| # taz.de -- Der VfB Stuttgart muss nach Hamburg: Schnell, direkt, gerne durch d… | |
| > Vor dem Spiel gegen den HSV sind die Fans des VfB erstaunlich zufrieden | |
| > mit ihrem Team. Trotz der Heimniederlage zum Auftakt. | |
| Bild: Ein ruhiger Reformer: Alexander Zorniger | |
| Langjährige Besucher von Heimspielen des VfB Stuttgart haben sich am | |
| Sonntagabend erstaunt umgeblickt. Ein Publikum, das jahrelang keine | |
| Hemmungen hatte, nach dem ersten Fehlpass die Finger zwischen die Lippen zu | |
| nehmen, quittierte eine 1:3-Heimniederlage gegen den 1. FC Köln nicht etwa | |
| mit den ritualisierten Pfiffen, sondern mit lautem Applaus. Den 60.000 | |
| hatte die Leistung ihrer Elf genau so gut gefallen wie dem neuen Trainer | |
| Alexander Zorniger, der ebenfalls nur etwas an der Chancenverwertung | |
| auszusetzen hatte. | |
| Zorniger ist einer von auffallend vielen Schwaben (Klopp, Gisdol, Dutt, | |
| Rangnick, Tuchel …), die zuletzt in der Liga trainierten. Seine Herkunft | |
| kann der Mann aus Mutlangen sprachlich dabei noch schlechter verheimlichen | |
| als die Kollegen. | |
| Beim VfB, wo man auch im Stadionlied (“So bisch du, so isch där VfBäh“) | |
| offensiv mit dem eigenen Dialekt umgeht, gereicht ihm das nicht zum | |
| Nachteil. Zumal der ehemalige RB-Leipzig-Trainer den Menschen das Gefühl | |
| gibt, dass er sie ernst nimmt – auch weil er ohne großes Floskelgeranke | |
| erklärt, welche Art von Fußball er spielen lassen will: Schnell, direkt, | |
| gerne durch die Mitte. Jeder Spieler soll es als persönliche Kränkung | |
| empfinden, wenn sein Gegenspieler den Ball hat. | |
| So wie am Sonntag, als der VfB über 90 Minuten beste Unterhaltung bot und | |
| die konternden Kölner wie schnöde Spielverderber aussehen ließ. Kurzum: Der | |
| VfB hat die Sommerpause genutzt, um sich fußballerisch neu zu gründen. Die | |
| Mannschaft soll agieren, das Geschehen bestimmen – ob gegen die Bayern oder | |
| den HSV, in dessen Arena man am Samstag aufläuft. „Wir orientieren uns | |
| nicht am Gegner“, sagt Sportdirektor Robin Dutt, „sondern wollen unser | |
| Spiel durchbringen.“ | |
| ## Fußball mit Wiedererkennungswert | |
| Dutt und Zorniger haben damit eine Zielvorgabe der Vereinsführung | |
| umgesetzt: Fußball mit Wiedererkennungswert soll es sein. Es hat | |
| schließlich beides am Selbstwertgefühl genagt, dass sie in den vergangenen | |
| Jahren weder größere Erfolge für sich reklamieren konnten noch einen | |
| sonderlich attraktiven Spielstil. Auch wenn allen Beteiligten klar ist, | |
| dass es in der zurückliegenden Katastrophensaison vor allem die fehlende | |
| Balance zwischen Defensive und Offensive war, die das Team fast in die | |
| Zweite Liga gebracht hätte. | |
| Dass der VfB selbst in der vergangenen Saison spielerisch zuweilen um | |
| Welten besser war als der HSV, machte sich in der Tabelle erst am letzten | |
| Spieltag bemerkbar. Zu schwer wog die Last der 60 Gegentreffer – mehr | |
| kassierte nur Paderborn. | |
| Einen Anteil am Stuttgarter Stimmungshoch hat gewiss auch Robin Dutt, der | |
| als Sportdirektor Fredi Bobic ablöste und anfangs einen schweren Start | |
| hatte. Doch seit Dutt am 6. Januar beim VfB anheuerte, hat er längst | |
| überfällige Strukturen geschaffen und die sportliche Kompetenz auf der | |
| Geschäftsstelle erhöht. Einsame Entscheidungen gehören der Vergangenheit | |
| an. Stattdessen tagt nun häufiger ein gut qualifiziertes Gremium aus | |
| Trainern, Scouts und Offiziellen, ehe ein Transfer stattfindet. | |
| Etwa der von Sven Ulreich: Dass der Torwart es vorzog, einen Stammplatz | |
| beim VfB gegen einen Bankplatz bei den Bayern einzutauschen, ist eine | |
| Legende. In Wahrheit wusste er wohl sehr genau, dass ihm auch in der | |
| schwäbischen Heimat die Bank drohen würde. Dass die Trennung sachgerecht | |
| war, zeigte Ulreich bei seinem Pokal-Einsatz mit den Bayern gegen den FC | |
| Nöttingen Anfang August, als ihm kaum ein Ball in den Händen bleiben | |
| wollte. | |
| ## Dortmund spielt nicht mit | |
| Ob beim VfB die Ulreich-Nachfolge gut geregelt ist, wird sich erweisen. | |
| Przemyslaw Tyton wirkte gegen Köln zuweilen unsicher, Mitch Langerak, der | |
| aus Dortmund kam, fehlt derzeit verletzt.Seit Mittwoch steht nun fest, dass | |
| Innenverteidiger Antonio Rüdiger, begleitet von den üblichen Wünschen, | |
| künftig beim AS Rom kicken wird. Liebend gern würde man nun Matthias Ginter | |
| aus Dortmund loseisen, doch da spielt möglicherweise die andere Seite nicht | |
| mit. | |
| Warum sollte BVB-Manager Zorc einem Spieler, dem er jüngst die Freigabe | |
| nach Gladbach verweigert hat, wenig später den Weg nach Stuttgart ebnen? | |
| Weil der VfB kein direkter Konkurrent für die Borussia ist? Auch wieder | |
| wahr. Oder doch nicht? | |
| Insgeheim sind sie beim VfB zumindest sehr sicher, dass sie in den | |
| vergangenen Monaten weit mehr richtig als falsch gemacht haben. Dass das in | |
| aller Ruhe geschah, könnte an der vergleichsweise unboulevardesken | |
| schwäbischen Medienlandschaft liegen. Oder aber daran, dass die VfB-Spieler | |
| sich tatsächlich nicht wechselseitig als „Pussys“ bezeichnen. Außerdem ist | |
| Robin Dutt ein viel zu strukturierter Mann, als dass man seine Rucksäcke in | |
| öffentlichen Parkanlagen finden würde. | |
| 22 Aug 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Christoph Ruf | |
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