# taz.de -- Ein Denkmal für Magnus Hirschfeld | |
> Gedenken Des Pioniers der Sexualwissenschaft soll endlich öffentlich | |
> gedacht werden – und damit der ersten homosexuellen | |
> Emanzipationsbewegung. Noch bis Sonntag sind die Entwürfe dafür zu sehen. | |
> Das „Denkmal für Magnus“ soll 2016 enthüllt werden | |
Bild: Die Eröffnung der Ausstellung „Denkmal für Magnus“ war ein Szeneeve… | |
von Frank Hermann | |
Nächstes Jahr soll ein „Denkmal für Magnus“ am Spreeufer eingeweiht werde… | |
Genau genommen nicht allein für den Pionier der Sexualwissenschaften, | |
sondern eines, das an die erste homosexuelle Emanzipationsbewegung | |
erinnert, die Hirschfeld auf den Weg gebracht hat. | |
Jahrelang war auf Initiative des Lesben und Schwulen-Verbands | |
Berlin-Brandenburg e. V. (LSVD) Geld gesammelt worden. Im Varieté | |
Wintergarten gab es mehrere Galas unter dem Motto „Stars für Magnus“, | |
Privatpersonen gaben zusätzlich Geld, und die Klassenlotterie sponserte den | |
Rest. Mit der Universität der Künste (UdK) war eine Partnerin gefunden | |
worden, mit deren Hilfe die gestalterische Arbeit in Gang kam. Federführend | |
dabei: Dozent Wolfgang Knapp. | |
Nun sind fünf Entwürfe für das Denkmal im Haus der Kulturen der Welt zu | |
besichtigen. Eine kluge Standortwahl, denn auf diesem Areal befand sich | |
einst das Institut für Sexualwissenschaft. Die Entwürfe stammen von einem | |
Team aus AbsolventInnen internationaler Kunsthochschulen, die im Rahmen | |
postgradualer Studien ihre künstlerischen Kompetenzen bündelten. Die neun | |
Beteiligten kommen aus den Bereichen Kunst, Architektur, Medien und Design. | |
China, Deutschland, England, Griechenland, Bosnien-Herzegowina und Nepal | |
sind ihre Herkunftsländer. | |
## Wetterfest soll es sein | |
Die Kriterien für die Denkmalgestaltung waren unter anderem | |
Wetterbeständigkeit und umweltschonende Materialien. Auch geringe | |
Wartungskosten – schließlich ist Berlin immer noch sexy, aber | |
nichtsdestotrotz arm – spielten eine Rolle. Visualisiert werden sollte der | |
„positive Ansatz der homosexuellen Emanzipationsbewegung und deren | |
Sichtbarkeit“. | |
Indessen braucht es schon Vorstellungskraft, um die endgültige Wirkung der | |
Kunstwerke zu erahnen, denn statt anschaulicher Modelle gibt es | |
mehrheitlich Schautafeln mit Simulationen zu sehen. Die Entwürfe sind nicht | |
namentlich gekennzeichnet. Nicht aus falscher Bescheidenheit oder gar aus | |
Scham, sondern weil alles im Teamwork entstanden sei, wie Mitgestalter | |
Martin Binder erzählt. „Es ist alles eine Gemeinschaftsarbeit, somit eine | |
innovative Form des Wettbewerbs, weil die Entwürfe gegeneinander antreten | |
und nicht wir als Personen. Das sind jetzt die Entwürfe, auf die wir uns | |
als Gruppe geeinigt haben, und die sind auch von allen bearbeitet worden.“ | |
Im Sommer 2014 hatte das erste Treffen mit dem LSVD stattgefunden, seitdem | |
lief der gestalterische Prozess. Kenntnisse über Hirschfeld hatten die | |
wenigsten, aber die unvoreingenommene Herangehensweise habe dann doch viele | |
Rechercheergebnisse gezeitigt, deren „Zuspitzung auf die jetzt vorliegenden | |
Entwürfe hin“ in der Schau dokumentiert sind. | |
Binders chinesische Kollegin Xue Wang bestätigt, dass ihr die Arbeit neue | |
Erkenntnisse gebracht hat und sie die Herausforderung gern angenommen habe. | |
Eine Prognose, welcher Entwurf gewinnen könnte, wagen beide nicht, denn sie | |
seien zu sehr in den Prozess involviert, um eine objektivere Außensicht | |
einnehmen zu können. | |
## Lauter Zwischenstufen | |
Was die sexuelle Orientierung, das persönliche Commitment als | |
Minderheitenzugehörige der KünstlerInnengruppe angeht, erläutert Martin | |
Binder: „Nach Magnus Hirschfeld gibt’s ja 3 hoch 16 sexuelle | |
Zwischenstufen, so viele sind wir zwar nicht gerade, aber wir sind bunt | |
gemischt“ – und lacht. | |
Die fünf Entwürfe sind betitelt mit „Schutzwelle“, „Kratzen“, „Pris… | |
„Calla“ und „Zwischenstufen“. Letzterer greift mit seinen unterschiedli… | |
graduierten Stufen Hirschfelds Theorie der sexuellen Zwischenstufen ganz | |
direkt auf. „Prisma“ lässt eine Laterne aus der Zeit der Weimarer Republik | |
Spektrallicht auf eine Bodenplatte werfen. | |
„Kratzen“ besteht aus sechs gekrümmten Metallstreifen, die sich verändern: | |
Durch Abkratzen der oberen Schicht kommen unterschiedliche Farben zum | |
Vorschein. Kratzen ist hier also erwünscht. Der Entwurf erinnert an den | |
wiederholten ganz und gar unerwünschten Vandalismus an den bereits | |
vorhandenen Hirschfeld-Gedenktafeln (siehe Kasten). | |
## Prominent besetzte Jury | |
Bis Sonntag ist die kleine Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt zu | |
sehen. Eine Jury wird den den Gewinner küren. Sie ist unter anderen besetzt | |
mit Dr. Berndt Schmidt, dem Intendanten des Friedrichstadt-Palasts, Silvia | |
Fehrmann, der Leiterin Kommunikation und Kulturelle Bildung im Haus der | |
Kulturen der Welt, und dem Unternehmer Daniel Wall (Wall AG/Bündnis gegen | |
Homophobie). VertreterInnen queerer Institutionen oder schwul-lesbische | |
Persönlichkeiten sind nicht im Entscheidungsgremium. Das liegt zum einen | |
daran, dass einige Angefragte wie beispielsweise Rosa von Praunheim aus | |
Termingründen nicht zur Verfügung standen. | |
Warum der LSVD nicht dabei ist, erklärt Geschäftsführer Jörg Steinert | |
damit, dass der Verein während der vergangenen Jahre sehr involviert und | |
aktiv gewesen sei, sodass er sich nun quasi vornehm zurückhält. Der Verein | |
habe sich bewusst rausgehalten, sagt LSVD-Vorstandsmitglied Ulrich Keßler | |
dazu. Man habe nicht auf „Betroffenheitskompetenz“ gesetzt bei der Auswahl | |
der Jurymitglieder. Was ja dann auch wieder irgendwie emanzipatorisch ist. | |
Der ehemalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit würdigte bei der | |
Ausstellungseröffnung – mit viel Szenepublikum – am vergangenen Donnerstag | |
den Stand der Dinge als weiteren großen Schritt in der Geschichte der | |
Gleichberechtigung. Schließlich sei das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee | |
die Wiege der ersten schwulen Emanzipationsbewegung in der Geschichte | |
gewesen. | |
Wowereit betonte nicht nur die herausragende Arbeit von Dr. Hirschfeld, | |
sondern erinnerte auch daran, dass dieser für seine Arbeit beschimpft und | |
geschmäht und letzten Endes – nicht zuletzt als Jude – aus Deutschland | |
verjagt wurde. | |
10 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Frank Hermann | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |