Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kreaturen, die die Welt nicht braucht: Der verkannte Tausendsassa
> Die Biodiversität hat es wieder auf die Agenda der Politik geschafft.
> Aber muss wirklich jede Art überleben? Ach was, meint die taz. Aber wie
> steht es mit der Blaualge?
Bild: Doch nicht so schlimm wie gedacht: Blaualgen auf Hamburgs Außenalster
BERLIN taz Achtung! Dieser Text ist nur aus Versehen in diese Serie
gerutscht. Eigentlich gehört er in die Reihe "Lebewesen, die die Welt
scheinbar nicht braucht, die uns aber bei der Recherche ganz schön ans Herz
gewachsen sind". Denn es geht um die überaus nützliche und zugleich
wundervoll schillernde, völlig verkannte Blaualge.
Den meisten dürfte sie nur aus den Badegewässer-Tests bekannt sein. Diese
tauchen in jedem Sommer unweigerlich auf, wenn sich die Kleinstlebewesen
explosionsartig vermehren und Seen und Teiche wie schmackhafte
überdimensionale Nudelsuppen aussehen lassen. Das größte ökologische
Problem dabei ist, dass die Reste nach der Algenblüte auf den Boden
absinken, wo ihr Abbau Sauerstoff verbraucht, der dem Gewässer dann fehlt.
Nur: Der Hauptgrund für das Wachstum sind neben dem hellen Sonnenlicht
Düngemittel aus der modernen Landwirtschaft. Und die haben sich bestimmt
nicht die Blaualgen ausgedacht.
Warum dann aber diese Abneigung vor allem der Städter, sobald die ersten
Fäden im Wasser auftauchen? Bloß weil es unter den vielen unterschiedlichen
Arten auch einige gibt, die Allergene produzieren? Wegen der paar Quaddeln
und doch eher seltenen Leber- oder Organschäden, die auftreten, wenn die
Gifte über die Nahrungskette in den menschlichen Körper gelangen?
Und mehr Böses lässt sich beim besten Willen nicht über die Blaualge sagen,
die genau genommen ein Cyanobakterium ist. Denn im Gegensatz zu normalen
Algen hat sie keinen Zellkern. Sie betreibt aber Photosynthese, produziert
also Sauerstoff. Dabei nutzt sie nicht nur Chlorophyll wie grüne Pflanzen,
sondern auch diverse Pigmente, weswegen die verschiedenen Cyanobakterien
bläulich, rot, aber auch grün oder sogar schwarz gefärbt sind. Dadurch
können sie Licht sehr effizient verwerten -und auch ausgesprochen düstere
Orte wie tiefe Schichten in Seen oder die Unterseite von Flussgeröll
besiedeln und hübsch bunt aussehen lassen.
Einige dieser Pigmente sind aber vor allem wegen ihrer kosmetischen oder
pharmazeutischen Wirkung interessant. Beta-Carotin zum Beispiel ist ein
wichtiges Hautschutz-Vitamin und hat eine antioxidative Wirkung, so dass es
auch zur Krebsprävention eingesetzt wird. Die Blaualge Spirulina enthält
zwanzigmal so viel Beta-Carotin wie Karotten. Und der blaue
Pigmentfarbstoff Phycocyanin ist ein echter Entgifter und Radikalenfänger,
der Leber und Nieren unterstützt. Darüber hinaus bilden Cyanobakterien auch
noch das Enzym Photolyase, das DNA reparieren und so Hautschäden
ausgleichen kann - das Pharmaunternehmen Stada wirbt sogar damit, seine
Sonnencreme "Ladival" damit ausgestattet zu haben.
Aber nicht nur die Arzneimittel-, Health-food- und Kosmetikindustrie nutzt
Cyanobakterien. Auch die wissenschaftliche UN-Sonderorganisation Unesco
betreibt Forschungsprogramme. Denn last but not least gelten manche
Blaualgenarten als wichtige Nahrungsressource. In vielen tropischen
Regionen werden sie seit Jahrhunderten als Proteinquelle ausgebeutet. Und
als Biomasse sind sie doppelt nützlich: Das Wachstum von einem Kilogramm
Spirulina-Biomasse verbraucht 1,5 Kilogramm Kohlendioxid und produziert ein
Kilogramm Sauerstoff.
Sorgen um den Fortbestand der Blaualge muss sich aber nicht nur deshalb
niemand machen. Immerhin gibt es Cyanobakterien bereits seit 3,5 Milliarden
Jahren. Da werden sie auch durch egozentrische Abwehrreflexe einiger
Badefanatiker und Aquarienbesitzer nicht totzukriegen sein.
20 Aug 2007
## AUTOREN
Beate Willms
## ARTIKEL ZUM THEMA
Mode: Jean-Paul und das Tutu
Sein Entwurf für Madonnas spitzbrüstiges Korsett brachte den französischen
Modemacher Gaultier zu großem Ruhm. Die wahre Show begann aber bereits fünf
Jahre früher.
Kreaturen, die die Welt nicht braucht: Der breitmaulige Vielfraß
Rosen, Erdbeeren, Rhododendron? Egal, der Breitmaulrüsselkäfer frisst alles
kaputt. Er legt 1000 Eier während seiner Lebensspanne von hundert Tagen.
Das sind etwa hundert Tage zu viel.
Kreaturen, die die Welt nicht braucht: Der haarige Giftpfeilköcher
Die Artenvielfalt ist dabei, es auf die Agenda der internationaler Politik
zu schaffen. Aber muss wirklich jede Art überleben? Etwa die Raupen des
Eichenprozessionsspinners? "Nein!", sagt die taz.
Kreaturen, die die Welt nicht braucht: Der juckende Kopfbesetzer
Die Artenvielfalt ist dabei, es auf die Agenda der internationaler Politik
zu schaffen. Aber muss wirklich jede Art überleben? Etwa die Kopflaus?
"Nein!", sagt die taz.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.