# taz.de -- Tag des Denkmals: Berlins geliebte Bausünden | |
> Der diesjährige "Tag des offenen Denkmals" widmet sich der Berliner | |
> Nachkriegsmoderne in Ost und West. Die Epoche ist bis dato vom Abriss | |
> bedroht. Das soll sich ändern. | |
Bild: Das vom US-amerikanischen Architekten Hugh Stubbin entworfene Gebäude wi… | |
Ausgerechnet Ingeborg Junge-Reyer, möchte man ausrufen. Ausgerechnet die | |
Senatorin für Stadtentwicklung, deren Verwaltung zahlreiche Zerstörungen | |
und Abrissbegehren von Architekturen der Nachkriegsmoderne auf dem Gewissen | |
hat, hebt seit Donnerstag diese Zeit der Berliner Baugeschichte auf den | |
Schild. Kaum zu glauben. Zur Vorstellung des Programms für den "Tag des | |
offenen Denkmals" am 8. und 9. September, der diesmal die Bauten der | |
Nachkriegszeit zum Thema hat, jedenfalls spielte Junge-Reyer den Part der | |
Beschützerin. Es sei gut, dass mit einem derartigen Event die Epochen des | |
Wiederaufbaus aus den 50er-, 60er- und 70er-Jahren von beiden Teilen der | |
Stadt "in den Mittelpunkt" gerückt werden. Gerade ihnen verdanke "Berlin | |
sein besonderes städtebauliches Profil". | |
Es wäre noch besser, wenn die SPD-Senatorin nicht nur am Denkmalstag und | |
aus Anlass des 50. Jubiläums des Hansa-Viertels sich schützend vor die | |
Nachkriegsmoderne stellen würde, sondern dauerhaft und glaubwürdig. Hat | |
doch ihre Verwaltung nicht nur dieses Erbe schwer beschädigt und bedroht - | |
siehe den den Abriss des "Ahornblatts" oder der lange Kampf um das | |
Studentendorf Schlachtensee. Sie stellt bis dato Bauten dieser Art auf den | |
Index. Für das "Schimmelpfenghaus" an der Gedächtniskirche liegt eine | |
Abrissgenehmigung vor. Gekillt werden soll auch die Deutschlandhalle. Dem | |
Bikini-Haus und dem Zoo-Palast drohen Veränderungen durch Umbauten. | |
Wie stilprägend und bedeutsam das Berliner "Erbe der Nachkriegszeit" ist | |
und in welcher Fülle und Qualität diese Architektur existiert, machte dann | |
Junge-Reyer selbst deutlich. Das Hansa-Viertel, das Le Corbusier-Haus oder | |
die Staatsbibliothek im Westteil sowie das Staatsratsgebäude, die | |
Architektur und der Fernsehturm am Alexanderplatz, die Laubenganghäuser an | |
der Karl-Marx-Allee oder die Kunsthochschule Weißensee in Ostberlin - all | |
das seien außergewöhnliche und "überaus bewahrenswerte" Denkmale. Diese und | |
rund 350 weitere Angebote umfasst darum das Programm des Denkmaltages. | |
Von internationalen Architekturstars wie Walter Gropius, Alvar Aalto oder | |
Oscar Niemeyer entworfen, verkörperten diese Formen des Bauens "ein neues | |
Lebensgefühl. Sie waren Ausdruck für die gesellschaftlichen Veränderungen | |
in der Stadt" nach den Jahren der NS-Diktatur, so die Senatorin weiter. Mit | |
offenen Grundrissen, Gemeinschaftsflächen und fließenden Grenzen zur Natur | |
sollten die Neubauten zudem im Westteil auch ein Gegenentwurf zu den | |
konservativen Bauvorhaben von Hermann Henselmann an der Stalinallee im | |
Osteil der Stadt bilden. | |
Dass dieses Wissen bis heute nicht ausreicht, die denkmalwerten Bauten der | |
Nachkriegszeit zu sichern, beklagte Jörg Haspel, Berlins Landeskonservator. | |
Weil noch bis in die jüngste Vergangenheit - gemeint ist die Ära des | |
früheren Senatsbaudirektors Hans Stimmann - die Bauten als "Bausünden" oder | |
"seelenlose Architektur" verteufelt wurden, "sind die Zeugnisse der | |
Nachkriegszeit gefährdet". Dieser "Tag des offenen Denkmals" sei darum | |
besonders wichtig, die Dokumente der Berliner Architekturgeschichte ins | |
Bewusstsein zu heben und ihnen endlich - wie der sanierten Kongresshalle - | |
Wertschätzung zukommen zu lasssen. | |
30 Aug 2007 | |
## AUTOREN | |
Rolf Lautenschläger | |
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