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# taz.de -- Bosnien: Schweres Erbe für den neuen Bosnien-Beauftragten
> Die Verfassungsreform tritt auf der Stelle, der politische Diskurs
> erinnert an die Zeit vor dem Krieg 1992 - auf Miroslav Lajcak wartet viel
> Arbeit.
Bild: Ein Stadtteil von Sarajewo, der von einem riesigen Friedhof dominiert wir…
Ein bisschen resigniert und hoffnungslos sei er, sagt Suleyman Bosto,
Professor an der philosophischen Fakultät in der bosnischen Hauptstadt
Sarajevo. Die letzten beiden Jahre seien verlorene Jahre. Bosnien und
Herzegowina bewege sich kaum von der Stelle, die Integration in das Europa
der EU sei nur noch eine vage Hoffnung, das Land stehe am Ende der
Schlange.
Die Stimmung des Professors teilen die meisten Menschen in Sarajevo. Und
auch der neue Mann an der Spitze der Institutionen der internationalen
Gemeinschaft, der neue Hohe Repräsentant und Sondergesandte der
Europäischen Union, der Slowake Miroslav Lajcak, verbreitet kaum
Optimismus. Zwar ist Lajcak mit 44 Jahren im Gegensatz zu seinem Vorgänger,
dem Deutschen CDU-Politiker Christian Schwarz-Schilling, jung, doch die
Menschen glauben nicht mehr an den großen Impuls. Viele stimmen dem
Präsidenten des Parlaments des Gesamtstaats Boris Belkic zu: "Die Hohen
Repräsentanten sind nur die ausführende Hand einer bestimmten Politik der
internationalen Gemeinschaft und haben kaum Spielraum, um individuelle
Akzente zu setzen."
Damit nimmt Belkic den in die Kritik geratenen und etwas glücklosen
Schwarz-Schilling in Schutz. Denn als der sein Amt im Februar vergangenen
Jahres antrat, hatte er von Brüssel den Auftrag, das seit dem
Friedensabkommen von Dayton existierende "Office of High Representative"
(OHR) aufzulösen und später lediglich als Sondergesandter der EU zu wirken.
Die internationale Gemeinschaft und vor allem die EU sah das Land auf dem
richtigen Weg und wollte ihre eigenen Institutionen zurückziehen. Zwölf
Jahre nach Beendigung des Krieges sollte das Land auf eigenen Füssen
stehen.
Schwarz-Schilling betonte von Beginn seiner Amtszeit an denn auch wie von
Brüssel gewünscht das Prinzip "Ownership": Die lokalen Politiker sollten
sich endlich dem gesamten Gemeinwesen gegenüber verantwortlich verhalten
und sich nicht nur als Vertreter der drei "konstituierenden Volksgruppen",
der Bosniaken, Serben und Kroaten, sehen. Er wolle nur Mittler sein und
keinesfalls die ihm zu Verfügung stehenden Machtmittel benutzen. Gesetze zu
kassieren und unliebsame Politiker abzusetzen, käme nicht in Frage.
Doch der Appell, die eigene Verantwortung wahrzunehmen, verhallte ungehört.
Im Gegenteil: Im Verlaufe von Schwarz-Schillings Amtszeit wuchsen die
Spannungen. Denn angesichts der Entscheidung über den Status des Kosovo
drohten plötzlich Politiker in Belgrad und der serbischen Teilrepublik in
Bosnien mit einer Volksabstimmung in der "Republika Srpska". Wenn Kosovo
für Serbien verlorenginge, würde sich die Republika Srpska von Bosnien und
Herzegowina abspalten. Der sich als Sozialdemokrat bezeichnende
Serbenpolitiker in Bosnien, Milorad Dodik, mobilisierte mit dieser Parole
bei den Wahlen im Herbst 2006 viele serbische Wähler und gewann in der
Republika Srpska die absolute Mehrheit.
Im Gegenzug verhinderte der Chef der "Partei für Bosnien und Herzegowina",
Haris Silajdþic, eine von den USA angestrengte Verfassungsreform, weil in
ihr die Republika Srpska auf ewig anerkannt würde. "Das Produkt des Exchefs
der bosnischen Serben Radovan Karadþic und des Genozids" dürfe nicht
weiterexistieren, das Land müsse wiedervereinigt werden und zu seiner
Identität des friedlichen Zusammenlebens zurückfinden, erklärte er und
gewann zwei Drittel der bosniakischen Stimmen.
Seither bestimmt eine Rhetorik die politische Atmosphäre, die manche, auch
in der internationalen Gemeinschaft, an die Zeit vor dem Krieg 1992
erinnert. Auf Betreiben Schwarz-Schillings wurde in diesem Frühjahr der
Rückzugsplan aus Bosnien fallengelassen. Jetzt soll Miroslav Lajcak für ein
Jahr neue Impulse geben. Der Philosophieprofessor Suleyman Bosto sieht
schon ein neues Scheitern voraus. "Wenn man in Bosnien Reformen und eine
neue Verfassung durchsetzen will, darf man nicht von vornherein das Mandat
des Hohen Repräsentanten zeitlich begrenzen", sagt er.
28 Jun 2007
## AUTOREN
Erich Rathfelder
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eigentlich?
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