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# taz.de -- Foto-Doku: Leben in hellen, offenen Räumen
> Sechs, sieben Sekunden währt eine Einstellung, dann der Schnitt. Heinz
> Emigholz gelang mit "Schindlers Häuser" ein Meisterwerk filmischer
> Architektur.
Bild: Das Roth-House von 1945, Studio City
Was für ein Film: hundert Minuten lang nichts als in starren Einstellungen
gefilmte Gebäude nach Entwürfen von Rudolph M. Schindler, einem von Kennern
sehr geschätzten Architekten der klassischen Moderne. Es gibt, nach einem
kurzen Prolog, keine Erläuterungen, keinen Kommentar aus dem Off, keine
Informationen zur Person oder zu den Konzepten und Ideen Schindlers.
Einzig kurze Schrifttafeln notieren knapp die Namen der Häuser, die Daten
von Gebäudebau und Aufnahmetag. Nichts als Außenansichten und
Innenansichten, Bilder von Räumen in Häusern, Häusern in Städten, Gärten
vor Häusern, eine Folge von Fassaden und Winkeln, Stufen und Wegen,
Terrassen und Fenstern, Balkonen, Balken und Bäumen. Mehr hat "Schindlers
Häuser" nicht zu bieten, mehr will er nicht bieten. Eben deshalb ist es ein
keine Sekunde langweiliger, ja, ein aufregender Film. Natürlich wäre er es
nicht, hätte Rudolph M. Schindler nicht faszinierende Häuser gebaut. Er
wurde 1887 in Wien geboren, hatte dort bei Adolf Loos studiert, bevor er
1914 in die USA ging und in Chicago schlecht bezahlter Assistent bei Frank
Lloyd Wright wurde. Dann wagte er den Sprung nach Kalifornien und in die
Selbstständigkeit.
Im Lauf von drei Jahrzehnten entstanden mehr als 300 Häuser nach seinen
Entwürfen, die meisten davon im Großraum Los Angeles. Als sein Meisterwerk
gilt das bereits 1922 in Westhollywood gebaute "Kings Road House", das
Schindler für seine Familie und Freunde entwarf. Emigholz zeigt es und 39
weitere Gebäude, Privathäuser meist, aber auch kleinere Geschäftshäuser
darunter und eine weiß verputzte, in geradlinig rechtwinklige geometrische
Muster gefaltete Baptistenkirche, die nicht mehr genutzt, gar dem Verfall
anheimgegeben scheint.
Überhaupt halten die von Schindler gewählten Materialien, der häufig
eingesetzte Beton vor allem, der Zeit nicht immer gut Stand. Manches der
Häuser macht den Eindruck, als stehe es nur mit letzter Kraft noch
aufrecht. Die Wände verzogen, der Putz schmutzunterlaufen. Andere sind
bestens erhalten und liebevoll renoviert. Viele der heutigen Bewohner haben
Emigholz eingelassen. Die Innenräume sind durch unaufdringliche Absätze,
halbhohe Steingeländer oder an die Wände gefügtes Mobiliar moduliert,
strikte architektonische Nutzanweisungen findet man kaum; Schindlers Bauten
machen ihren Bewohnern keine Vorschriften, sondern Angebote zur Einrichtung
des Lebens in hellen und offenen Räumen. Die Formsprache ist klar, das
unangestrengt variierte Vokabular der klassischen Moderne auch durch die
Jahrzehnte wiedererkennbar. Durch lamellierte Dachüberhänge und raffiniert
durch die Wände geführte Längsschlitze fällt so viel natürliches Licht noch
in hintere Winkel, dass die Kamera auch in den Innenräumen keiner
Unterstützung durch künstliche Beleuchtung bedarf.
Der Grundzug von Schindlers Architektur ist die Durchdringung von Innen und
Außen, die Öffnung des Raums, das Hereindringen von Licht und Natur.
Schindlers Häuser schotten sich nicht ab. Der Architekt hat dies in einem
Aufsatz aus dem Jahr 1926 als Utopie selbst formuliert: "Unsere Räume
bewegen sich nahe am Grund, der Garten wird zum Bestandteil des Hauses
werden. Die Unterscheidung zwischen Drinnen und Draußen wird verschwinden.
Es wird nur wenige Wände geben, sie werden dünn sein und leicht zu
beseitigen. Alle Räume werden Teile einer organischen Einheit statt kleine,
voneinander getrennte Schachteln mit Gucklöchern."
Emigholz filmt die von Schindlers Architektur geschaffenen Räume kongenial.
Nie versetzt er die Statik der Häuser etwa durch Schwenks in künstliche
Bewegung. Fünf, sechs, sieben Sekunden währt eine Einstellung, dann erfolgt
ein Schnitt und unvermittelt der Übergang zum nächsten Bild. Was sich so
ergibt, ist eine Standbildfolge, die aus Teilen die Häuser und Räume mit
den technischen Mitteln des Films selbst wieder organisch zusammensetzt.
Zusammenhänge von Innen und Außen stellt oft der Originalton her,
Vogelgezwitscher, der durch Bäume streichende Wind, den man durch geöffnete
Türen und Fenster hört. In der Auswahl von Rahmen und Winkeln verfährt der
Film selbst quasiarchitektonisch. Er fügt einen partiellen Zusammenhang an
den anderen, erschafft Blick für Blick und Einstellung für Einstellung den
vom Architekten geschaffenen Raum neu. Deshalb ist "Schindlers Häuser" ein
Meisterwerk nicht verfilmter, sondern filmischer Architektur.
6 Jun 2007
## AUTOREN
Ekkehard Knörer
## TAGS
Architektur
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