# taz.de -- HSV-Niederlage gegen Mainz: Kein Geld schießt auch keine Tore | |
> Mainz 05 macht richtig, wovon der HSV bisher nur redet: Talente holen und | |
> entwickeln. Gewonnen haben die Rheinhessen in Hamburg auch deswegen. | |
Bild: Kriegt beim HSV hoffentlich so viel Zeit wie die Mainzer Talente: Michael… | |
HAMBURG taz | „Geld schießt keine Tore“, lautet eine alte | |
Fußballromantiker-Weisheit. Sie soll sagen, dass es nicht reicht, für viel | |
Geld die besten Fußballer der Welt zusammenzukaufen, um im Profigeschäft | |
erfolgreich zu sein. Dazu, so die spätestens seit der Meisterschaft des VfL | |
Wolfsburg 2009 etwas voluntaristisch klingende Theorie, gehören noch | |
weitere Faktoren: Fachkenntnis zum Beispiel. Professionelle Strukturen. Ein | |
funktionierendes Team. Ganz wichtig: Kontinuität. | |
Betrachtet man all diese Faktoren, ist der FSV Mainz 05 so etwas wie die | |
Antithese zum Hamburger SV. In Hamburg bestimmte noch vor zwei Jahren ein | |
Videotheken-Besitzer über die Geschicke der Profiabteilung. Seit 1992 hatte | |
der HSV acht Sportchefs und zwei Beinahe-Sportchefs. In Mainz trug im | |
selben Zeitraum Christian Heidel die sportliche Verantwortung. Nur | |
Christian Heidel. | |
In aller Ruhe entwickelt der dienstälteste Manager der Liga den Mainzer | |
Kader. Zum Beispiel mit Spielern wie Jairo Samperio. Der junge Spanier | |
wurde in der Vorsaison schon als Fehleinkauf gehandelt. Gegen den HSV traf | |
er nach einer Viertelstunde artistisch aus dem Liegen zum 0:1; als er kurz | |
nach der Pause auch noch das 0:2 erzielte, war das Spiel gelaufen. Warum | |
Jairo plötzlich so spielen kann? „Der Junge kam vor einem Jahr und konnte | |
kein Wort Deutsch und nur ganz wenig Englisch“, sagt Heidel. „Der brauchte | |
einfach Zeit.“ Zeit, die Spieler in Mainz bekommen. „Es geht ja nicht | |
anders, wir können ja keine kompletten Spieler kaufen“, sagte Heidel. | |
Als er in diesem Sommer seinen besten Stürmer Shinji Okazaki zu Leicester | |
City ziehen lassen musste, strich Heidel elf Millionen Euro ein. In Hamburg | |
stand im Mainzer Sturmzentrum nun wieder ein Japaner und machte dem HSV das | |
Leben schwer: Yoshinori Muto. Heidel hatte ihn für unter drei Millionen | |
Euro verpflichtet. Kein Wunder, dass Mainz 05 über fünf Jahre einen Gewinn | |
von rund 20 Millionen Euro verbuchte. | |
Der HSV dagegen gab in der vergangenen Woche einen Rekordverlust bekannt: | |
16,9 Millionen Euro. Damit sind in fünf Jahren fast 45 Millionen Miese | |
aufgelaufen. Der HSV ist nach wie vor ein Sanierungsfall. Eigentlich, wenn | |
man sich Heidels Logik von den finanziellen Möglichkeiten zu eigen machte, | |
könnte der HSV auch keine kompletten Spieler kaufen. Der Club hatte nach | |
der Ausgliederung der Profiabteilung in eine AG vor anderthalb Jahren auch | |
angekündigt, verstärkt auf Talente zu setzen. Aber Können und Tun stehen im | |
Profifußball oft auf verschiedenen Blättern: Der HSV verpflichtete teure | |
Altstars wie Emir Spahić (35) und Ivica Olić (36) oder den chilenischen | |
WM-Helden Marcelo Díaz (28), letztere murren immer lauter darüber, dass sie | |
kaum spielen. | |
Wenigstens sportlich schien die Sanierung des HSV in den vergangenen Wochen | |
aber auf gutem Wege zu sein. Nach überzeugenden Siegen gegen Borussia | |
Dortmund und in Bremen wäre sogar der Anschluss ans obere Tabellendrittel | |
drin gewesen – bei einem Sieg gegen die Mainzer. Stattdessen wurde es dann | |
fast ein Debakel für die Hamburger, nachdem Christian Clemens auch noch zum | |
0:3 traf. Johan Djourous Kopfballtor zum 1:3 kurz vor dem Abpfiff | |
relativierte diesen Eindruck kaum, zumal der Großteil der Hamburger Fans | |
ihn gar nicht mehr im Stadion miterlebte. | |
Der glücklicher Führungstreffer habe seine Mannschaft in die Situation | |
gebracht, „die wir eigentlich wollten“, meinte der Mainzer Coach Martin | |
Schmidt: „Dass wir aus dem Hinterhalt schießen konnten.“ In der Tat: Sie | |
überließen dem HSV weit gehend Feld und Ballbesitz und stachen nach | |
Balleroberung mit präzisem Passspiel und blitzschnellen Kontern zu. Die | |
Hamburger konnten noch von Glück reden, dass sie nur drei davon erfolgreich | |
abschlossen. | |
Der HSV, dem ohne den verletzten Pierre-Michel Lasogga vorn die | |
Durchschlagskraft fehlte, haderte dagegen mit den vor allem von Michael | |
Gregoritsch vergebenen Großchancen in der ansprechenden ersten Halbzeit: | |
„Wir haben zu viel drüber geschossen“, sagte Trainer Bruno Labbadia | |
trocken. Die bittere Erkenntnis: Kein Geld schießt eben auch keine Tore. | |
5 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Jan Kahlcke | |
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