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# taz.de -- Betrugsskandal bei Studenten in Indien: Geheimnisvolle Todesfälle
> Indische Medizinstudenten haben wohl jahrelang Geld für Hochschulplätze
> gezahlt. Seit das bekannt wurde, sind viele Beteiligte mysteriös
> gestorben.
Bild: Oppositionsaktivisten demonstrieren wegen der Todesfälle in Indien.
Neu Delhi dpa | Anil Rai fürchtet, er könne der nächste Name auf der langen
Todesliste sein. Denn der Menschenrechtsaktivist half dabei, einen der
größten Betrugsskandale in der Geschichte Indiens aufzudecken, der den
Subkontinent seit Tagen in Atem hält – und mit dem immer mehr mysteriöse
Todesfälle in Verbindung gebracht werden. „Ein Mann rief mich an und warnte
mich“, erinnert sich Rai. „Er sagte, es gebe wegen mir zu viel
Berichterstattung in den Medien. Wenn das so weitergehe, werde er mich
umlegen lassen.“
Rai ist einer der Informanten, die Korruption bei Bewerbungstests für
medizinische Hochschulen im zentralindischen Bundesstaat Madhya Pradesh
bekannt machten. Nun ist Bestechung in Indien nichts Ungewöhnliches. Aber
hier sind die Ausmaße besonders gewaltig: Laut den Ermittlern wurde
mindestens sechs Jahre lang im großen Stil betrogen. Fast 2000 Menschen
wurden bislang angeklagt, Hunderte Menschen verhaftet, nach rund 500
Verdächtigen wird noch gesucht.
Der Betrug lief so: Testkandidaten heuerten Absolventen an, die an ihrer
statt das Examen schrieben. Oder sie bezahlten gute Medizinstudenten, in
Blickweite neben ihnen zu sitzen. Andere ließen sich die Frage- oder
Antwortbögen vorher zustecken oder gaben den Korrektoren gleich direkt
Geld, damit sie ihnen bessere Noten geben. Eine Aufnahme in die Hochschule
soll bis zu 140.000 Euro gekostet haben. Abgehalten wurden die Tests von
einer Behörde mit der Hindi-Abkürzung Vyapam – weswegen Indien vom
Vyapam-Skandal spricht.
Dicke Schlagzeilen machte der Skandal aber erst, als im Zusammenhang damit
[1][immer mehr Tote] auftauchten: Verkehrsunfälle, Selbstmorde,
Vergiftungen, Verbrennungen, Organversagen. Ein Journalist etwa, der in dem
Fall recherchierte, starb plötzlich an einem Herzinfarkt. Ein involvierter
Professor lag tot in seinem Hotelzimmer. Eine in dem Fall angeklagte
Studentin soll sich vor einen Zug geworfen haben. Der Autopsiebericht sei
aber ausgetauscht worden, berichteten lokale Medien. Eigentlich sei die
junge Frau stranguliert worden.
## Keine Zufälle?
Die Polizei spricht von 23 Toten. Indische Medien zählen etwa 40
Todesfälle. Unter ihnen ist auch der 50-jährige Sohn des Gouverneurs von
Madhya Pradesh, der im März plötzlich tot aufgefunden wurde. Kein Zufall,
sagen die Aktivisten, die Aufklärung in dem Mega-Skandal fordern. Sie
vermuten schon lange, dass ranghohe Politiker und Beamte darin verwickelt
sind.
Tatsächlich hat die Special Task Force, die in dem Fall ermittelt, gegen
einen früheren Bildungsminister, Vyapam-Beamte, Regierungsvertraute und
Polizisten Verfahren eingeleitet.
Doch der Innenminister von Madhya Pradesh will keine mysteriösen Todesfälle
erkennen. „Die meisten dieser Tode sind natürlich. Die Medien schaffen
einen Hype“, sagte Babulal Gaur auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Die Informanten seien in Wirklichkeit von der Oppositionspartei beauftragt
worden. Der Whistleblower Rai hingegen meint: „Die Strippenzieher sind noch
immer auf freiem Fuß.“
Indiens höchstes Gericht hatte nun genug und entzog dem Bundesstaat die
Zuständigkeit. Ab Montag soll sich das Central Bureau of Investigation –
quasi Indiens BKA – um den Betrug und die Todesfälle kümmern. Der
forensische Experte und Whistleblower Prashant Pandey ist froh darüber. „Es
war allerhöchste Zeit, dass ein unabhängiger Dritter ins Spiel kommt, der
von der Landesregierung unabhängig ist“, sagt er. Sicher fühlt er sich –
genauso wie Rai – trotzdem nicht. Da hilft es auch nicht, dass ihm zum
Schutz nun immer ein Polizist folgt, wenn er mit seinem Fahrrad durch die
Stadt fährt.
10 Jul 2015
## LINKS
[1] http://www.hindustantimes.com/india-news/ht-exclusive-vyapam-scam-has-10-de…
## AUTOREN
Sunrita Sen
## TAGS
Indien
Schwerpunkt Korruption
Wahlen
Narendra Modi
Bestechung
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