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# taz.de -- Dangaster wehren sich gegen Modernisierung des Kurbades: Kopfloser …
> Das Nordseebad Dangast fährt Verluste ein. Kurdirektor Johann Taddigs
> soll den Kurbetrieb umkrempeln und das Dorf gleich mit. Einige Einwohner
> wollen klagen.
Bild: Große Ruhe oder große Öde? Geht es nach dem Kurdirektor, hat es sich i…
DANGAST taz | Dangast döst. Die Campingplätze und Strände sind verwaist,
viele Ferienwohnungen leer und die Jalousien heruntergelassen. Nur eine
Handvoll Menschen schlendert durch den Ort. Vielleicht noch ein Halt am
Kurhaus, um den berühmten Rhabarberkuchen mit Blick auf den Jadebusen zu
essen. Es ist Winterruhe im ältesten Nordseebad an der deutschen
Festlandküste. Außer auf einer Baustelle etwas östlich des Zentrums.
Eine Grube klafft im Boden, Fundamentplatten werden gegossen. Hier entsteht
der erste von drei Bauabschnitten des Nordseeparks mit Ferienapartments.
„Für 40 Millionen Euro entstehen 700 zusätzliche Betten“, sagt Kurdirektor
Johann Taddigs. Ein Großprojekt für ein kleines Dorf mit nicht mal 600
Einwohnern. Das Projekt Nordseepark ist aus Taddigs’Sanierungskonzept
hervorgegangen, dem Grund für den Streit über die Zukunft Dangasts.
Taddigs sitzt in seinem Büro mit Panoramafenster, spricht davon,
„wettbewerbsfähig“ zu werden und hat die Stadt Varel, zu der Dangast
gehört, und die Mehrheitsfraktion des Rates im Rücken. Gegen sich hat er
Politiker der Ratsminderheit, Künstler und die Bürgerinitiative Dangast.
Sie sind gegen Taddigs’Plan, mit dem er 2011 als Kurdirektor angetreten
ist, um den defizitären Kurbetrieb umzubauen und die Stadt zu entschulden.
„Ich fand Investitionsstaus vor und einen Betrieb, der sich in 20 Jahren
kaum weiterentwickelt hatte“, sagt er. Das jährliche Minus habe bei 1,5
Millionen Euro gelegen, die Gebäude des Kurzentrums seien veraltet gewesen.
Jahrelang hatte die Stadt erfolglos nach Auswegen gesucht. „Die wollten
einen externen Profi, der sich auskennt und das war ich“, sagt Taddigs. Er
ist einer von der ehrgeizigen Sorte, das zeigt auch sein Konzept.
Im Kern sieht es vor, die Fläche des städtischen Kurbetriebs zu reduzieren
und das Angebot für Urlauber zu modernisieren. Taddigs schlug der Stadt
vor, die Kuranlage zu verkaufen. Mitsamt des früheren Gesundheitszentrums,
des Solebads, der Kursäle und der Büros der Kurverwaltung. Auch der
Kurpark, der bis an den Deich des Badestrandes heranreicht, sollte zu Geld
gemacht werden. Insgesamt 6,5 Hektar. Von dem Erlös sollte auf dem Deich
ein moderner Bau mit neuen Räumen für eine Touristeninformation und für die
Verwaltung entstehen – Weltnaturerbeportal nannte Taddigs das in seinem
Plan. Schließlich liegt Dangast am Wattenmeer und das ist ein
Weltnaturerbe.
Gegen den Sanierungsplan regte sich sofort Protest. In Ratssitzungen wurde
Dangast schon mal im Sarg symbolisch zu Grabe getragen. Bis heute
befürchten die Kritiker kopflosen Massentourismus ohne touristisches
Leitbild. Der Kritik zum Trotz verkaufte Dangast bereits im Frühjahr 2013
einen Teil des von Taddigs vorgeschlagenen Areals an Küstenimmobilien
Peters aus Dangast und an den Oldenburger Immobilienunternehmer Dirk Onnen
– und die bauen nun den Nordseepark. Das Gesundheitszentrum wird abgerissen
und der Platz neu bebaut. Außerdem sicherte sich die angrenzende
Mutter-Kind-Klinik Friesenhörn 7.000 Quadratmeter. Der Gesamterlös liegt
bisher bei 5,37 Millionen Euro.
Mit diesem Geld konnte jenes prominent gelegene Weltnaturerbeportal gebaut
werden. Ende Februar war nach nur neun Monaten Bauzeit Eröffnung. Modern
ist es geraten. Mit Promenade für die Touristen, Sauna- und
Wellnessbereich, Verbindung an das schon bestehende Quellbad, Restaurant
und Touristeninformation samt Souvenirshop. Dagegen wirkt der Rest des
Ortes mit seinem schrammelig-romantischen Charakter wie aus der Zeit
gefallen.
## „Katastrophe für den Ort“
„Protzige Strandsparkasse“ nennen die Leute von der Bürgerinitiative das
neue Gebäude. Das Symbol für Dangasts neue Wettbewerbsfähigkeit, sagt
Taddigs dazu. „Wir schaffen Produkte, die einfach buchbar sind und die
Saison verlängern.“ Für modernes Tourismusmarketing, das mit
Pauschalangeboten und Wellness zusätzliche Dauergäste locke. Wenn Konstanze
Radziwill Taddigs so reden hört, wird sie wütend. „Das ist eine Katastrophe
für den Künstlerort.“ Denn auch das sei Dangast: ein Künstlerort.
Die Filmemacherin und Autorin ist Mitbegründerin der Bürgerinitiative. Und
die Tochter von Franz Radziwill, dem Maler des magischen Realismus. Franz
Radziwill verbrachte den Großteil seines Lebens hier, ähnlich wie der Maler
und Fotograf Willy Hinck. Auch Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Max
Pechstein von der 1905 in Dresden gegründeten expressionistischen
Künstlergruppe „Die Brücke“ malten in Dangast. Darin sieht Konstanze
Radziwill das wahre Potenzial des Ortes. „Die Menschen möchten sehen, wo
diese Weltkunst in der Natur entstanden ist.“
Die Bürgerinitiative will darum einen eher sanften Kulturtourismus, der die
Historie aufgreift und die heutigen Künstler vor Ort einbezieht. „Aber
dafür hat Herr Taddigs kein Ohr“, sagt Künstler Gunnar S. Voigt bei einem
Spaziergang durch den Kurpark. Er ist Teil der Ateliergemeinschaft
Kunstraum, die Dangast künstlerisch neu beleben wollte. Zuletzt hatten sie
Räume der Kuranlage zu Ateliers mit Ausstellungen umfunktioniert. „Wir
hätten auch den ganzen Park bespielen können“, sagt Voigt und redet von
Skulpturenparks und Mittelaltermärkten. „Aber jetzt wird hier die letzte
grüne Freifläche mit diesem Nordseepark zugeknallt.“ Weil die Künstler
diese Entwicklung nicht mittragen wollen, ist Kunstraum ins selbst gewählte
Exil in den benachbarten Vareler Hafen gezogen.
Verschärft wird der Konflikt dadurch, dass der erste Bauabschnitt des
Ferienhaus-Komplexes in der landseitigen Deichschutzzone gebaut wird. Dafür
wurde eine Ausnahmegenehmigung erteilt und extra der Bebauungsplan
geändert. Nun beträgt die Schutzzone nicht mehr 50 Meter, sondern nur noch
20 Meter. Es wird eng am Deich.
Die Bürgerinitiative sieht Dangast wegen der neuen Betten im Sommer künftig
aus allen Nähten platzen. „Für ein Dorf auf einer Halbinsel ist das nicht
zu leisten“, sagt Radziwill. Taddigs hält dagegen, dass Dangast mit der
Überfüllung schon jetzt zu kämpfen hat. „Uns bereiten aber nur die
Tagestouristen Probleme, die bei schönem Wetter in den Ort fahren und Staus
verursachen“, sagt er. Die Dauergäste, auch die des späteren Nordseeparks,
ließen ihr Auto stehen. Einen Teil der Belastung habe man schon abgefangen,
indem der Verkehr auf einen kostenlosen Strandparkplatz am Ortsrand
umgeleitet wurde.
Insgesamt sieht Taddigs sich und den Ort auf dem richtigen Weg. Dangast
bewegt sich auf 600.000 Übernachtungen im Jahr zu. Das Defizit des
Kurbetriebs liegt konstant unter 900.000 Euro. Für 2016 rechnet er laut
Wirtschaftsplan mit rund 826.000 Euro. Rückendeckung kam in der letzten
Ratssitzung 2015 auch von Bürgermeister Gerd-Christian Wagner (SPD). Seit
2011 habe die Stadt durch die Sanierung 1,5 Millionen Euro gespart, sagt
Wagner.
## An der Wirklichkeit vorbei
Leo Klubescheidt gehört zu den Gegnern der neuen Wettbewerbsfähigkeit,
engagiert sich in der Bürgerinitiative. Die geschätzten Erlöse gingen an
der Wirklichkeit vorbei, sagt er. Und nennt die neue Sauna im
Weltnaturerbeportal als Beispiel. „2015 erreichte sie nur ein Drittel der
angepeilten Umsätze“, sagt Klubescheidt. Taddigs bleibe aber bei seinem
geplanten Umsatz von 125.000 Euro jährlich. Dafür müssten 15.700
Saunagänger her. Nicht zu machen, so Klubescheidt. Selbst die größere
Saunalandschaft im benachbarten Ferienort Neuharlingersiel komme in
Spitzenzeiten nur auf 9.000 Besucher.
Die Bürgerinitiative will im Januar vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg
und dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg Klage einreichen. Auf diese Weise
wollen sie kurzfristig per einstweiliger Anordnung einen Baustopp
erreichen. Langfristig wollen sie beweisen, dass das öffentliche
Planungsverfahren fehlerhaft war. Haben sie damit Erfolg, wäre der
Bebauungsplan ungültig und ein Rückbau müsste erfolgen. Nur kann sich das
Verfahren bis zu fünf Jahre hinziehen. Taddigs hat derweil weiter die
Entschuldung vor Augen. „Jetzt will ich das Defizit auf null fahren“, sagt
er. „Bis 2025, das ist realistisch.“
31 Dec 2015
## AUTOREN
Manuela Sies
## TAGS
Nordsee
Niedersachsen
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