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# taz.de -- Deutsche Kunst: Wie weiter am Standort D?
> "Made In Germany": Die Gruppenausstellung dreier Museen in Hannover gibt
> einen gelungenen Überblick zu aktuellen Positionen zeitgenössischer
> Kunst.
Bild: Der verspiegelte Golf von Jonathan Monk, "Dem Deutschen Volke"
Zu den drei Brocken Deutsch, die der gemeine Engländer versteht, gehört
neben "Hitler" und "Oktoberfest" kurioserweise auch der Slogan "Vorsprung
durch Technik". Schuld ist der populäre TV-Werbespot eines süddeutschen
Autoherstellers, der in den Achtzigern auf der Insel unsynchronisiert
gezeigt wurde. Das hat für die Briten "Germany" und "Auto" untrennbar
verbunden.
Wen überrascht es also, dass Jonathan Monk nun einen VW-Golf zum Kunstwerk
gemacht hat? Der Engländer, der seit einiger Zeit in Berlin lebt, hat das
Auto entkernt und mit Spiegellack überzogen. Nun steht es ganz harmlos im
Hannoveraner Sprengel-Museum - als Teil der Gruppenschau "Made in Germany"
- und hat einen bösen Titel. "Dem Deutschen Volke". Der Spruch vom Giebel
des Bundestags setzt den Assoziationsflipper in Gang: "Volkswagen" und
deutsche Wertarbeit, Nationalsozialismus und neues Nationalgefühl. Monks
Golf bündelt alle Themen, die "Made in Germany" implizieren könnte. Die
drei wichtigsten Hannoveraner Institutionen - Sprengel Museum,
Kestnergesellschaft und der Kunstverein - haben bei der Ausstellung
kooperiert. Es ist die ultimative Schau zum Kunstboom: Die Neue Leipziger
Schule ist deutsche Wertarbeit, Neo Rauch Vorsprung durch Technik. Dass man
in der Kunst den Standort Deutschland ins Visier nimmt, ist folgerichtig.
Auch wenn man in Hannover auf die neuen deutschen Malerstars verzichtet
hat.
Eine "Leistungsschau" soll die Ausstellung sein, die einen relevanten
"Überblick zu aktuellen Positionen zeitgenössischer Kunst aus Deutschland"
liefert. Mit ähnlichem Anspruch hatte der Leiter des Kestnergesellschaft,
Veit Görner, schon 1999 im Kunstmuseum Wolfsburg die Ausstellung "German
Open" kuratiert. Görner zeigte damals Nachwuchskünstler namens Rauch,
Ackermann oder Meese, die heute hoch gehandelt werden. "Made in Germany"
will das Entdeckerphänomen wiederholen, einige Protagonisten der nächsten
Generation nach vorne bringen. 52 sind auserwählt.
Zwar sind Elmgreen & Dragset, Monk und im Kunstverein etwa noch die
Südafrikanerin Candice Breitz keine wirklichen Newcomer. Eher schon
marktaffine Zugpferde, die auch noch schön die internationale
Zusammensetzung der deutschen Kunstszene illustrieren. Es wäre nämlich
abwegig, hinter dem Titel "Made in Germany" eine Blut-und-Boden-Rhetorik zu
suchen. Die Ausstellungsmacher haben bewusst ausländische Künstler
eingeladen, die ihren "Lebens- und Arbeitsmittelpunkt" längerfristig nach
Deutschland verlegt haben.
Eher illustriert die Schau etwas oberflächlich das handfeste Kalkül
globalisierter Kleinunternehmer: Klar leben Elmgreen, Dragset, Monk, Breitz
und drei Viertel der restlichen "Made in Germany"-Künstler in Berlin:
niedrige Mieten, preiswertes Essen, hippe Galerien. Da freut man sich
richtig, wenn sich zumindest die Newcomer-Riege etwas föderalistischer
aufteilt. Gert und Uwe Tobias (Köln) gigantischer
folkloristisch-angehauchter Holzschnitt ist unbedingt sehenswert, genauso
wie Christoph Giradets (tatsächlich: Hannover!) Video "Pianoforte".
Spielfilmsequenzen mit Klavierspielern sind zu einem kleinen Musikstück
montiert. Eine tolle Dosis Pathos.
Eher kühl dekonstruierend ist eine Arbeit des schon gut etablierten Florian
Slotawa (mal wieder Berlin): Von weitem glaubt man sich vor einem
bombastischen, sechs mal vier Meter großen konstruktivistischen Gemälde,
doch in Wahrheit handelt es sich um eine hölzerne Kulisse. Die farbigen
geometrischen Formen sind Oberflächen von Küchenmobiliar - Tisch, Hocker,
Waschmaschine, Kühlschrank - das in die Konstruktion eingepasst wurde.
Diese sprichwörtliche Hintergründigkeit, das Fordern des zweiten Blicks,
zeichnet viele der Arbeiten bei "Made in Germany" aus. Im Kunstverein lässt
Julius Popp (Leipzig) Worte aus Wassertropfen zu Boden regnen. Das sieht
zwar zunächst verdächtig nach Expo-Hannover-Kunst aus, Popp importiert die
Wörter jedoch per Zufallsprinzip von ständig aktualisierten
Nachrichtenseiten im Internet. Der Buchstabenregen steht für die Flut von
Informationen, die täglich weitestgehend ohne Beachtung versickern.
Ziemlich politisch wirken im Kunstverein auch ein romantisches Ölgemälde
von Armin Boehm (Berlin), das tatsächlich ein Trainingslager von al-Qaida
kurz vor dem amerikanischen Bombardement zeigt, sowie ein Video von Candice
Breitz, in dem Michael-Jackson-Fans Hits ihres Idols nachsingen (taz
berichtete). Die vermeintliche Selbstentblößung ist in Wirklichkeit ein
grandioser emanzipatorischer Rollentausch mit dem Star.
Man sollte keine These zu hoch hängen. Schon gar nicht die, dass eine
hintergründige, konzeptuelle Kunst und der "Standort Deutschland" zwingend
korrelieren. Aber wer abschließend in der Kestnergesellschaft sieht, wie
Alexander Laner den Ausstellungsraum mit Tontauben angegriffen hat oder wie
sich ein Autoreifen von Michael Sailstorfer beharrlich an den
White-Cube-Wänden abreibt, der mag leicht einen wiedergewonnenen Hang zur
gezielten Unbequemlichkeit erkennen. Wenn man aus der pluralistischen, aber
dennoch weitgehend thesenfreien "Made in Germany"-Schau überhaupt eine
Zukunftsprognose ableiten will, dann die, dass der Run der neuen
affirmativen Malerei ins Stocken geraten ist. Mögen die Eitels, Eders und
Weischers dieser Welt weiter ihre Bilder zu Höchstpreisen verkaufen - der
Vorsprung durch Technik ist aufgebraucht. Jetzt melden sich die Künstler im
Rennen zurück, die auch politisch etwas sagen wollen.
Bis 26. August im Sprengel-Museum, in der Kestnergesellschaft und im
Kunstverein Hannover. Katalog 35 Euro
29 Jun 2007
## AUTOREN
Tim Ackermann
## TAGS
Hannover
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