# taz.de -- Essay über Lachen: Das Narrenschiff geht niemals unter | |
> Warum lachen die anderen? Und wir? Erwägungen anlässlich einiger recht | |
> bekannter Präzedenzfälle. Eine Vorbereitung auf die Karnevalssaison. | |
Bild: Voll lustig | |
In einer frühen Radio- und Filmszene, „Die Büttenrede“, lässt Gerhard Po… | |
einen von ihm selbst gespielten Faschingsprinzen Erwin Wurster auftreten, | |
der im häuslichen Schlafzimmer und im Schlafanzug für die „lieben Närrinnen | |
und Narren“ des nächsten, des morgigen Auftritts Witze, Pointen und Reime | |
ausprobiert. Erwin, vom schon fortgeschrittenen Fasching und seinen eigenen | |
Prinzeneinsätzen und Alkoholschäden offenbar vollkommen geschlaucht, | |
memoriert dabei lauter schon extrem törichte und dabei wie tödlich ermüdete | |
Zwei- und Vierzeiler: | |
„Wir lassen‘s heut besonders krachen, | |
Wir bringen heute was zum Lachen, | |
Für alle, die da unten hocken, | |
Wenn‘s kracht, dann bleibt kein Auge trocken.“ | |
Erwin, immer verzweifelter, auch wohl noch schwer verkatert, gibt | |
gleichwohl nicht auf, memoriert tapfer weitere Verse wie: | |
„Alaaf, hellau, alaaf, hellau, | |
Der Schnaps schmeckt uns auch ohne Frau“ | |
– allerdings dann auch: | |
„Der Schnaps schmeckt jetzt auch meiner Frau“ | |
– denn siehe: | |
„Und is‘ die Alte endlich voll, | |
Dann wird der Abend doch noch toll.“ | |
Denn schließlich und immer trostloser: | |
„Das Narrenschiff geht niemals unter, | |
Wir bleiben heiter, froh und munter.“ | |
Erwin übt nicht nur und testet dirigierend neue Überraschungsvarianten samt | |
Tusch und „Dadaa-dadaa“-Nachhall – er weiß auch schon den erwünschten | |
Effekt: „Da wieherns’ dann, die Leute“, und, nach dem nächsten besonders | |
erbärmlichen Witz: „Tusch – und da lachens‘ dann wieder.“ | |
Erwin Wurster hat völlig recht, und aus Erfahrung praktisch schon alles | |
fertig programmiert. Der Film und die keineswegs eingespielten Lacher bei | |
Polts Bühnenvorführungen beweisen es: Das Publikum lacht wie ein | |
Lachautomat. Nur: ist trotzdem nie so ganz klar, wieso, warum sie lachen. | |
Trotz der nicht mehr überbietbaren dummen Verse – oder gerade ihretwegen? | |
Wegen der durchaus virtuosen Torheit inklusive Polts unnachahmlich | |
clownesker, nahezu tragischtrauriger Vortragsweise und Miene? Die den | |
Menschen im Publikum Erinnerungen an ähnliche wirkliche Faschingstrübsale | |
weckt? Man möchte das zweite annehmen, aber sicher kann man da nie sein. | |
Sie lachen, offenhörbar auch bei Polt, jenseits jeden Niveaus, jeden Sinns. | |
Sie? Zumindest viele. | |
Noch unklarer ist die analoge Sache bei dem sehr poltverwandten | |
Jahrhundertkomiker Heino Jaeger. Bei einem speziell bunten Rezitationsabend | |
in Saarbrücken ca. 1970 bringt Jaeger in der noch heute als CD erhaltenen | |
Fünf-Minuten-Nummer „Der Conferencier“nicht nur circa alle | |
branchentypischen Blödigkeiten auf den ihrerseits wunderbar komischen | |
Punkt; sondern auch den ab ovo schön konstruierten, aber halt leider | |
steinalten Witz: „Wenn die Frauen verblühen, verduften die Männer!“ | |
Wie von Jaeger auch ganz bestimmt erwartet, kräht das große Publikum auf, | |
und als der Conferencier sich für den einfältigen Beifall bedankt, auch | |
dafür, er habe den Witz hier ja eigentlich schon mal vor zehn Jahren | |
gemacht, dankt ihm nochmals entschlossenes Lachen. | |
## Virtuose Frechheit | |
Ähnlich wie bei Polt ist schlechterdings ununterscheidbar, über was sie | |
lachen: über den altbackenen Witz? Oder über die virtuose Frechheit, ihn | |
hier – parodierend – nochmals zu präsentieren? Oder gar über die | |
Metapointe, dass sie sich da sauber haben hereinlegen lassen? In dubio pro | |
reo? Nein. Nein, hier herrschte wohl überwiegend größtmögliche | |
Geistesabsenz im Verein mit der im Lachfach üblichen ohnehinnigen Kopf- und | |
Gemütsträgheit. | |
Und über die dürfen wir Wachen nun unsererseits wiederum lachen? Lachen, | |
man weiß es aus zehntausend wissenschaftlichen oder mehr intuitiven | |
Beobachtungen, hat außer der spirituellen auch eine stark | |
physisch-mechanische Valenz: Der Mensch will einfach lachen. Will einfach, | |
vom Überdruck, von den Kalamitäten des bösen Lebens weg einmal lachen. | |
Einmal? Manchmal? Wie ein Lachsack praktisch immerzu? Wachheit beim Lachen | |
ist offenbar nur das – spätere? – Gegen- und Komplementärprinzip. | |
Die Lachautomatik ist nicht unbedingt etwas Dummes und gar Böses. Sondern | |
entspricht unserer genuinen, unserer primären physischen Natur; im Sinne | |
eines archaischen, eines noch heute wirksamen Atavismus. So wie (da sind | |
sich die Human-Archäologen wohl einig) das lachende Zähnezeigen | |
ursprünglich etwas wie Aggression, symbolischen Kampf signalisierte – so | |
zeigt sich das Polt-Jaeger‘sche Gelächter als hemmungsbefreiendes Vorrecht, | |
Recht auf ein Gehenlassen inmitten aller Lebenszwänge. | |
Das Lachen, so Robert Gernhardt in mehreren Studien und | |
Selbstbeobachtungen, kenne im Grunde kein ästhetisches Gesetz, finde statt | |
jenseits von „Niveau“. Das Niveau ist quasi erst später als Sonderfall, | |
durch die Deutung des Witzes, hinzugekommen. | |
Sofern man Komik und ihre Qualität dabei nicht nach älteren | |
Professorenbüchern und jüngeren Literaturpreisen, sondern nach | |
Mehrheitsentscheidungen bemisst, dann sind Lautstärke und | |
Erwartet/Unerwartetheit des pluralen Gelächters die zuständigen | |
Beweisstücke. Und praktisch nur in Liveaufnahmen wie bei Polt und Jaeger | |
sind die Befunde nachzuprüfen. Als Autor, als Rezitator eigener und häufig | |
komisch angelegter Texte, macht man immerhin seine eigenen Erfahrungen. | |
Manchmal wird überraschend gelacht, manchmal ziemlich unverständlicherweise | |
nicht. | |
## Rätselhafte Publikumslachgeräusche | |
Rätsel auferlegten mir von Beginn an die vernehmlichen oder ausbleibenden | |
Publikumslachgeräusche bei Lesungen des Beginns meiner Erzählung „Franz | |
Kafka verfilmt seinen ‚Landarzt‘“. Kaum hörbare Reaktionen hat es bei der | |
Passage vom werbenden Gewäsch der filmenden Lehrer, Kafka möge, dürfe, ja | |
solle auch „noch ein wenig am Drehbuch mit herumfeilen“: Diese, den | |
betrüblichen Zeitgeist der Branche wie der 70er Jahre auf den ordinären | |
Punkt bringenden Dummreden evozieren offenbar ebenso wenig Lachen wie der | |
Lehrer sinnlos-impertinentes Gequalle, die „Landarzt“-Erzählung „dränge… | |
schreie geradezu nach Verfilmung“ – eine ihrerseits schreiende und wohl | |
heute noch kurrente Feuilletonphrase. | |
Allerdings müsse dann, so das Lehrer-Filmer-Trio, in Süditalien „die | |
Schneesymbolik“ des Textes logisch „adäquat durch unheimlich Hitze, also | |
praktisch Tropen“ ersetzt werden, und außerdem könne man dabei auch | |
„erstklassig Urlaub machen“: Hier, inmitten eines Schwalls auch | |
anderweitiger Anachronismen, schwant ca. 33 Prozent der Zuhörerschaft, | |
kenntlich durch Kichergeräusche, etwas von der sogar leicht deprimierenden | |
Komik zeitgenössischen Vulgärdenkens und -benehmens. | |
Auch dass die Lehrer, weit jenseits von Kafka, besonders hastig und doppelt | |
unglaubwürdig von Orson Welles und Louis Malle „die neue Sinnlichkeit“ für | |
ihr Machwerk adaptieren möchten. Diese schon übermäßig inadäquate blöde | |
Rederei wird ihrerseits von meinem Auditorium lachend akzeptiert; auch, | |
dass Kafka „à la Hitchcock eine kleine Rolle übernehmen“ solle, erfährt | |
immer als Quittung hörbares Gelächter. | |
In der Summe: dürfte sich das, was den Hörern/Lesern an lauter oder leiser | |
Lachhaftigkeit einleuchtet und was nicht, ziemlich genau auf 50:50 | |
hinbewegen. Und einigermaßen unbegreiflich bleiben. | |
Und wiederum ratlos machen. | |
## Anarchistische Tabubrüche | |
Lachen gründet in mehr oder weniger anarchistischen Tabubrüchen und | |
ähnlichen Regelverstößen, Verstößen gegen soziales wie ästhetisches | |
Benehmen. Zu dem Befund kommen auch andere Theoretiker – Robert Gernhardt | |
hat sich darüber hinaus immer wieder auch brütende Gedanken gemacht über | |
die Konsequenz dessen – etwa im Sinne eines „wertvollen Lachens“ oder ein… | |
minderen; das „wertvolle“ vor allem in Gestalt eines „im Halse stecken | |
bleibenden“; das wir hiermit, auch wenn es nichts nützt, schnellstens | |
vergessen wollen, es war wohl nie mehr als eine beharrliche Chimäre und | |
Edeldenkerphrase. | |
Bei Gernhardts Gedichtrezitationen sind bzw. waren selten sichere Lacher zu | |
prognostizieren, Lachkontinuitäten zu registrieren; am sichersten noch beim | |
bekannten Zweizeiler „Die schärfsten Kritiker der Elche / Waren früher | |
selber welche“; der aber recht eigentlich gar nicht von ihm ist, sondern, | |
im Teamwork entstanden, von seinem früheren Partner-Alterego F. W. | |
Bernstein; und der vielleicht in der Erstversion doch noch genauer und | |
lachhafter ist: | |
„Die schärfsten Kritiker der Elche /Werden später selber welche.“ | |
Beide Varianten erfreuen gut hörbar durch den Erkenntniswert von | |
Wiedererkennung eigener Erfahrungen und durch die schlagende Ironie, durch | |
eine Art Schock. Verblüffender, eigentlich unverhofft, das fast immer | |
unisono funktionierende Gelächter bei Loriots seinerseits verblüffendem | |
Statement, ein Leben ohne Mops sei „möglich, aber sinnlos“ – denn | |
eigentlich denken weder Hundefeinde ja so philosophisch; noch Mopsfreunde | |
in aller Regel so theologisch delikat. | |
Publikumslacher in der Oper sind selten, in der sogenannten komischen Oper | |
sogar am seltensten. Eine gar nicht so wichtige Stelle aber, ausgerechnet | |
inmitten aller Wagner‘schen Musikdramen-Gewichtigkeit, bei der Kraft einer | |
kleinen Pause der Text auch sehr deutlich hervortritt, hat dann doch | |
Erfolg: Wenn im 1. Akt der „Meistersinger von Nürnberg“ seitwärts des | |
Merkers Beckmesser der Ritter Walter von Stolzing sich zu einer Art Probe- | |
und Vorentscheidungssingen recht unwillig und nur der angezielten Braut | |
zuliebe sich im „Singestuhl“ niederlässt und kurz vor seinem | |
Auftakt-Ausbruch „Fanget an!“ vom Tabulaturchef Kothner darin bestätigt | |
wird: „Der Sänger sitzt!“ – dann ist von der Bayreuther Festspielbühne … | |
die Nürnberger Staatsoper bis in die New York Met und vermutbar sogar bis | |
in die russische Provinzbühne allzeit und unverbrüchlich das nämlich | |
dankbar-verständige und mittellaute Lachen aus dem Parkett zu vernehmen, | |
will quasi sagen: Wenn wir schon von Wagners Musikdramen-Ästhetik, von | |
seinem motivverzweigten Notengespinsten nichts Genaues verstehen – dass der | |
aufgewühlte und etwas konsternierte Tenor jetzt zum Sitzen kommt, das | |
überzeugt auch uns, beruhigt uns nicht minder als die zulauschenden | |
Nürnberger Singschul-Meister. | |
Weniger einheitlich, sondern nur von Kennern mit manchmal zart hörbarem | |
Kleingegacker quittiert wird die Szene im 2. „Siegfried“-Akt des gleichen | |
Komponisten: Des im nächtlichen Wald lagernden und den Nibelungenhort | |
hütenden Lindwurm Fanfers brummiges „Ich lieg‘ und besitz: lasst mich | |
schlafen!“ Der tiefe Brummbass wird zudem untermalt von allerlei noch | |
brummigeren Orchesterfarben und finster verschlafenen Harmonien – | |
vielleicht kommt aber ja die Komik dieser halb-tierischen Rede zu | |
feingesponnen daher, eigentlich das ganze riesige 14-Stunden-Werk erklärend | |
und zusammenraffend, als dass man bei einem überwiegend doch wenig kundigen | |
1.000- oder 2.000-Personen-Publikum sinnige, erkenntnissignalisierende | |
Reaktion, also eiliges Begreifen erwarten dürfte. Insgesamt hat es im „Ring | |
des Nibelungen“ der oftmals gewaltige Wortkomiker Wagner ja bis zum | |
heutigen Tag schwerer als der Kompositeur, der Welterlöser durch Musik, der | |
Töne-Magier. | |
Mehr unfreiwillige, von Wagner kaum gewollte Komik entfacht im 3. Aufzug | |
von „Tristan und Isolde“ der traurige König Marke mit seiner albern, | |
trübseligen, zudem mehrfach variierten Bilanz „Tot denn alles! Alles tot?“ | |
Aber – über was dürfte ein waches Publikum da eigentlich auflachen? Über | |
Markes, über Wagners schwindende Kräfte? Und wann genau sollte es da das | |
Lachen sich trauen? | |
## Wiedererkennungsticket | |
Wer es als Wortkünstler, als Komiker zu einer Art Wiedererkennungsticket | |
gebracht hat, der tut sich mit dem zuverlässigen Lachen überhaupt leichter | |
als in aller Regel der subtile Bastler und Stricker und Filigranist. Ein | |
abermals nürnbergaffiner Mann, der Humorist Herbert Hiesel, hatte in seiner | |
Glanzzeit, den Fünfziger-/ Sechziger Jahren, den alle Zeit sicheren Trumpf | |
in der Tasche und im schwerst fränkelnden Mund mit einem die jeweiligen | |
Sketche eröffnenden oder intermezzohaft dazwischen gepferchten „Jou | |
werkli!“ – meint: Ja wirklich, es ist so, wie ich es sage. Damit waren die | |
Herzen und die zum Lachen sich aufreißenden Mäuler seiner oft riesigen, | |
5.000 oder 10.000 zählenden Zuhörer und kreischenden -innen auch schon | |
gewonnen. Manche Nummern, man kann das auf alten Platten nachprüfen, | |
bestanden beinahe ausschließlich aus diesem „Jou werkli“-Ticket. | |
Wiedererkennendes Lachen als kollektives Heimatgefühl, als Schutz- und | |
Trutzbündnis: Noch einen winzigen Schritt weiter ging kurz nach Kriegsende | |
hierin die bayerische Volkshumoristin und als solche durchaus könnerische | |
Vulgärkrachnudel Kathi Prechtl, wenn sie jeden Bühnen- oder Funkauftritt | |
mit den scharf herausgekrähten und schon gelachten Worten „ja varreck!“ | |
begann – ja verrecke, gemeint war ein im Grunde ins Edeldeutsche | |
Unübertragbares, am ehesten entsprechend dem „Goddam“ oder auch „Fuck“. | |
„Ja varreck!“ – mit diesem Start hatte das etwas undefinierbare Lebewesen | |
Kathi ihr aufs Stichwort lauerndes Publikum bereits restlos vereinnahmt, in | |
den Himmel eines paradiesischen Niedrigkeitselysiums spediert – im Rahmen | |
eines Monologs, den der Verlag heute noch als „Kostbarkeit“ verscherbelt; | |
in Wahrheit handelt es sich um eine Epiphanie an Lärm und „Quatsch: „Ja | |
varreck!“ | |
Eine Epiphanie, ein Aphrodisiakum für ein Publikum, das, ärger noch als | |
Kathi, nur noch hingegossen, ja wie besessen lachen, krähen wollte. | |
Vielleicht ein durchaus plausibler Regress zum Beginn der Menschheit, zu | |
den frühestens Initaialzündungen des Lachens, des Humoristischen; als es | |
galt, die leidergottes erfolgte Austreibung aus dem Paradies durch ein | |
Äquivalent an Lust und insofern wieder Gottnähe zu kompensieren. | |
Abermals: Humor als Heimat. | |
Und: ein sehr frühes Bekenntnis zum „Stahlbad fun“ (Horkheimer/Adorno, | |
Kulturindustrie, bereits 1944!), die etwas geistesverlassene Gemütslava | |
ohne jegliche Selbstzensur; im theoretischen Verbund mit der alten Sigmund | |
Freudschen Spekulation, Lachen bedeute „Ersparung des Hemmungs- und | |
Unterdrückungsaufwands“; die vor einem runden Jahrhundert | |
niedergeschriebene „Lust“ gegen den „Triebverzicht“ durch „unsere | |
sogenannte Kultur“. | |
In mehreren der Theorien hat das Lachen ja fast immer mit Überdruck, mit | |
Eruption und Explosion unter jenem, zu tun. Bei neueren Exemplaren fällt es | |
zuweilen schwer, an dieses landläufige Metaphernschema zu glauben. | |
Gelächter erfolgt da wohl oft, einzeln und in der Masse, aus schierer | |
zerebraler Abwesenheit, ausgelöst durch irgendein Stichwort meist sexueller | |
oder fäkalischer Herkunft; manchmal durch die sich selbst erfüllende Lach- | |
und Ablachhoffnung voller Unverstand. Wobei das lachende Publikum etwa | |
Polts naturgemäß ein etwas anderes und informierteres sein sollte als das | |
von Kathi Prechtl – oder auch nicht. | |
Bei Heino Jaegers wohl sehr gemischtem Publikum schien vorm und beim | |
Lachen, wie bei vielen seiner Figuren und speziell den Radioreportern, eine | |
Art Somnabulismus zu obwalten, ein vitales Dauerdösen, eine alles | |
überlagernde Schläfrigkeit. Die aber ihrerseits doch den pünktlichen | |
Lacheinsatz garantiert. Mitzuhören ist quasi eine, wenn man so will, | |
universelle Freundlichkeit durch dick und dünn. Als Ausdruck wiederum von | |
durchaus anarchischer Gesinnungs- und Gefühlsautonomie. | |
Humor, man weiß es von Bierbaum, ist ja, wenn man trotzdem lacht. | |
Aber, um der Gerechtigkeit willen: Es gibt auch Jaeger-Nummern mit | |
Publikumsecho, bei denen das Gelächter erstaunlich präzis, pünktlich, | |
gerecht, sogar dynamisch adäquat auftritt. Werweiß gibt es ja auch | |
zweierlei Publikum; eins aus Connaisseuren und Fans – und eins aus bloß | |
menschenähnlichen Lachmaschinen. | |
Alle habhaften Theorien ein bisschen schnöd zusammengerafft, bleibt wohl | |
nicht viel mehr, als dass Komik und in der Folge Lachen freudvolle Wirkung | |
hat, eine wenn auch schwer, ja kaum definierbare „Lust“ zeitigt. Ist Lachen | |
am Ende so etwas wie ein bedingter Pawlowscher Reflex wie der bei den | |
hungrigen Hunden beobachtete? Wobei allerdings nur der „Reflex“ klar wäre, | |
das Lachen – nicht aber die „Bedingtheit“. Die Qualität des Witzes ist es | |
offenbar nicht, eher schon das vorbildhafte Lachen des Sitznachbarn. | |
## Zerebrale Abwesenheit | |
Aber nochmals: Warum lache die Leute, auch und vor allem dann, wenn | |
inmitten eines meist geplärrten Wortinfernos bei TV-Comedians die Witze zum | |
Weinen sind? Man darf da, an dieser Schnittstelle des Weltensinns, wohl | |
Immanuel Kants sehr alte „Anthropologie“ zur Deutung heranziehen: „Beide, | |
das Lachen und das Weinen, heitern auf.“ Ja dann. | |
Und heitern wird wohl auch der Lärm an sich. Bei Gerhard Polt, in einer | |
schon bejahrteren Soloszene, wäre zumindest ein Spezialfall zu bedenken. | |
Ein halb sympathischer, halb etwas depperter Raisonneur eventuell in | |
Lederhosen, ein südbayerischer und ein bisschen wohl auch poltähnlicher | |
Landsmann, steht auf einer entsprechenden Wiese, inmitten einer gebirglich | |
romantisch-idyllischen Landschaft und plappert scheint‘s harmvoll-harmlos | |
und Einverständnis erheischend vor sich hin; ehe es plötzlich, fast | |
blitzschlagartig zur Quintessenz und Pointe kommt dergestalt: In so einer | |
speziell bayerischen Traumlandschaft habe doch, seien wir mal ehrlich, „ein | |
Neger“ nichts zu suchen, „passe einfach nicht rein“. | |
Das Publikumslachen kommt wohl immer auch blitzartig, eruptiv, ungehemmt. | |
Und das zu Recht. Denn natürlich hat das Gerede ebensowenig mit Rassismus | |
zu tun wie mit rechtspopulistischer Akklamationsanbiederung. Was durch die | |
Vernunft und Zivilitätskultur eigentlich zurückgewiesen und beweint werden | |
müsste, darf einmal, hier und jetzt (und dann vielleicht nie mehr), sich | |
Raum und Hall verschaffen. Die altgewohnten Grenzen der politischen | |
Korrektheit erbarmungslos überspringen. Auch und gerade dann, wenn | |
nachweislich keiner im Publikum was gegen „Neger“ hat. Wäre es anders, und | |
hockten im Publikum erahnbar lauter Nazis und Volldeppen, dann sähe es auch | |
für Polt wieder etwas anders aus. | |
Oftmals, ja fast immer, dankt sich Komik, schuldet sich kollektives Lachen | |
der möglichst plötzlichen Fallhöhe. In abermals Gerhard Polts vom ersten | |
bis zum letzten Satz inspirierten Zehn-Minuten-Monologszene „Der Weber Max“ | |
berichtet gegen Ende ein stark südbayerischer Gemeinderat und | |
Webermax-Kollege von einem „Symposion“ dieser recht seltsamen und übermä�… | |
durstigen Parlamentarier bei der Regierung von Oberbayern, wo es im Zuge | |
von „Gesprächen auf höchstem Niveau“ hinsichtlich des einladenden und | |
vielleicht allzu fürsorglichen Regierungspräsidenten auch bald zur | |
gemeinderätlichen Anerkennung kommt: „Ein gebildeter Mann – leck mich am | |
Arsch!“ | |
Besser kann man es wirklich nicht sagen, und wiederum zurecht erfolgt hier | |
immer massives Gelächter. Abermals aus einem ebenso willkommenen wie | |
produktiven Tabubruch heraus. Spitzenpolitik, zumal bayerische, auch wenn | |
sie sich „auf höchstem Niveau“ bewegt, wird immer auch etwas von der | |
Assoziation einer irgendwie Rundlichen, Gemüthaften, Harmonischen, ja | |
Arschigen, beleckt. Die Frage bleibt freilich im Raum stehen, warum man das | |
gleiche nicht auch zum Beispiel beim Ableben des Bundespräsidenten, ja | |
eines Marktler Papstes sagen darf. In dieser ja nun sogar stark | |
anerkennenden, fast ehrfürchtigen Formulierung nicht einmal der Gerhard | |
Polt. | |
Noch weitere und stark bohrende Fragen? Ja, eine. Die, warum sie eigentlich | |
zum Lachen den Auflauf, den Aufwand des Auflaufs, nötig haben. Abermals aus | |
Gewohnheit, Gedankenlosigkeit, ja atavistischem Aberglauben? Haben sie denn | |
jenseits der Veranstaltungen mit Hiesel oder Hildebrandt oder sei‘s mit | |
Polt sonst gar nichts zu lachen? Zu Hause oder auf der Kreissparkasse? | |
Lachen sie sonst nie? Nicht einmal auf – ihrer Beerdigung? | |
18 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Eckhard Henscheid | |
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Ausstellung | |
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