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# taz.de -- Grüne Partei in Mexiko: Umwelt als Marketinginstrument
> Greenpeace bezeichnet die Grüne Partei in Mexiko als widerwärtig.
> Kritiker werfen „Los Verdes“ vor, verlängerter Arm der Ex-Staatspartei
> PRI zu sein.
MEXIKO-STADT ap | Besonders grün ist sie nicht, die Grüne Partei in Mexiko.
Doch ähnlich wie einige Bio-Produkte im Supermarkt profitiert sie von einer
geschickten Marketing-Kampagne, die „Los Verdes“ zur am schnellsten
wachsenden Partei des lateinamerikanischen Landes gemacht hat – allerdings
auch zur umstrittensten.
Denn die Grüne Ökologische Partei (PVEM) präsentiert sich einerseits als
frische Lösung für die Alltagsprobleme der Mexikaner. Anderseits sind die
Grünen in allen wichtigen Fragen voll auf einer Linie mit der Partei der
Institutionalisierten Revolution (PRI) von Präsident Enrique Peña Nieto.
Trotz einer Reihe von Skandalen wegen illegaler Wahlwerbung und
unzulässiger Geschenke an Wähler ist die kleine Partei vor den
Zwischenwahlen am 7. Juni laut Umfragen im Aufwind.
Viele Aktivisten und Intellektuelle fordern die Auflösung der PVEM, die in
ihren Augen nur als moderne Fassade der früheren Staatspartei PRI herhält.
Diese war in Mexiko 71 Jahre lang ohne Unterbrechung an der Macht, bevor
sie 2000 die Präsidentenwahl verlor. Viele frustrierte Wähler gaben der PRI
die Schuld an der Wirtschaftskrise. Um ihre Macht zu erhalten und sich ein
moderneres Image zu verpassen, ging die Partei seitdem immer wieder
Bündnisse mit kleineren Gruppierungen ein.
In diesem Wahlzyklus bemüht sich die PRI um dem Fortbestand einer
Koalition, der nur wenige Stimmen zu einer Mehrheit im Kongress fehlen.
Nach diversen Korruptionsskandalen und der öffentlichen Empörung über das
Verschwinden von 43 Lehramtsstudenten im Herbst 2014 rutschte die
Mitte-links-Partei in den Umfragen zuletzt ab.
## Eine enge Allianz
Die Zwischenwahlen gelten als wichtiger Test für den Präsidenten in der
Mitte seiner sechsjährigen Amtszeit. Die Wähler entscheiden über 500 Sitze
im Kongress, 17 Landtage, neun Governeure und mehr als 300 Bürgermeister.
Parallel zu den Verlusten der PRI haben die Grünen zugelegt. Kritiker
halten das nicht für einen Zufall. „Wir misstrauen der PRI und werden ihr
immer misstrauen, weil sie versucht, zu betrügen“, sagt Gustova Madero,
Parteichef der rivalisierenden Nationalen Aktion (PAN). „Jetzt versuchen
sie, die Grüne Partei zu benutzen, um die Menschen hinters Licht zu
führen.“
Die enge Allianz zwischen PRI und Grünen lässt sich nicht leugnen. Die PVEM
hält zwar nur etwa sieben Prozent der Sitze in der Abgeordnetenkammer, aber
ihr solidarisches Abstimmungsverhalten sichert der PRI fast eine einfache
Mehrheit. In fast allen Fragen ist das Votum der Grünen deckungsgleich mit
dem der PRI. Das half der ehemaligen Staatspartei unter anderem, ihre
Privatisierungsreformen etwa in der Ölindustrie durchzusetzen.
Im Gegenzug unterstützen PRI-Abgeordnete einzelne Vorhaben der kleineren
Partei, mit denen sie bei den Wählern punkten können, wie etwa ein Verbot
von Zirkustieren. Dieser Beistand ist für die Grünen existenziell wichtig.
Denn er sichert ihnen das Mindestmaß an Stimmen, das Voraussetzung ist für
staatliche Wahlkampfzuschüsse in Millionenhöhe.
## Anerkennung entzogen
Die mexikanischen Grünen brüsten sich damit, schärfere Umweltgesetze
durchgeboxt zu haben. Diese sehen unter anderem höhere Strafen für
Umweltverschmutzung vor sowie den Schutz der bedrohten Mangrovenwälder und
das verfassungsmäßige Recht auf eine gesunde Umwelt. Die meisten
Umweltgruppen im In- und Ausland kritisieren die Maßnahmen aber als
oberflächlich und werfen der PVEM vor, die Umwelt als reines
Marketinginstrument zu missbrauchen. Im Dezember bezeichnete Greenpeace
Mexiko die Partei als „widerwärtig“, nachdem diese erklärt hatte, sie habe
im Umweltschutz mit der Organisation zusammengearbeitet.
Die Europäischen Grünen (EGP) entzogen der mexikanischen Partei die
Anerkennung, nachdem diese sich 2009 für die Todesstrafe für Entführer
ausgesprochen hatte. Die PVEM senkte ihre Forderung anschließend zu
lebenslanger Haft, was seitdem in mindestens einem mexikanischen Staat
eingeführt wurde.
Zuhause gerieten die Grünen immer wieder mit dem Wahlrecht in Konflikt.
Ironischerweise wurden ausgerechnet sie dafür bestraft, ihre
Wahlkampf-Flyer nicht auf Umweltpapier gedruckt zu haben. Und in
Mexiko-Stadt machte ein Grünen-Abgeordneter Negativ-Schlagzeilen: Er wurde
beim gewaltsamen Vorgehen gegen einen Beamten gefilmt, der eine Gruppe von
Hausbesetzern aus einem Naturschutzgebiet entfernen lassen wollte.
Wenn schon die Umweltbilanz schlecht ausfällt, so haben die Grünen doch
zumindest eine große Expertise darin entwickelt, mithilfe von Umfragen und
Marktforschung den Wählerwillen zu erkunden. Sie brachten mit Erfolg ein
Gesetz für einen leichteren Zugang zu Medikamenten ein und machten sich für
so populäre Vorhaben wie besseren Englisch- und Informatikunterricht an
Schulen stark und für Stipendien für Studenten aus armen Familien.
„Ich glaube, die Grünen verdanken ihren Erfolg ihrer Disziplin, keine
hochfliegenden Versprechungen zu machen, die sie nicht halten können“,
sagte der Grünen-Senator Carlos Puente. „Niemand kann behaupten, die Grüne
Partei habe gelogen oder ihre Zusagen nicht eingehalten.“
Den Vorwurf, die PVEM sei nur ein verlängerter Arm der PRI, lässt Puente
nicht gelten. Die Partei habe „ihr eigenes Leben“, sagt er, „ihr eigenes
Wesen“.
16 May 2015
## AUTOREN
Mark Stevenson
## TAGS
Grüne
Amerika
Mexiko
Mexiko
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