# taz.de -- Rainer Langhans wird 75 Jahre alt: Fragezeichen mit Locken | |
> Seine Weggefährten sind tot, fett oder korrumpiert. Nur Rainer Langhans | |
> ist noch da. Auch wenn er allmählich ins Gespenstische transzendiert. | |
Bild: Langhans muss auch äußerlich Langhans bleiben, solange er als Typ noch … | |
Als er einmal bei Markus Lanz hockte, wurde dem unbedarften Zuschauer | |
vermittels einer Einblendung knapp erklärt, um was es sich bei diesem | |
aufreizend entspannten Zausel handelt: „Rainer Langhans: Sinnbild des | |
deutschen Hippietums“. Tuckerte demnach Rainer Langhans in einem mit | |
psychedelischen Blüten bemalten VW Bully zum Burg-Herzberg-Festival und | |
würde dann dort vor der Hauptbühne während des Gigs von Amon Düül eine | |
Bombe gezündet – mit dem „deutschen Hippietum“ wäre es wohl endgültig | |
vorbei. | |
Tatsächlich wäre vermutlich jede andere Einblendung präziser gewesen. | |
„Rainer Langhans: Sinnbild der 68er“, „Rainer Langhans: Sinnbild des | |
liebenswerten Schluffis“, „Rainer Langhans: Sinnbild der freien Liebe“. D… | |
Mann ist für jede Rolle buchbar und als Projektionsfläche für ein | |
interessiertes Publikum immer interessant geblieben. Von Anfang an, also | |
seit seinem Auftauchen als Bewohner der „Kommune I“, ist er eine | |
exemplarische Gestalt der Populärkultur im strengen Sinne, dass er nichts | |
anderes repräsentiert als eine spiegelnde Oberfläche. | |
Deshalb geht er zu Markus Lanz, dient als Werbefigur für einen | |
Versandhändler, macht den Clown im „Dschungelcamp“ und danach gleich noch | |
mal in „Newtopia“. Was als „Verrat!“ verbellt werden müsste, hätten s… | |
seine Genossen von damals nicht auch noch auf ganz anderen Feldern selbst | |
desavouiert. „Rainer Langhans: Sinnbild der Harmlosigkeit“ – deshalb | |
befragt ihn die taz wie einen verschrobenen und daher mutmaßlich | |
lebensklugen Zeitzeugen, deshalb rechnet die Bild respektvoll die Anzahl | |
seiner Ejakulationen hoch, deshalb bestaunt ihn die SZ als liebenswertes | |
Schwabinger Original. Irgendwas muss er richtig gemacht haben, also kann | |
früher nicht alles falsch gewesen sein. | |
Dabei bleibt der Mann ein Fragezeichen mit Locken. Das begann schon mit dem | |
Versuch, ab 1967 in der Gemeinschaft von Gleichgesinnten die sexuelle | |
Befreiung als Vorbotin einer gesellschaftlichen Befreiung zu etablieren – | |
was an seinen eigenen Aporien und der menschlichen Natur scheiterte. Es | |
setzte sich fort in den Siebzigerjahren, in denen Langhans seine Jugend | |
bereits prolongierte und Fragen stellte, die ihn bis nach Indien und zum | |
Buddhismus führten – dessen mundgerechte Weisheiten er heute ebenso | |
häppchenweise und unverdaut im Munde führt wie entsprechende Bruchstücke | |
der soziologischen Literatur der 68er. | |
## Die gasförmige Variante von „68“ | |
Alle Wegbegleiter und ferneren Gefährten sind entweder tot (Fritz Teufel), | |
fett (Josef Fischer), korrumpiert oder über die Klippe in den Esofaschismus | |
gekippt (Horst Mahler). Langhans allein ist noch da, und Langhans allein | |
sieht – abzüglich der üblichen Kratzspuren, die uns allen die Krallen der | |
Zeit so zufügen – noch genauso aus wie früher. Das ist nicht unwichtig. Es | |
ist, im Gegenteil und gerade auf dem Altenteil, wesentlich für die Marke. | |
Das hat er gut verstanden. Und es entspricht praktischerweise dem | |
Imperativ, sich „treu“ bleiben zu müssen – was immer das für jemanden | |
bedeutet, der sich fortwährend „selbst suchen“ muss, als wäre er ein | |
verlegter Autoschlüssel. | |
Ein Rainer Langhans in Jeans und Poloshirt, mit Bäuchlein und kurzen Haaren | |
wäre nicht mehr Rainer Langhans – nur eine weitere der vielen tendenziell | |
tragischen Figuren seiner Generation. Nein, Langhans muss auch äußerlich | |
Langhans bleiben, solange er als Typ noch nachgefragt wird. Ästhetisch wie | |
inhaltlich verkörpert er 2015 eine ins Kosmische verdünnte, mithin harmlos | |
gasförmige Variante dessen, worum es „68“ gegangen sein mag. Einen | |
Widerpart zu Langhans müsste man erst mühsam konstruieren. Rudi Dutschke | |
war intellektueller, Andreas Baader sexueller, beide zusammen waren in den | |
wenigen Jahren ihres Wirkens politischer als Langhans in einem ganzen | |
Leben. Was nicht unbedingt gegen Langhans spricht, der für kaum einen | |
Genossen von damals böse Worte findet. | |
Am ehesten wäre er als eine männliche Uschi Obermaier zu beschreiben, mit | |
der zusammen er seinerzeit als „Adam und Eva“ der Bewegung auf dem Titel | |
des Stern ein wenig die bourgeoisen Moralvorstellungen kitzeln durfte, hmm, | |
das tat gut, weiter, ja genau, da! Ins Alter gerettet hat er, als | |
libidinöser Arm der 68er, davon nur den dauertherapeutischen | |
Gesprächskreis, den er seinen „Harem“ nennt – ein eingekapselter Rest | |
dessen, was mal als „freie Liebe“ die Welt aus den Angeln heben sollte. | |
Geblieben ist ihm „das Geistige“, in dem er – neben der Bescheidenheit – | |
nun das Geheimnis einen gelingenden Alterns zu finden hofft. Männer mit | |
seiner Ausstrahlung und seinem Spiritualismus stehen in Poona oder Goa an | |
jeder Straßenecke. Die sitzen nur nicht bei Markus Lanz. Unter den | |
Scheinwerfern der hiesigen Öffentlichkeit transzendiert Langhans daher | |
allmählich ins Gespenstische. Und ist damit vielleicht wirklich genau der | |
Botschafter, den „68“ braucht. Einer, der sagt: „Geht weiter! Es gibt | |
nichts zu sehen! Gab es nie! Love!“ | |
Langhans lebt noch immer in seiner Münchener Studentenwohnung. Wer die | |
dortigen Immobilienpreise kennt, erkennt die Weisheit dahinter. Heute wird | |
er 75 Jahre alt. Es sollte eine Sondersendung geben: „Rainer Langhans: | |
Sinnbild des Rainer Langhans“. | |
18 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Arno Frank | |
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