# taz.de -- Kolumne: Die Doping-Hitparade | |
> Von kuriosen Ausflüchten, tränenseligem Gestammel und abgewichsten | |
> Geständnissen im Radsport. | |
In meinem Ranking der witzigsten Dopinggeständnisse nimmt das von Dario | |
Frigo nach wie vor einen einsamen Spitzenplatz ein. 2001 wars, als der | |
italienische Radrennfahrer während des Giro dItalia bei einer wilden Razzia | |
in San Remo von der Polente hopsgenommen wurde. Wie in etlichen Zimmern des | |
durchrazzten Fahrerhotels hatte man auch in Frigos Quartier verbotene | |
Substanzen gefunden. Frigo gab zunächst ohne Umschweife zu, davon genascht | |
zu haben. Er habe eben siegen wollen, wie er den verdutzten Dopingfahndern | |
mit geradezu entwaffnender Offendosigkeit erklärte. Wenig später zog es | |
Frigo aber vor, seine Aussage zu relativieren. Nicht er sei gedopt gewesen, | |
sondern sein Kulturbeutel. Darin aufbewahrt hätten ihm die | |
leistungssteigernden Mittel lediglich zur "psychologischen Stärkung" | |
gedient. Na bitte: So prima gestrickt können Ausflüchte sein. | |
Wie öde kam dagegen Erik Zabels Drogenbekenntnis daher. Sein tränenseliges | |
Gestammel neulich samt ekelhafter Sohninstrumentalisierung rangiert denn | |
auch ganz unten in meiner Hitparade. Nicht mal im Rahmen einer nächtlichen | |
Polizeiaktion mit Warnschüssen und Fenstersprüngen wie seinerzeit in San | |
Remo, sondern bloß im geleckten Ambiente eines Presse- und | |
Schnittchenempfangs in der wärmstens ausgeleuchteten Telekomzentrale | |
präsentierte sich da der Milramfahrer mit weißer Weste und devotem | |
Dackelblick. Zugegeben, ich mochte Zabel noch nie besonders. Fand sein | |
öffentliches Auftreten immer zu gefällig, zu ranschmeißerisch sein mediales | |
Gekumpel, zu bemüht in seinem streberhaften Vorsatz, den Mainstream zu | |
bestrampeln und nichts als den treudeutschen Sprinter zu geben. Ein Image | |
wie ein Knetgummi. Wie es aber hierzulande wohl geschätzt wird. So sehr, | |
dass seinem Träger selbst sein so mattes Betrugseingeständnis nichts | |
anhaben konnte. Bei der anschließenden Bayernrundfahrt jubelten ihm die | |
Massen derart zu, dass es sogar Zabel kaum fassen konnte. | |
Von den Dopinggestehern der jüngeren Zeit hat es nach meinem Empfinden | |
allenfalls Bjarne Riis verdient, als einigermaßen gewitzt, oder sagen wir | |
besser: abgewitzt bezeichnet zu werden. Schon wegen seines abgewichsten | |
Geständnisgrundtons. Und wegen der sagenhaften Chuzpe vor allem, mit der | |
der Tour-Sieger von 1996 sein Gelbes Trikot zur Rückgabe anbot: "Es liegt | |
zu Hause im Pappkarton in der Garage. Wenn ihr es holen wollt, bitte | |
schön!" Keine Ahnung, ob das jemand beherzigt hat. Sicher ist nur: Während | |
Zabel weiterhin unbehelligt Rennen beradelt, wurde Riis Name aus der ewigen | |
Siegerliste der Tour de France gestrichen. | |
Zugefallen ist ihm dafür immerhin das Verdienst, endlich einmal die Frage | |
nach dem Aufbewahrungsort des Gelben Trikots aufgeworfen zu haben. Nicht | |
dass ich mich diese Frage nie zu stellen getraut hätte. Sie ist mir bloß | |
nie eingefallen. Jetzt aber, und ausgerechnet in dem Moment, in dem ich | |
mich erschüttert vom verluderten Radsport abwende, findet sie ihre Antwort: | |
In einem gewöhnlichen Pappkarton in der Garage bewahrt also der dänische | |
Toursieger sein Maillot Jaune auf. Da fragt man sich doch erstens: Muss es | |
denn unbedingt - gemessen zumindest an unserer Garage - ein so | |
mottenverseuchter Ort sein? Und zweitens: "Wo würdest du dein Gelbes Trikot | |
lagern?" | |
Freund Hein, dem ich gestern telefonisch diese Frage stellte, sagte: "In | |
der Garage auf jeden Fall nicht. Schon weil ich keine besitze." Im Übrigen | |
befällt ihn bei dem Gedanken, ein Gelbes Trikot daheim aufbewahren zu | |
müssen, weniger die Angst vor Motten als die panische Sorge, es beim | |
Waschen aus Versehen zu verfärben; so wie er das vor Jahren mit seinem | |
historischen Eintracht-Braunschweig-Trikot geschafft habe. Aber das nur | |
nebenbei. Normalerweise rief ich Hein um diese Jahreszeit rum immer an, um | |
gemeinsames Tour-de-France-Gucken zu verabreden. Dieses Mal verabredeten | |
wir aber nur, überhaupt keine Tour mehr zu gucken. Warum? "Aus Protest," | |
wie es der Oldenburger Schriftsteller und Bibliothekar Günther Willen einst | |
(so ca. 1968) seinem A-Jugend-Trainer entgegenschleuderte, als der von ihm | |
wissen wollte, warum er das Haar so lang trüge. | |
21 Jun 2007 | |
## AUTOREN | |
Fritz Tietz | |
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