# taz.de -- Tour de France: Genug gestanden | |
> Auf Christophe Moreau ruhen die Hoffnungen der Franzosen bei dieser Tour. | |
> Der 37-Jährige musste 1998 Epo-Doping zugeben. Seitdem schweigt er | |
Bild: Moreau: Nach seiner Spritztour 1999 jetzt einer der Stars unter den Radpr… | |
TIGNES taz Man gibt sich sehr patriotisch in der Alpenherberge "Club MVV" | |
in Tignes les Brévières, einem kleinen Bergdorf unterhalb des Stausees von | |
Tignes. Der rustikale Bar-Raum ist mit rot-weiss-blauen Blumenbouquets | |
ausgeschmückt, als wäre der Nationalfeiertag heute und nicht schon seit | |
zwei Tagen vorbei. Vielleicht hat man die Dekoration auch einfach seit | |
Samstag stehen lassen, weil man wusste, das Christophe Moreau heute hier | |
Hof hält. Der französische Meister übernachtet am Ruhetag hier und bevor er | |
eine kleine Trainingsrunde dreht, hat seine Mannschaft AG2R ein Treffen mit | |
der Presse arrangiert. | |
Selbstverständlich erscheint der nationale Champion passend zur | |
Raumausstattung in jenem rot-weiß-blauen Trikot, das ihn im | |
Tour-de-France-Feld als Primus seines Landes auszeichnet. Es markiert ihn | |
sowohl als Landesmeister, als auch als die große französische Hoffnung bei | |
dieser Tour. Der 37-Jährige hat in diesem Frühjahr die Dauphiné Libéré | |
gewonnen und bestätigte bei den ersten Bergetappen, dass er hier mit den | |
Allerbesten mithalten kann. Jetzt wünscht man sich im ganzen Octagon, dass | |
der 1,86 Meter große, blonde Nordfranzose der erste Landsmann seit 1985 | |
ist, der das Gelbe Trikot des Tour-Siegers über Winter in Frankreich halten | |
kann. | |
So wollen die französischen Kollegen gierig alles über Moreaus Verfassung | |
wissen: Wie er sich fühlt, wie viel Kraft er noch hat, wie es um seine | |
Motivation bestellt ist, was seine Strategie ist und wie er seine | |
Konkurrenten einschätzt. Moreau genießt das sichtlich - es ist eine | |
Genugtuung für ihn nach all seinen Jahren im Schatten von Ullrich und | |
Armstrong, als man sich in Frankreich schon über ihn mokierte, weil er | |
immer große Töne spuckte und dann doch wieder nur Vierter bei der Tour | |
wurde. Weniger gerne als auf seine Aussichten im Rennen wird Moreau | |
hingegen auf das Thema Doping angesprochen. | |
Dabei hätte er dazu viel zu sagen. Moreau ist der letzte noch aktive Fahrer | |
jener Mannschaft Festina, der 1998 von der französischen Polizei | |
systematisches Doping bewiesen wurde und die seither zum Symbol für die Ära | |
des durchgängigen Missbrauchs von Epo im Radsport gilt. Moreau war damals | |
der erste Festina-Fahrer, der gestand. Er wurde vier Monate gesperrt und | |
saß schon im nächsten Sommer bei der Tour wieder im Sattel. | |
Nun könnte man meinen, Moreau wäre zornig auf die T-Mobile Fahrer, die erst | |
jetzt zugegeben haben, 1998 genauso systematisch mit Epo hantiert zu haben | |
wie ihre französischen Konkurrenten. Das ist der Mann mit der bubenhaften | |
Tintin-Frisur und dem Ziegenbart auch bis zu einem gewissen Grad: "Zehn | |
Jahre lang wurde es so hingestellt, als wären wir die einzigen gewesen. | |
Jetzt weiß man, dass das nicht so war." Andererseits war Moreau jedoch | |
nicht begeistert vom späten Outing seiner damaligen Gegner Aldag, Zabel, | |
Henn und Riis. "Sie haben damit dem Image des Radsports geschadet." Als | |
notwendigen Schritt in Richtung einer Reform des Radsports vermag Moreau | |
die Eingeständnisse nicht einzuordnen. | |
Der französische Meister möchte die Vergangenheit lieber ruhen lassen. | |
Unter Druck der Polizei und der französischen Öffentlichkeit hat er vor | |
neun Jahren gesagt, was zu sagen war. Damit ist für ihn das Thema erledigt, | |
er möchte lieber nicht mehr über Doping reden. Das Problem ist für den | |
nicht sonderlich komplex strukturierten Mann nicht, dass immer noch gedopt | |
wird im Radsport. Das Problem ist, dass zu viel darüber geredet wird. In | |
der Zelle des Untersuchungsrichters zu gestehen, wie er damals, das ist | |
eine Sache. Dass jemand freiwillig vor Kameras tritt, das versteht jemand | |
seiner Fahrergeneration nicht. | |
Dabei müsste es ihn eigentlich stark beschäftigen, dass die Dopingkultur im | |
Radsport immer noch nicht ausgerottet ist. Nach der Festina-Affäre wurde in | |
Frankreich ein striktes Anti-Doping Programm eingerichtet, der so genannte | |
Suivi Longitudinal. Die französischen Fahrer stehen seither unter enger | |
Überwachung, enger als alle anderen, bis im vergangenen Jahr T-Mobile und | |
CSC ihre eigenen Selbstkontrollprogramme einführten. Viele machten dieses | |
französische Programm dafür verantwortlich, dass die Franzosen, inklusive | |
Moreau, bei der Tour seither hinterherfahren. | |
Die Tatsache, dass Moreau jetzt, nachdem Armstrong und Ullrich weg sind und | |
auch die anderen Mannschaften stärker kontrollieren, wieder Chancen hat, | |
würde für diese These sprechen. Aber auch darüber möchte Moreau lieber | |
nicht nachdenken. "Ich habe ein viel größeres Selbstvertrauen, als in den | |
vergangenen Jahren", benennt er den Grund für den späten Aufwind in seiner | |
Karriere. Das Selbstvertrauen könnte freilich auch aus dem Wissen heraus | |
kommen, dass im Feld die vielleicht größte Chancengleichheit aller Zeiten | |
herrscht. Oder jedenfalls seit jenen Zeiten, in denen alle gedopt waren. | |
Damals war Moreau noch ein junger Fahrer in der zweiten Reihe. Jetzt ist | |
jedoch seine Zeit gekommen. Die Franzosen freuts und sie fragen lieber | |
nicht so genau nach, wie Moreau heute denn wirklich zum Doping steht. Sie | |
würden auch keine klare Antwort bekommen. Moreau hat einmal über Doping | |
gesprochen, 1998, vor einem Untersuchungsrichter. Das muss reichen. | |
18 Jul 2007 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Moll | |
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