# taz.de -- „Na, ob ihr das schafft?“ | |
> INKLUSIONSTHEATER Aktuelle Fragen nach dem richtigen Handeln stellt die | |
> starke Musik-Schauspiel-Collage „Der gute Mensch aus Downtown“, frei nach | |
> Bertolt Brecht, am Theater RambaZamba. Mit Gaststar Eva Mattes | |
Bild: Zora Schemm als Besche Zo (links) mit Eva Mattes als Erzengel Gabriel | |
von Simone Kaempf | |
Gute Menschen sind kaum auf den ersten Blick zu erkennen, aber die Götter | |
auch nicht. Mit losem Mundwerk treten sie hier auf, getarnt mit bizarren | |
Metall-Engelsflügeln und in Fantasiegewänder gehüllt. Ihre Mission ist | |
groß, die Rettung der Welt steht auf dem Spiel: Gute Menschen müssen | |
gefunden werden, aber das ist in „Der gute Mensch von Downtown“ frei nach | |
Bertolt Brechts Sezuan-Stoff in klassicher Manier nicht so einfach. Der Weg | |
führt die drei Himmelsboten in einen Moloch namens Downtown, wo man sie | |
erst mal für Flüchtlinge hält, ruppig die Türen versperrt und | |
Beschimpfungen hinterherschickt. | |
Flüchtlingsdebatte, Behindertsein, die Frage nach dem richtigen Handeln – | |
große Themen führt Regisseurin Gisela Höhne zusammen in ihrer neuen | |
Produktion mit den behinderten Spielern des Theaters RambaZamba. Fast zwei | |
Dutzend Schauspieler und Musiker stehen auf der Bühne, darunter | |
Gast-Starbesetzung mit Eva Mattes, Meriam Abbas und Cornelia Kempers. | |
„Der gute Mensch von Downtown“ bleibt ganz der Tradition der RambaZambas | |
treu, opulent aufzufahren, sich nicht zu verstecken, lieber die große Bühne | |
zu nutzen. Das ist ein Prinzip von Gisela Höhne, seit der Gründung von | |
RambaZamba vor 25 Jahren, immer vor Augen, dass Theater mit Behinderten als | |
Kunst in ästhetischen Kategorien zu diskutieren ist. Dass sich Spieler mit | |
Downsyndrom genauso mit ihren individuellen Persönlichkeiten und so | |
selbstbestimmt einbringen wie andere Spieler. | |
Im Downtown geben sie die Bewohner einer Behinderten-WG, für die es heißt: | |
Turnunterricht, antreten zur Selbstoptimierung. Angeleitet von Meriam Abbas | |
als übereifriger Betreuerin, laufen sie, schleppen Gewichte, springen, | |
boxen in kleinen Choreografien. Alles von bissigen Kommentaren begleitet, | |
nicht anzuecken oder aufzufallen. | |
Wie sich aber jeder vorne einmal dem Publikum zeigt, dann wieder in die | |
Turnrunde einsortiert und damit die eigene Situation zum Thema macht, das | |
sind starke Momente, die jeden mit seinen Eigenheiten zeigen. Man kann das | |
auch als kleinen Metakommentar zu Jérôme Bels Inszenierung „Disabled | |
Theater“ lesen, die vor drei Jahren die Theaterszene aufmischte. Darin | |
traten die geistig behinderten Schauspieler des Schweizer Theater Hora | |
jeweils an die Rampe, stellten sich vor und tanzten ein Solo, mehr nicht. | |
Doch danach diskutierte die Theaterwelt über die Repräsentanz behinderter | |
Schauspieler auf der Bühne. Mittlerweile ist die Debatte aber auch wieder | |
Vergangenheit, und die Sport-Szene für RambaZamba eine Brücke zum | |
Brecht-Stoff: Wie frei ist man als behinderter Mensch? Was, wenn man als | |
solcher Gutes bewirken will? Und wie viel Unfreiheit entsteht? Besteht erst | |
einmal die Pflicht zur guten Tat? | |
Die bekannte Schauspielerin Eva Mattes steht mit auf der Bühne, | |
Aushängeschild des Abends, könnte man meinen. Als einer der Himmelsboten | |
tritt sie wie ein Vogel krächzend auf; eine Zwischenfigur, die sich gut in | |
den Mix einfügt, der zwischen politischer Aktualität, altmodischem Spiel | |
und moderner Diskursivität changiert. | |
Im Vordergrund agiert das Trio Juliana Götze, Zora Schemm, Nele Winkler, | |
erste Garde der RambaZamba-Spielerinnen, die als verdreifachte Shen Te für | |
ihr Gutsein von den Göttern ein Teehaus erhalten. Das Geschenk gilt es nun | |
zu betreiben, zu bewirten und zu beschützen – vor den Miet-Eintreibern | |
genauso wie vor den einfallenden WG-Freunden, die kräftig Party machen. | |
Laute und leise Töne – alles ist enthalten. In der eingebauten Lovestory | |
rettet Zora Schwenn einen Mann vor dem Tod, verliebt sich, wird schwanger | |
und sofort wieder verlassen. | |
Das sind Gefühle im Zeitraffer konzentriert, etwas ungelenk gespielt und | |
doch berührend. Das Energielevel steigt, wenn die Schauspieler ins andere | |
Extrem ausschlagen: Wenn Franziska Kleinert mit chinesischem Sonnenschirm | |
auf den Kopf geschnallt anrast („Ich bin hier die Vermieterin“), ähnelt das | |
fast Schlingensief-hafter Ausbruchskraft aus der Rolle und aus | |
Konventionen. | |
Im Herbst versuchte RambaZamba mit der Adaption von Victor Hugos „Die | |
Elenden“ groß ausholendes Literaturtheater, verhob sich jedoch am komplexen | |
Stoff. „Der gute Mensch von Downtown“ funktioniert als | |
Musik-Schauspiel-Collage um Etliches besser, lässt den Spielern Freiraum, | |
macht die Konflikte und Themen sichtbar, um die es ihnen geht. Allen voran | |
Selbstbestimmung, denn wenn die drei Mädchen die Planung ihres Teehauses | |
starten, heißt es natürlich: „Na, ob ihr das schafft?“ Suchen die Götter… | |
der Behinderten-WG nach guten Menschen, winkt die Betreuerin ab: „Ihr doch | |
nicht.“ Selbstironisch gehen die RambaZambas damit um, ohne sich selbst | |
einen Bonus zu erteilen in einer Inszenierung, mit der sie sich mal wieder | |
von ihrer starken Seite zeigen. | |
Wieder heute um 19 Uhr und am 8. + 9. und 11. + 12. April, jeweils um 19 | |
Uhr, Theater RambaZamba, Kulturbrauerei, Schönhauser Allee 36, Prenzlauer | |
Berg, www.theater-rambazamba.org, Ticket-Tel. 44 04 90 44 | |
16 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Simone Kaempf | |
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