# taz.de -- Bombenexplosion in Kundus: Der Tod des „kleinen Kadir“ | |
> Eine Serie von Attentaten erschüttert Afghanistan. Bomben der Taliban | |
> oder Rivalität unter Milizen? | |
Bild: Afghanische Arbeiter vor den Resten des Bundeswehrstandorts in Kundus. | |
Kabul taz | Einen Tag nach den drei verheerenden Taliban-Anschlägen in der | |
Hauptstadt Kabul mit 50 Toten und hunderten Verletzten kam es am | |
Sonntagmorgen in der Provinz Kundus, ehemaliger Stationierungsort der | |
Bundeswehr, zu einem schweren Bombenanschlag. Obwohl sich die Taliban | |
inzwischen auch dazu bekannt haben, ist es fraglich, ob sie tatsächlich die | |
Urheber sind. | |
Die Explosion ereignete sich Sonnabend am späten Nachmittag in der | |
Ortschaft Schurab im Distrikt Chanabad. Der berüchtigte Milizkommandeur | |
Abdul Kadir, besser bekannt als Kadirak (“der kleine Kadir“), verließ | |
gerade ein Meeting mit seinen Unterführern, als sich ein | |
Selbstmordattentäter mit seinem Auto in die Luft sprengte. | |
Örtliche Journalisten berichteten der taz, 29 Menschen seien dabei ums | |
Leben gekommen, darunter Kadirak und fünf seiner Subkommandanten, aber auch | |
zwei Kinder und zwei weitere Zivilisten; 19 weitere wurden verletzt. | |
Milizen wie die Kadiraks wurden privat von örtlichen Machthabern | |
aufgestellt, um die Taliban zu bekämpfen. Aber sie werden oft auch zur | |
Belastung für die Bevölkerung. Kadirak und andere Kommandeure haben | |
Chanabad unter sich aufgeteilt und erheben in ihren jeweiligen | |
Einflusszonen illegale „Steuern“. Wegen ihrer Verbindungen, die bis in die | |
Regierung in Kabul reichen, stehen sie oft über dem Gesetz. Kadirak gehörte | |
zum Netzwerk Mir Alams, des mächtigsten Kommandanten in der Provinz. | |
## Milizen kämpfen um Macht und Einfluß | |
Alam kontrolliert den dortigen Geldmarkt und wohl auch große Teile des | |
Drogen- und Waffenhandels nach Zentralasien. Seit 2006 hat er kein | |
öffentliches Amt mehr inne, wurde aber auch von deutschen Militärs | |
konsultiert, die bis Oktober 2013 in Kundus waren. Alam ist wiederum mit | |
Atta Muhammad Nur verbunden, dem mächtigen Gouverneur der Provinz Balch. In | |
Balchs Hauptstadt Masar-e-Scharif sind jetzt die meisten verbliebenen | |
Bundeswehrsoldaten stationiert. | |
Bei der Aufteilung von Chanabad kam Kadirak dem Vernehmen nach in Konflikt | |
mit einem weiteren Milizkommandeur, der unter dem Namen Pachsaparan bekannt | |
ist, „der Mauerbrecher“. Kadirak hatte ihm kürzlich den Zugang nach | |
Chanabad untersagt. In Kundus wird deshalb vermutet, dass Pachsaparan | |
hinter dem Anschlag steckt. Dafür könnte er lokale Taliban angeheuert | |
haben, die den Anschlag politisch für sich verbuchen können. | |
Die Zersplitterung der Provinz Kundus unter rivalisierende, von der | |
Zentralregierung kaum kontrollierbare Milizen gehört zu den gefährlichsten | |
Hinterlassenschaften der inzwischen von dort abgezogenen ISAF-Truppen. | |
12 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
Obaid Ali | |
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