# taz.de -- Nackte Körper, gedeckte Tische, schmutziger Humor | |
> AUSSTELLUNG „Liebe und Lyrik sind zweckfrei“ – das Haus am Lützowplatz | |
> zeigt Malerei, Zeichnung und Künstlerbücher von Galli | |
Bild: Galli: „Vom Leben in die Traufe (Grüße von der Base Litz)“, 2000, C… | |
Ein Körper, nur bestehend aus Händen, Füßen und einer leuchtend roten | |
Vagina. Eine der Hände streckt triumphierend eine Gurke in die Luft. „Nicht | |
nur eine Gurke“ ist der Titel der Arbeit. Anderswo sitzen Bratwurst, Vogel | |
und eine Kreuzung aus Schwein und Maus am Küchentisch und essen gemeinsam | |
aus einer dampfenden Pfanne. Nackte Körper, gedeckte Tische, schmutziger | |
Humor: Die Kunst von Galli ist das pure Leben. Das Haus am Lützowplatz gibt | |
mit der Ausstellung „Liebe und Lyrik sind zweckfrei“ einen Überblick über | |
Künstlerbücher, Malereien und Zeichnungen der Künstlerin. | |
Galli, die mit bürgerlichen Namen Anna-Gabriele Müller heißt, ist 1944 im | |
Saarland geboren. Sie studierte an der Werkkunstschule in Saarbrücken, | |
bevor es sie 1969 nach Berlin zog. Weg vom behüteten Elternhaus, allein in | |
die große Stadt. An der Hochschule der Künste war sie Meisterschülerin des | |
Malers und Grafikers Martin Engelmann. Ihre Malerei ist den „Neuen Wilden“ | |
nah, der Künstlergruppe, die Ende der Siebziger mit subjektiver, | |
figurativer Malerei für Aufsehen sorgten. Doch auch die Zeichnung, das | |
Erzählen mit Linien, spielte in Gallis Werk immer eine große Rolle. | |
Zuletzt kehrte sich Galli von der großformatigen Malerei ab und wendete | |
sich der feingliedrigeren Arbeit in Künstlerbüchern zu. Das Haus am | |
Lützowplatz zeigt die Bücher in Form von Videos, in denen Galli selbst | |
Seite für Seite umblättert. Stunden könnte man vor diesen Monitoren | |
verbringen und das Gefühl haben, die Künstlerin danach gut zu kennen. Denn | |
besonders die Künstlerbücher gewähren intime Einblicke in Gallis Welt. Im | |
Künstlerbuch „Ja“ von 2013 zeichnet sie 42-mal ihr Atelier, in Rot- und | |
Rosatönen gehalten. Auffällig sind dabei die vielen kleinen Hocker, die | |
eine große Rolle im Leben der kleinwüchsigen Künstlerin spielen. In „Liebe | |
und Lyrik sind zweckfrei (etwas außerhalb der Legalität)“ ist Sexualität | |
das Hauptthema. Auf den 99 mit Kugelschreiber und Schere bearbeiteten | |
Seiten verwandeln sich Ellenbogen in Brüste, Penisse spritzen in | |
Kaffeetassen ab. Doch auch das Wort „Scham“ und Kreuze tauchen auf, wohl in | |
einer Anspielung auf Gallis religiöse Erziehung. | |
In Vitrinen neben den Monitoren sind die Originale zu sehen, die oft wie | |
kleine Skulpturen wirken. Galli schneidet und collagiert in ihren Büchern, | |
durch das langsame Blättern ergeben sich dabei stets neue Bilder. Was auf | |
der einen Seite noch eine Maus war wird auf der nächsten zum Hinterteil | |
einer Kuh, die sich danach in eine Ziege transformiert. Gallis Kunst ist | |
immer im Werden, immer spielerisch. Früher litt sie an einer | |
Rechtschreibschwäche, bis sie irgendwann anfing, bewusst Fehler | |
einzusetzen, Worte zu verändern und damit Neues zu schaffen. Zeichnung und | |
Schreiben sind für Galli eng verwandt, in ihren Künstlerbüchern spielt sie | |
mit Sprache und schreibt Geschichten, die genauso märchenhaft, skurril und | |
ausdrucksstark sind wie ihre Zeichnungen und Malerei. | |
Was Gallis Kunst vor allem ausmacht, ist die Spontanität ihrer Arbeit. Sie | |
lässt sich inspirieren von teilweisen banalen Dingen in ihrem Alltag – ein | |
Bild ist ihrer neuen Waschmaschine gewidmet – und malt oder zeichnet dann | |
einfach drauflos.„Ich lasse laufen“, so beschreibt Galli ihren | |
Arbeitsprozess. Einfach „wegmalen“, sich überraschen lassen von der eigenen | |
Kreativität. Zu viel Perfektion ist langweilig. Galli lässt laufen und | |
schafft dabei seit Jahrzehnten Kunst, die Lust aufs Leben macht. Inga | |
Barthels | |
Im Haus am Lützowplatz bis 30. August, Di.–So. 11–18 Uhr | |
15 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Inga Barthels | |
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