# taz.de -- Energiegipfel: Kampf um die Reaktoren | |
> Die Energiekonzerne werben für ihre alten Meiler. Der Brand im AKW | |
> Krümmel liefert ihren Gegnern gute Argumente. | |
Bild: Viel beworben, wenig geliebt: Das AKW Brunsbüttel. | |
"Deutschlands ungeliebte Klimaschützer: Kernkraftwerk Brunsbüttel". Mit | |
derartigen Werbe-Slogans bereitet die Atomlobby seit Wochen den heute ins | |
Kanzleramt einberufenen Energiegipfel vor. Es ist der dritte Gipfel seiner | |
Art, der entscheidende. Denn bislang verabredeten die Kontrahenten immer | |
Arbeitsgruppen, die Vorlagen auszuarbeiten hatten. Wenn die | |
Gipfeldiplomatie Ergebnisse bringen soll, dann ist heute die letzte | |
Gelegenheit: Es ist der voraussichtlich letzte Gipfel. Die Ergebnisse | |
werden zur langfristigen Planungssicherheit für Versorger und Verbraucher | |
beitragen, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Deshalb werden unsere | |
Szenarien bis zum Jahre 2020 reichen." | |
Heftig wird deshalb auch über "Deutschlands ungeliebte Klimaschützer" | |
debattiert: Die vier großen Atomkonzerne wollen keinesfalls akzeptieren, | |
dass sie ihre Gelddruckmaschinen - die abgeschriebenen AKWs - nach dem | |
rot-grünen Atomkonsens bis 2023 stilllegen müssen. Vattenfall zum Beispiel | |
hat das Bundesumweltministerium letzte Woche verklagt, um so zu erreichen, | |
dass Strommengen des AKW Mülheim-Kärlich auf das AKW Brunsbüttel übertragen | |
werden. | |
Dummerweise passierte nun die Sache mit Brunsbüttel: Bei der | |
Schnellabschaltung am vergangenen Donnerstag war ein Steuerstab nicht | |
richtig eingefahren worden, wie Vattenfall bestätigte. "Ein gravierender | |
technischer Störfall" urteilt der energiepolitische Sprecher der | |
Bündnisgrünen, Hans-Josef Fell. Die Stäbe seien die zentrale Einrichtung | |
zur Steuerung des Reaktors, sie unterbrechen bei einer Schnellabschaltung | |
den Neutronenfluss der Brennstäbe. Und obwohl nach Fells Darstellung der | |
technische Störfall noch nicht endgültig aufgeklärt ist, wurde das AKW am | |
Wochenende wieder angefahren. | |
"Das ist typisch für die Sicherheitsauffassung von Vattenfall", urteilt | |
Fell: "Der Konzern ist selbst zum Sicherheitsrisiko geworden." Die | |
Untersuchung der Vorgänge im schwedischen Reaktor Forsmark, der ebenfalls | |
von Vattenfall betrieben wird, hatte vor Jahresfrist Schlamperei als | |
Ursache benannt. Über die Sicherheitsvorkehrungen im baugleichen AKW | |
Brunsbüttel war fehlerhaft unterrichtet worden. Und dann war am Donnerstag | |
auch noch ein Transformator im Vattenfall-AKW Krümmel abgebrannt - was | |
vergangenen Herbst schon im schwedischen Vattenfall-AKW Ringhals passiert | |
war - aber nicht "zu einer Überprüfung der Gefahr an anderen | |
Vattenfall-Kraftwerken geführt hat", so Fell. Konzernchef Lars G. Josefsson | |
solle, statt die Bundesregierung in Sachen Klimaschutz zu beraten, "lieber | |
erst einmal seine desolates Sicherheitsmanagement auf den Stand der Zeit | |
und Technik bringen". Dass Vattenfall trotz des Problems mit dem Steuerstab | |
die Genehmigung zum Weiterbetrieb von Brunsbüttel vom zuständigem | |
Schleswig-Holsteiner Sozialministerium bekam, sei ein Skandal. | |
Ein Sprecher des Sozialministeriums bestätigte gegenüber der taz: "Die bei | |
der Schnellabschaltung aufgetretene Auffälligkeit bestand in einer um rund | |
eine Sekunde verlängerten Einschießzeit des Steuerstabs." In der Folge des | |
"Ereignisses Reaktorschnellabschaltung und der Abhilfemaßnahmen" sei der | |
Steuerstab in den Reaktorkern eingefahren und dort "sicherheitsgerichtet | |
arretiert" worden. Bedeutet: Im nächsten Fall einer Schnellabschaltung | |
steht der Steuerstab nicht mehr zur Verfügung, andere müssen den Job mit | |
übernehmen. "Im Rahmen der nächsten Revision wird das Problem untersucht", | |
so der Sprecher. Weil die letzte Revision gerade vorbei ist, steht die | |
nächste erst im kommenden Jahr an. Da sollte Brunsbüttel laut Atomkonsens | |
eigentlich abgeschaltete werden. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert | |
das Anfahren von Brunsbüttel als übereilt. "Ob vergleichbare Probleme auch | |
bei anderen Abschaltstäben auftreten können, wurde nicht geprüft", so Gerd | |
Rosenkranz von der DUH. | |
Auch die Untersuchungen zu dem Schwelbrand im Bereich der Turbine, der im | |
Verlauf der Reaktor- und Turbinenschnellabschaltung aufgetreten war, hätten | |
noch kein Ergebnis erbracht. In der deutschen Pannenstatistik lag das AKW | |
Krümmel bei Geesthacht mit 15 "meldepflichtigen Ereignisse" auf Platz 1. | |
Auf Platz 2 folgt das AKW Biblis B in Hessen mit 14 Meldungen, das | |
ebenfalls laut Atomkonsens bald vom Netz soll. Platz 3 belegt Brunsbüttel | |
mit 11 meldepflichtigen Pannen. | |
Gute Karten also für den Bundesumweltminster. Sigmar Gabriel (SPD) hatte | |
stets den rot-grünen Atomausstieg als unantastbar erklärt. Dank der | |
Vorgänge in Krümmel und Brunsbüttel hat er beim heutigen Gipfel wieder | |
bessere Karten. Gabriel sagt: "Je länger ein Kraftwerk läuft, desto höher | |
ist die Störanfälligkeit." Teilen der Union schmeckt diese politische | |
Haltung der Sozialdemokraten überhaupt nicht. Im neuen Grundsatzprogramm | |
plädiert die CDU für längere Laufzeiten "sicherer deutscher | |
Atomkraftwerke". | |
3 Jul 2007 | |
## AUTOREN | |
Nick Reimer | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Energiegipfel: EU-Klimaziele nur mit erneuerbaren Energien | |
Die Umweltverbände rechnen vor, wie sauber, versorgungssicher und preiswert | |
Erneuerbare Energien sind. Würden sie ausgebaut, könnten AKW vom Netz, | |
Kohle würde unrentabel | |
Akw-Brand: Nachlässigkeit in Krümmel? | |
Ein Transformatorbrand kommt nicht von allein: Überwachungsfehler oder zu | |
viel Sparen könnte der Grund für den Störfall im AKW Krümmel gewesen sein. |