# taz.de -- Debatte um Videoüberwachung in Berlin: Das Lageso im Blick | |
> Berlins Datenschutzbeauftragter Dix hält die Einstufung des Lageso als | |
> „gefährlichen Ort“ nach dem Tod Mohameds für denkbar. | |
Bild: Trauer in der Turmstraße: Am 1. Oktober wurde der vierjährige Mohamed v… | |
Ein Gastwirt hat eine Überwachungskamera über der Tür seiner Bar in der | |
Bugenhagenstraße in Moabit angebracht. Er will vorher wissen, wer da gleich | |
an seine Theke kommt. Damit verstößt er gegen das Bundesdatenschutzgesetz, | |
denn er filmt auch ein Stück Gehweg: öffentliches Straßenland also. Damit | |
hilft er, den mutmaßlichen Mörder des vierjährigen Mohamed zu finden, denn | |
die Mutter des Tatverdächtigen erkennt ihren Sohn auf den Aufnahmen wieder | |
– und geht zur Polizei. | |
Was danach geschah, wird jetzt aufgearbeitet. Die Debatte, die sich an | |
diesem Fall entspinnt, ist eine bekannte: Was wiegt schwerer – das Recht, | |
sich in der Öffentlichkeit unbeobachtet bewegen zu können oder die | |
Möglichkeit, den mutmaßlichen Täter eines grausamen Verbrechens dingfest zu | |
machen? | |
„Keine Veranlassung“ sieht der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander | |
Dix für eine grundsätzliche Ausweitung der Videoüberwachung. Jedoch könne | |
er sich vorstellen, dass man das Landesamt für Gesundheit und Soziales | |
(Lageso) in der Moabiter Turmstraße als „gefährdeten Ort“ einstufe, sagte | |
Dix der taz. Konkret hieße das: Die Polizei könnte auch präventiv | |
„mitgucken“, was sich auf dem Gelände des Lageso tut. Auch in U-Bahnen, | |
Bussen und Bahnhöfen darf die Polizei seit 2007 zur „Abwehr von Straftaten“ | |
mitschauen. | |
Mohamed war am 1. Oktober im Gedränge auf dem unübersichtlichen | |
Lageso-Gelände entführt worden. Wie viele Kameras derzeit am Lageso | |
installiert sind, ließ die zuständige Senatsverwaltung am Montag | |
unbeantwortet. Laut einer Sprecherin von CDU-Sozialsenator Mario Czaja | |
tagte aber gestern Nachmittag eine „Arbeitsgemeinschaft Sicherheitskonzept“ | |
beim Lageso, die auch die Themen Videoüberwachung und die Beleuchtung des | |
Geländes diskutieren wollte. Ergebnisse gab es bis gestern Abend noch | |
nicht. | |
## Gastwirt droht Verfahren | |
Der SPD-Sprecher für Verfassungsschutz, Tom Schreiber, will den Fall | |
Mohamed hingegen zum Anlass nehmen, um „in der nächsten Wahlperiode eine | |
Abschaffung der Strafverfolgung bei privaten Videoaufzeichnungen im | |
öffentlichen Raum anzugehen“. Tatsächlich liegt nämlich gegen den Gastwirt | |
die Beschwerde einer Privatperson vor. Laut Datenschützer Dix prüfe man | |
derzeit, ob eine Klage gerechtfertigt ist. | |
Die Staatsanwaltschaft könnte etwa ein Verfahren einleiten, weil der Wirt | |
das Videomaterial zu lange speicherte – bei Privatpersonen sieht das | |
Bundesdatenschutzgesetz eine Löschfrist von 24 Stunden vor – oder keine | |
Hinweisschilder anbrachte, dass vor seiner Tür gefilmt wird. | |
„Ein Verfahren wäre das falsche Signal“, sagt Schreiber. Jetzt | |
flächendeckende Videoüberwachung zu fordern, wie es etwa auch sein | |
CDU-Kollege im Innenausschuss Robbin Juhnke öffentlich tat, hält er zwar | |
für falsch. „Aber wir haben eine Kriminalitätsstatistik, die ganz klar | |
deutlich macht, an welchen Orten – etwa dem Alexanderplatz – ein | |
verstärkter Einsatz von Kameras sinnvoll wäre.“ | |
## „Weg vom Einzelfall Mohamed“ | |
Tatsächlich führt die Polizei keine Statistik darüber, wie häufig | |
Straftaten direkt durch die Auswertung von Videoaufnahmen aufgeklärt | |
werden, so Polizeisprecher Stefan Redlich. „Meist stellen sich aber | |
beispielsweise die Täter innerhalb von zwei Tagen selbst, wenn wir mit den | |
hochauflösenden BVG-Videos fahnden.“ | |
Der SPD-Abgeordnete Schreiber will die Datenschutz-Diskussion nun in den | |
Innenausschuss tragen. „Die Debatte muss noch mal grundsätzlich geführt | |
werden. Wir müssen wegkommen vom Einzelfall Mohamed.“ | |
3 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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