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# taz.de -- Nationale Katastrophe: La tragedia di Brema
> Vor 50 Jahren stürzte in Bremen eine Lufthansa-Maschine ab: Der
> Flugzeug-Unfall sorgte in Italien für Verzweiflung.
Bild: Eine Stele am Neuenlander Feld erinnert an die italienischen Opfer
BREMEN taz | In Rom wird es am 28. Januar einen großen Empfang geben, zum
50. Jahrestag. Zudem sollen in allen Schwimmbädern Italiens am Donnerstag
um 18.51 Uhr sämtliche Aktivitäten unterbrochen werden, eine Minute lang:
Gedacht wird der Opfer der tragedia die Brema, der Tragödie von Bremen, wie
der [1][Schwimmverband] mitteilt: Seit zehn Tagen präsentiert die
Federazione Italiana Nuoto auf ihrer Homepage die persönlichen Erinnerungen
ihrer Meisterschwimmer an diese nationale Katastrophe.
Der Höhepunkt der Feiern werde sich aber „am Ort der Tragödie selbst
vollziehen“: Eine Delegation des Verbandes reist an und nimmt mit dem
Generalkonsul der Republik und, von Bremer Seite, dem Häfen-Staatsrat, an
der Gedenkveranstaltung teil, die trotzdem den Charakter eines stillen
Gedenkens bewahren soll. Am 28. Januar 1966 explodierte, nach einem
missglückten Landeversuch, eine zweimotorige Lufthansa-Convair auf dem
Neuenlander Feld. „Ich sah eine fast 150 Meter hohe Stichflamme“, hatte
unmittelbar nach dem Absturz ein Augenzeuge berichtet. Von den 46 Menschen
an Bord des Flugs LH 005 aus Frankfurt – zwei Piloten, zwei Stewardessen
und 42 Passagiere – hat niemand [2][überlebt].
Der Absturz von Bremen war seit Neugründung der erste Lufthansa-Unfall in
Deutschland, bei dem Passagiere starben. In der Wochenschau, die drei Tage
später [3][in die Kinos kommt], nimmt der mit dumpfen Trommelschlägen und
trübseligem Flötenflageolett unterlegte Bericht von der Absturzstelle
ebenso viel Raum ein wie der vom Ende des Waffenstillstands in Vietnam. Die
Frage werde gestellt, ob „ein Radarleitsystem dem Piloten rechtzeitig
wichtige Hinweise gegeben hätte“, heißt es im Bericht ohne Quellenangabe.
Das solle aber in Bremen erst 1970 installiert werden.
In Die Zeit kündigt Innensenator Hans Koschnick an, künftig mit Gewalt
gegen Gaffer vorzugehen. Bei anderen schießen Spekulationen ins Kraut,
Kaltkriegslegenden entstehen, zumal, als bekannt wird, dass der Kopilot
eine gebrauchte Rohrzange fest umklammert habe, von der ein
Gerichtsmediziner behauptet, es sehe aus, als sei sie ihm erst nach dem Tod
in die Hand praktiziert worden. Der Bundesverkehrsminister setzt eine
Untersuchungskommission ein, die erste, in der Geschichte der
Bundesrepublik, die einen Unfall aufklären soll. Ende Oktober tritt sie im
Bremer Rathaus zusammen. Am 21. Januar 1967 legt sie in Braunschweig, im
Luftfahrtbundesamt, den Abschlussbericht vor: Eine Verkettung von
technischem und menschlichem Versagen wird als Ursache bestimmt. Ein
Unglück.
Als nationale Tragödie war das Ereignis in Italien wahrgenommen worden. Die
neun italienischen Absturz-Opfer waren das siebenköpfige
Schwimm-Nationalteam, ihr Trainer – und ein Sportjournalist von RAI. Der
hatte sich in Frankfurt entschieden, die ursprünglich vorgesehene Maschine
nach Bremen sausen zu lassen – und auf die Athleten zu warten. Das Team
hatte den Anschlussflug um zwölf Minuten verpasst, wegen einer Umleitung:
Alitalia hatte, wegen Nebels, den Direktflug Mailand-Frankfurt gecancelt.
Also waren sie via Zürich angereist.
Zwischen 17 und 23 Jahren waren die SportlerInnen jung, ein Team aus
kindlichen Working-Class-Heroes, deren Ausstrahlung auch den
[4][bedeutenden] Regisseur und Poeten Pier Paolo Pasolini begeisterte: „Als
ich die Fotos dieser lächelnden Jugendlichen sah“, so beschreibt er seine
Begegnung mit der Todesnachricht, „ließen sie mich an eine schöne Meldung
denken, an eine Botschaft der Freude und des Sieges“, irgendwelche junge
Astronauten auf dem Flug zu den Sternen „Die Gesichter dieser jungen
Schwimmer“ hätten keinerlei „Vorzeichen des Unglücks“ getragen, „kein…
Schatten des Leidens“, so Pasolini. Angesichts ihres Todes bleibe „nichts
übrig, als zu verzweifeln“, weil „da niemand ist, den man beschuldigen
könnte. Da ist nichts, was man zur Rechenschaft ziehen könnte.“
Ihr Ziel war das Bremer Zentralbad im Richtweg: Am 29. Januar begann dort
das zehnte Internationale Schwimmfest. Das war, laut Spiegel, das
„bedeutendste und teuerste Schwimmsportereignis der europäischen
Hallensaison“. Aufsehen hatte erregt, dass der Veranstalter die
Eurovisions-Übertragungsgebühren auf die Rekordsumme von 35.000 D-Mark
hochgehandelt hatte. Natürlich starteten die Wettkämpfe „trotz schwerer
Bedenken“, wie es in der Wochenschau heißt, pünktlich. Später hat man
nichts Großes mehr von der Veranstaltung gehört.
23 Jan 2016
## LINKS
[1] http://www.federnuoto.it/
[2] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46265511.html
[3] https://www.filmothek.bundesarchiv.de/video/584687?q=Internationales+Schwim…
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Pier_Paolo_Pasolini
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Flugzeugabsturz
Lufthansa
Italien
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