
Von Hofers prominent platziertem Bild ist der Titel der Ausstellung „Die | |
schwarzen Jahre“ im Hamburger Bahnhof in Berlin hergeleitet. Darin werden | |
60 Skulpturen und Gemälde aus der wegen Sanierung geschlossenen | |
Nationalgalerie einer Analyse unterzogen, um Auskunft zu geben über die | |
eigene Sammlung in den Jahren 1933 bis 1945. Bildgeschichten informieren | |
über Künstler und die Werke unterschiedlicher künstlerischer Richtungen. | |
Dass sie gemeinsam gezeigt werden, öffnet den Blick für den Vergleich. Die | |
zu den Werken gehörigen Bildgeschichten sind Leitbegriffen wie „Streit um | |
die Moderne“, „im Dienste des Nationalsozialismus“, „Emigration“, | |
„entartete“ Kunst, „in Opposition“ zugeordnet. Sie verweigern sich oft | |
einer linearen Erzählung und stellen allzu plakative Begriffe der Zuordnung | |
infrage. | |
So hängt hier ein Bild von Georg Schrimpf, eines vor 1933 in der | |
politischen Linken engagierten Vertreters der Neuen Sachlichkeit. Sein Werk | |
von 1937 zeigt ihn als Repräsentanten eines akademischen Naturalismus, der | |
das „Fichtelgebirge“ als ideale „deutsche Landschaft“ darstellt. Es wur… | |
vom Führer des „Reichsnährstandes“ Walter Darrée angekauft, was Schrimpf | |
nicht davor bewahrte, im selben Jahr von anderen NS-Funktionären aus seinem | |
Berliner Lehramt entfernt zu werden. | |
## Morbide Desillusionierung | |
An Georg Kolbes „Herabschreitendem“ von 1940 wird die Teilhabe der | |
akademischen Bildhauerei am nationalsozialistischen Kunstbetrieb offenbar. | |
Kolbe war mit seinen Werken zwischen 1937 und 1943 auf allen Großen | |
Deutschen Kunstausstellungen in München zu sehen. Konform verhielt sich | |
auch der hoch angesehene Professor der Berliner Kunsthochschule Fritz | |
Klimsch. Er porträtierte Innenminister Wilhelm Frick als willensstarke | |
Persönlichkeit. Arno Brekers Kleinbronze „Liegende“ aus dem Jahr 1927 | |
kaufte der nationalsozialistische Direktor der Nationalgalerie Hanfstaengl | |
an. Sie weist ihn noch als jungen Bildhauer der figürlichen Moderne aus. | |
1937 befand sich Breker schon im steilen Aufstieg zum Starkünstler der | |
monumentalen NS-Ästhetik. | |
Franz Radziwill hatte den Angriff auf Frankreich als Soldat mitgemacht. Aus | |
dem Erlebnis des Kriegs heraus malte er zunächst eine neusachliche | |
Reportage. Mit dem Fortgang des Kriegs und dem militärischen Zusammenbruch | |
veränderte er jedoch sein Bild „Flandern“ in mehreren Phasen bis 1950 mit | |
Figuren, Ornamenten und einem schwarzen Riss, wodurch es eine | |
apokalyptisch-surrealistische Stimmung ausstrahlt. | |
Der Rubrik „Kunst im Dienste des Nationalsozialismus“ stehen in der | |
Ausstellung Werke gegenüber, die Nichtunterwerfung repräsentieren. | |
Beispielsweise variiert das Werk „Flandern“ (1934–1936) von Otto Dix seine | |
morbide Desillusionierung jeglichen Heldentums auf dem Schlachtfeld. Ernst | |
Wilhelm Nay setzt in „Fischer in der Brandung“ (1937) den bereits als | |
Meisterschüler Karl Hofers begonnenen Weg in die Abstraktion fort, | |
allerdings unter prekären Arbeitsbedingungen. Käthe Kollwitz, die als | |
bekannte linke Künstlerin nach 1933 ohne größere Öffentlichkeit geduldet | |
wurde, schuf 1937/38 in „Turm der Mütter“ eines ihrer Spätwerke. Im letzt… | |
Teil der Ausstellung werden antifaschistische Künstler versammelt, die wie | |
Theo Balden in einem „Geschlagenen Juden“ (1943) oder Horst Strempel in | |
„Nacht über Deutschland“ (1945/46) an einer künstlerischen Bildlichkeit f… | |
die in der NS-Diktatur gedemütigten und gefolterten Menschen arbeiteten. | |
Ob die Einordnung des Werks „Trauernde Frauen“ (1936) von Fritz Cremer in | |
die Rubrik „Kunst in Opposition“ berechtigt ist, muss nach den | |
Forschungsergebnissen von Gerd Brüne aber bezweifelt werden. Cremer vollzog | |
einen beachtlichen Aufstieg im nationalsozialistischen Kunstbetrieb, als | |
ein im Spektrum der „deutschen Kunst“ durchaus anerkannter Künstler. Die | |
politische Zäsur von 1933 bedeutet für einen Teil der Künstler | |
Neuausrichtung, konform im Sinne des Nationalsozialismus, wie Breker, für | |
andere nicht. Die Aufgabe unserer Gegenwart muss es sein, mit empirischer | |
Forschung Licht „ins Dunkel“ zu bringen, wie unterschiedlich Künstler mit | |
den Bedingungen der NS-Diktatur umgingen. | |
Hofers Gemälde „Die schwarzen Zimmer“ war die zweite Version eines erstmals | |
1928 entstandenen Motivs, das damals noch „Der Trommler“ hieß. Im Katalog | |
wird einmal mehr die Vermutung referiert, das könnte sich auf Adolf Hitler | |
beziehen, der sich zunächst als Trommler der nationalen Sache verstanden | |
hatte, bevor er sich zum „Erlöser“ stilisierte. Überzeugend ist diese | |
Deutung nicht, da der Trommler Hofers keine Ähnlichkeit mit Hitler aufweist | |
und die NSDAP bei den Reichstagswahlen von 1928 nur 2,8 Prozent der Stimmen | |
bekam. Die Figur könnte in Bezug zu Hofers früh verstorbenem Vater stehen, | |
der Militärmusiker war, weshalb Hofer immer wieder Musikinstrumente in | |
seine rätselhaft-magischen Bilder hinein malte. | |
Bis 31. Juli, Hamburger Bahnhof, Berlin, Katalog (Verbrecher Verlag) 25 | |
Euro | |
Der Autor ist Herausgeber von „Künstler im Nationalsozialismus. Die | |
‚Deutsche Kunst’, die Kunstpolitik und die Berliner Kunsthochschule“ | |
(Böhlau Verlag) | |
11 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Wolfgang Ruppert | |
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