# taz.de -- Machtkampf im Radsport: Der sagt nichts, der will nur austeilen | |
> Der einstige Radsportler Jan Ullrich gebärdet sich wie ein kläffender | |
> Kampfhund: Er erklärt sein Karriereende und attackiert seine Kritiker. | |
Bild: Gefährlich nah dran: Rudolf Scharping macht sich im Jahre 1997 an Jan Ul… | |
Das ist also aus Jan Ullrich geworden. Ein kläffender Kampfhund, der sich | |
verbissen hat in seinen Feinde. Gestern hat sich der erste und einzige | |
deutsche Tour-de-France-Sieger auf einer Pressekonferenz in Hamburg | |
gestellt. Er hatte angekündigt, Stellung zu beziehen zu all dem, was über | |
ihn berichtet wurde in den letzten acht Monaten, seit er wegen des | |
Verdachts, gedopt zu haben, von der Teilnahme an der Frankreichrundfahrt | |
ausgeschlossen wurde. Erklärt hat er nichts. "Nur ich habe gewusst, wie ich | |
mich in Form gebracht habe", sagte er, als er den Moment schilderte, in dem | |
er von seiner Suspendierung erfuhr. Ja, wie denn nun? Er hat es nicht | |
gesagt. | |
Jan Ullrich hat ausgeholt zu seinem vielleicht letzten Angriff auf seine | |
Feinde und Kritiker. Bald werden ihm nicht mehr so viele Menschen zuhören. | |
Seine Karriere als Radrennfahrer ist zu Ende. Er wird Berater eines | |
drittklassigen österreichischen Radrennstalls, stellt seine Erfahrungen als | |
Profisportler einer Unterwäschefirma zur Verfügung und wird für ein | |
Unternehmen werben, das mit einem Reifendichtungsgel gegen schmutzige | |
Finger beim Plattenflicken kämpft. Ganz am Ende der Pressekonferenz stellte | |
er diese Zukunftspläne vor. Eingeleitet mit den Worten: "Nun zum | |
Erfreulichen!" | |
Das "Erfreuliche" trug er mit derselben Stimme, in derselben Haltung vor | |
wie seine Angriffe zuvor. Jan Ullrich bellte die versammelte Presseschar | |
an. "Jetzt meckere ich schon wieder", sagte er einmal zu seinem | |
Pressesprecher Michael Lang, der neben ihm auf dem Podium im Hamburger | |
Hotel Intercontinental saß. Der lächelte angestrengt zurück und musste | |
mitansehen, was sein Klient aus der schönen Vorlage machte, mit der er auf | |
das Podium gestiegen war. Es war alles gerichtet für einen großen | |
Herz-Schmerz-Auftritt. Nein, was er heute vortragen wird, das habe ihm kein | |
PR-Mensch diktiert. "Gott weiß, das sind meine Gedanken", sagte er und | |
nickte nach links unten zu seiner Frau Sara. Die war ebenso im Saal wie | |
seine Mutter und sein Entdecker und jahrelanger Trainer Peter Becker. | |
"Meine Mutter hat das alles sehr mitgenommen", sagte Ullrich, berichtete | |
von Tränen, die er mit seiner Frau gemeinsam geweint habe. "Oder Schatzi?", | |
schickte er der Schilderung hinterher und richtete eine Liebeserklärung an | |
seine Sara: "Wenn ich dich nicht schon geheiratet hätte, ich würde es | |
wieder tun, echt hey." Feuchte Augen bekam niemand im Saal bei den | |
unbeholfen vorgetragenen Sätzen. Pitbull Ullrichs Auftritt geriet so gar | |
nicht schmalzig. | |
"Ich habe niemanden geschädigt, ich habe niemanden betrogen", sagte der | |
33-Jährige, "darauf bin ich stolz." Mit keinem Wort ging er auf die | |
Vorwürfe ein, die ihm ein Verfahren wegen Betrugs, das bei der | |
Staatsanwaltschaft Bonn anhängig ist, eingebracht haben, das dazu geführt | |
hat, dass er keine Rennen mehr fährt. Kein einziges Mal fiel das Wort | |
Doping. Eine DNA-Probe gebe man nicht ab wie ein Glas Wasser. Das sei alles | |
nicht so einfach. Jetzt kooperiere er aber mit der Staatsanwaltschaft, die | |
aufgrund einer Anzeige einer profilierungssüchtigen Frau tätig geworden | |
sei. Die Ermittlungen in Spanien? "Da ist so viel Scheiße gelaufen." Und | |
das sportrechtliche Verfahren, das die Schweiz gegen ihn anstrengen will? | |
"Da ist doch seit acht Monaten nichts passiert." Dennoch - wie ein | |
"Schwerverbrecher" komme er sich manchmal vor. "Aber wir leben noch, | |
Schatz, ja!" Wieder ging sein Blick nach links unten. Ullrich versuchte zu | |
lachen: "He, he." | |
Er drosch ein auf Rudolf Scharping, den Präsidenten des Bundes Deutscher | |
Radfahrer (BDR), seinen Lieblingsfeind an diesem Vormittag in Hamburg: "Dem | |
muss ich jetzt noch einen mitgeben, he, he." In den großen Tagen des | |
Radsportlers Jan Ullrich sei der damalige Verteidigungsminister mit eigenem | |
Fotografen auf ihn zugekommen und habe sich beim Schulterklopfen ablichten | |
lassen. Es sei einfach ungerecht, zu behaupten, er, Ullrich, habe den | |
Radsport mehr geschadet als genutzt. "Wo war denn der Radsport vor zehn | |
Jahren?", das würde Ullrich Scharping gerne fragen. Aber er hat ihn zwei | |
Jahre nicht gesehen, "nicht einmal im Fernsehen, hey". Ullrich hat | |
versucht, witzig zu sein. Gelacht hat niemand. | |
"Gegen mich läuft kein Verfahren, ich würde ohne Probleme eine Lizenz | |
bekommen", führte der Exradler aus. Sieben Rennställe hätten ihn | |
angestellt, "darunter auch Pro-Tour-Teams", so Ullrich. Doch jetzt wolle er | |
die Karriere nach der Karriere starten. "Ganz oder gar nicht", das sei nun | |
mal sein Lebensmotto. Es gehe ihm gut dabei. Er lobte noch das Engagement | |
des österreichischen Teams Volksbank für den Nachwuchs. Um den will er sich | |
vor allem kümmern. Vielleicht erklärt er den jungen Sportlern ja, wie er | |
sich vorbereitet hat auf die Tour 2006? | |
27 Feb 2007 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
## TAGS | |
Radsport | |
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