# taz.de -- Ein Gedicht aus demUnterbewusstsein | |
> LERNEN Die Bremerin Ulrike Marie Hille hat das Konzept des „poetischen | |
> Lernens“ entwickelt | |
„Sich zu erinnern heißt, sich zu verlieren im Rausch und wieder neu zu | |
formen im Wort“. Ihr Gedicht „Schule des Poeten“ beschreibt das | |
Grundkonzept von Ulrike Marie Hilles Ansatz des „poetischen Lernens“: Hille | |
lehrt, Dichtung zu verstehen und selbst zu dichten. Im vergangenen Sommer | |
erschien ihr Buch „Poetisches Lernen – Poesie zwischen Wissenschaft und | |
Selbsterfahrung.“ Dort erklärt sie ihr Konzept anhand eigener | |
Lebenserfahrung und dem Einfluss von bekannten Dichtern. | |
„Gedichte lesen und schreiben ist für mich eine Lebensaufgabe, die ich in | |
meine Lehre einfließen lasse und in meinem Buch als Lebensqualität | |
beschreibe“, sagt Hille, die in Bremen lebt und seit über 20 Jahren | |
Literaturseminare anbietet. | |
Die pensionierte Lehrerin entdeckte ihre Leidenschaft für das Schreiben | |
bereits in jungen Jahren. Heute bringt sie jenen, die Freude an der Sprache | |
und Lust an Lyrik haben, poetisches Lernen bei. Das sei nicht für jeden | |
etwas, sagt Hille, aber diejenigen, die Leidenschaft an der Sprache und der | |
Dichtung hätten, seien bei ihr genau richtig. | |
Hilles Lyrik-Werkstätten basieren auf einem ganzheitlichen Ansatz. In ihrer | |
Ausbildung zur Poesie- und Bibliotherapeutin lernte sie künstlerische | |
Therapieformen kennen, die auch Teil ihrer Seminare sind. Sie bezieht | |
Bewegung, Musik oder Meditation mit ein, um Schreibblockaden zu lösen und | |
Kreativität zu fördern: „Schreiben und lesen ist eine Erfahrung, die mit | |
Körperlichkeit und Sinnlichkeit zu tun hat“, sagt sie. | |
Für Hille selbst eröffneten Tantra und Tango Argentino „eine neue Dimension | |
des poetischen Lernens“. Nach einigen Lebenskrisen inspirierten diese | |
Hobbys ihr poetisches Bewusstsein. Bewegung durch das Tanzen habe eine | |
ähnliche Wirkung wie die Kraft der Poesie: „Wie der Tanz der Liebe lebt die | |
lyrische Sprache, die Poesie, von den Widersprüchlichkeiten des Lebens“, | |
schreibt sie in ihrem Buch. Am Anfang ihrer Seminare können die | |
Teilnehmenden durch die Musik Zugang zu ihren Emotionen finden. | |
Hilles Schreibseminare sind außerdem durch die Psychoanalyse und vom Ansatz | |
C.G. Jungs geprägt, der davon ausgeht, dass das Leben stark vom Unbewussten | |
beeinflusst wird. „Träume und Dinge, die man unterschwellig erfährt, | |
beeinflussen die Kreativität, die aus dem Unbewussten gespeist wird“, sagt | |
sie. Musik und Meditation sollen helfen, an das Unbewusste heranzukommen | |
und daraus Texte entstehen zu lassen. | |
Poesie als Verarbeitung ist jedoch nicht Hilles Ziel oder grundsätzliches | |
Konzept. Obwohl Schreiben auch etwas Heilendes habe, sehe sie sich primär | |
als Pädagogin und nicht als Therapeutin: Der Unterschied zu | |
Selbsthilfegruppen sei, dass es nicht nur darum gehe sich in Emotionen zu | |
verlieren, sondern das Chaos zu ordnen und in eine literarische Form zu | |
bringen, erklärt sie. | |
Der Formwille ist Hille ohnehin sehr wichtig. „Texte haben immer etwas mit | |
Gefühlen und der eigenen Herkunft zu tun. Der pädagogische Aspekt meiner | |
Arbeit besteht darin, diese Gefühle in eine literarische Form zu bringen“, | |
sagt sie. Deswegen bringt sie ihren Seminar-Teilnehmern poetische Figuren | |
und lyrische Formen vom Elfchen bis zum Sonett bei. „Dass Form etwas mit | |
Disziplin zu tun hat, ist Menschen, die schreiben wollen, manchmal | |
schwierig zu vermitteln. Viele glauben, man schreibe einfach was man denkt, | |
dabei geht es darum, Gedanken zu formen und sie zu verdichten“, sagt sie. | |
Verdichtung und Disziplinierung und das damit verbundene sich Wiederfinden | |
im Wort sind Kernpunkte in Hilles Buch. „Für mich hat es eine heilende | |
Qualität, etwas in eine ästhetische Form zu bringen. Das schafft schon | |
etwas bei jemandem, der schreibt oder liest“, sagt sie. | |
Hille bietet neben den Lyrik-Werkstätten auch einen literarischen Salon | |
sowie Wochenendseminare an. Das nächste findet im Mai in den Bremer | |
Literatur-Werkstätten statt und trägt den Titel: „Magie der Sprache oder | |
der Club der toten Dichter“. | |
Außerdem will Hille bald wieder einen Gedichtband veröffentlichen. „Das ist | |
mir sehr wichtig, weil das die letzten Jahre viel zu kurz gekommen ist“, | |
sagt sie. Larissa Robitzsch | |
6 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Larissa Robitzsch | |
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