# taz.de -- Antje Vollmer: "Den Mythos RAF knacken" | |
> Am 5. September 1977 begann der Deutsche Herbst. Aus dem RAF-Konflikt | |
> könnten Lehren gezogen werden, doch Rachsucht sei stärker, so die Grüne | |
> Vollmer. | |
Bild: Tatort nach der Schleyer-Entführung am 5. September 1977 in Köln | |
taz: Frau Vollmer, vor zwanzig Jahren haben Sie als eine der grünen | |
Fraktionssprecherinnen eine Initiative zum Dialog mit inhaftierten | |
RAF-Mitgliedern gestartet. Warum? | |
Antje Vollmer: Wir wollten eine politische Lösung. Wir wollten den "Mythos | |
RAF" knacken und die Individuen hinter dem Kollektiv zum Vorschein bringen. | |
Mit welchen RAF-Leuten sind Sie ins Gespräch gekommen? | |
Zunächst ging es nicht um Einzelgespräche. Eine Gruppe von Gefangenen | |
sollte mit einer Gruppe von unabhängigen Persönlichkeiten diskutieren. Das | |
Justizministerium war zu einer gewissen Zusammenlegung zu diesem Zweck | |
bereit, aber nicht mit allen Inhaftierten bundesweit. Die Gefangenen haben | |
dann gesagt: alle oder keiner. | |
Warum? | |
Sie wollten die Kontrolle behalten und verhindern, dass Einzelne aus der | |
Reihe tanzen. Die Unterstellung war, dass wir ihre Identität brechen | |
wollten. | |
Dann hat es trotzdem Kontakte gegeben? | |
Es hat sich herausgestellt, dass die Kollektivmaschine RAF so eben gar | |
nicht existiert. Sondern dass Einzelne sehr wohl nachgedacht haben. | |
Also gab es Gespräche? | |
Viele und über Jahre hinweg. Hans Magnus Enzensberger hat Gespräche mit | |
einem Gefangenensprecher geführt. Ich selbst bin wiederholt bei Klaus | |
Jünschke gewesen, bei Angelika Speitel und Manfred Grashof. | |
Sie wurden damals scharf angegriffen, auch von Grünen. Otto Schily sagte, | |
Sie wollten die RAF politisch legitimieren. | |
Bei dem früheren RAF-Anwalt Schily hatte das sicher auch mit persönlichen | |
Verletzungen und der Ambition zu tun, die Grünen absolut sauber von diesem | |
Bereich zu trennen. Auf der anderen Seite wollte Ströbele eine generelle | |
Amnestie. Keiner war mit unserer Initiative zufrieden, und das sehe ich | |
rückblickend als Geheimnis ihrer erstaunlich irritierenden Wirksamkeit. | |
Waren Sie naiv? | |
In bestimmter Hinsicht. Wir kannten keinen der Gefangenen persönlich. Das | |
war ein Vorteil. Wir konnten mit einer gewissen Unerschrockenheit | |
herangehen. Im Nachhinein sieht man übrigens, dass unsere Initiative genau | |
im richtigen Moment kam. | |
Warum? | |
Die Hälfte der RAF-Gruppe hatte sich gerade in die DDR abgesetzt, was wir | |
damals nicht wissen konnten. Der Dialog, den wir wollten, wäre auf der Höhe | |
der Zeit gewesen. Aber selbst wenn dieser Dialog nicht das politische | |
Gesamtkunstwerk wurde, das uns vorschwebte, so war es alles in allem doch | |
ein Erfolg - ein Beweis für intelligentes staatliches Handeln und für eine | |
Intervention aus der Zivilgesellschaft. Ohne diesen Dialog wäre manches | |
entgleist. | |
Wenn Sie die Debatte von 1987 mit der RAF-Diskussion 2007 vergleichen: Hat | |
sich Grundsätzliches verändert, oder sind die Fronten immer noch die | |
gleichen? | |
Mich entsetzt, dass es jetzt, nachdem die Tragödie vorbei ist - nach der | |
Zeit der Morde und nach der Periode der Mythenbildung -, nun eine dritte | |
Phase gibt, in der nur noch brutal vermarktet wird. Von Bild bis zum | |
Spiegel haben Medien das Thema so hoch gekocht, als handele es sich um die | |
wichtigste Frage der Republik - wichtiger als der Irak oder Darfur. | |
Warum hat das Thema so eingeschlagen? | |
Neben nackten Geschäftsinteressen, wegen geplanter Artikelserien und Filme, | |
handelt es sich auch um ein Nachsiegen über Achtundsechzig, wo die RAF dann | |
einfach dazugerechnet wird. Ich habe immer Verständnis dafür gehabt, dass | |
Jüngere gesagt haben: Die Achtundsechziger sollen uns endlich aus der Sonne | |
gehen! Aber bei den konservativen Zeitgenossen von damals geht es um mehr. | |
Sie hatten sich gegenüber der Linken damals so in der Defensive gefühlt, | |
dass sie immer noch fordern: Die sollen nun endlich mal im Staube ihre | |
Sünden bekennen. Sie sollen in der RAF-Debatte die Reue zeigen, die sie | |
umgekehrt von der NS-Tätergeneration erwartet haben! | |
Also ist das letztlich eine Vergangenheitsdebatte? | |
Nicht nur. Unserem Rechtsstaatsverständnis hat die Debatte sehr geschadet. | |
Da gibt es zum Beispiel das grundsätzliche Recht jedes Angeklagten, sich | |
nicht selbst zu belasten. Wenn einer, auch wegen mangelnder Kooperation, | |
eine besonders lange Haftzeit hinter sich hat und dieser an deren Ende | |
wieder zu einer Aussage genötigt werden soll, dann verstößt das gegen | |
dieses Prinzip. Zweitens beruht der Rechtsstaat auf der Erkenntnis, dass es | |
zwischen Täter und Opfer kein gerechtes Urteil gibt. Wenn die Opfer über | |
das Strafmaß zu entscheiden hätten, kämen wir in letzter Konsequenz wieder | |
bei der Blutrache an. Der Rechtsstaat ist die dritte Instanz, die diese | |
Unmöglichkeit akzeptiert und nur einen annähernden Friedenszustand | |
anstrebt. | |
Und drittens? | |
Darf man Urteile nicht plebiszitär fällen, das wäre Barbarei. Wenn Bild das | |
Volk fragt, wie lange Christian Klar büßen soll, dann ist das absurd. Schon | |
Pontius Pilatus hat in einem plebiszitär geführten Prozess nur ein | |
"Kreuziget ihn" hinbekommen, obwohl er selber von der Unschuld Jesu | |
überzeugt war. Da ist in den westlichen Gesellschaften populistisch etwas | |
ins Rutschen gekommen. Das hat man auch in der Folterdebatte gesehen. | |
Finden Sie die Entscheidung von Horst Köhler, Christian Klar nicht zu | |
begnadigen, falsch? | |
Ich finde die Entscheidung falsch. | |
Weil er sich von den Medien unter Druck setzen ließ? | |
Er hat jedenfalls den Anschein gegeben, weil er die Debatte so lange laufen | |
ließ. Er wusste, welche Jubiläen in diesem Jahr anstehen. Kluge Vorsorge | |
hätte bedeutet, früher und eigenständig zu entscheiden. | |
Immerhin hat er es sich nicht leicht gemacht und Christian Klar sogar | |
persönlich besucht. | |
Das ist es gerade. Er hätte diesen Besuch nur machen dürfen, wenn er schon | |
zur Begnadigung entschlossen war und den Opfern signalisieren wollte: Die | |
letzte Verantwortung dafür übernehme ich persönlich. Aber hinzugehen, nach | |
einem Gespräch von anderthalb Stunden ein anderes Urteil zu fällen als alle | |
professionellen Gutachter - das ist geradezu eine moralische Vernichtung. | |
Der Bundespräsident ist nicht der Beichtvater, und er ist auch nicht der | |
Richter. | |
Schon Johannes Rau hat die Entscheidung über das Gnadengesuch verschleppt. | |
Hat Horst Köhler nur ein Versäumnis seines Vorgängers geerbt? | |
Mag sein. Aber jeder hat eine eigene Verantwortung für das, was er selbst | |
getan oder nicht getan hat. Auch Rau war offenbar der Meinung, er könnte | |
für seine Entscheidung persönlich verhaftet werden. Konservative Politiker | |
stehen dem Gnadenerweis offenbar näher. | |
Wie Richard von Weizsäcker und Bernhard Vogel, die RAF-Gefangene | |
begnadigten. | |
Die könnte man noch als liberale Konservative ansehen. Aber ich weiß, dass | |
selbst Franz Josef Strauß sehr ernsthaft über Begnadigungen nachgedacht | |
hat. Auch Helmut Kohl oder Roman Herzog hatten damit viel weniger Probleme. | |
Vielleicht auch deshalb, weil sie als Konservative nicht so leicht | |
angreifbar waren. | |
Für Christian Klar ging es nur noch um ein oder zwei Jahre. Warum war das | |
so wichtig? | |
Ich stelle die Frage umgekehrt: Warum hat man eine solche Debatte | |
angezettelt und diesen rechtspolitischen Flurschaden angerichtet - obwohl | |
es doch nur um ein oder zwei Jahre ging? | |
Auch Birgit Hogefeld sitzt noch im Gefängnis. Plädieren Sie auch für ihre | |
Freilassung? | |
Ja. Mit dem Ziel, endlich damit auch in der Summe Lehren aus dieser | |
Geschichte einer politischen Auseinandersetzung zu ziehen, die am Ende | |
positiv verlaufen ist. Wir können froh sein, dass wir aus dem | |
RAF-Terrorismus herausgekommen sind, der auch hätte eskalieren können. | |
Einer Gesellschaft, die das verinnerlicht hätte, entspräche souveräne | |
Großzügigkeit. In einem Staat zu leben, der zu solcher Souveränität in der | |
Lage ist, müsste alle Beteiligten befreien. | |
Die Linke hat früher oft über die Haftbedingungen der RAF gesprochen. | |
Niemand hat an die Opfer gedacht. War das der blinde Fleck der Debatte? | |
Schon Ulrike Meinhof hatte die Haftbedingungen der RAF ausschließlich als | |
Opferrolle interpretiert, so dass die realen Opfer gar nicht gesehen | |
wurden. Das hatte Auswirkungen auf die ganze linke Szene. Dieser fatale | |
Wettbewerb um die Opferrolle zieht sich durch die ganze deutsche | |
Nachkriegsgeschichte. Die Angehörigen der Opfer haben sich aber auch von | |
den Politikern und der öffentlichen Meinung verlassen gefühlt, die ihnen | |
Mitgefühl verweigerten und oft ausgewichen sind. | |
Warum? | |
Vermutlich aus schlechtem Gewissen. Die Politiker fühlten sich schuldig, | |
weil sie bei der Entführung von Hanns Martin Schleyer 1977 auf die | |
Forderungen der Entführer nicht mehr eingegangen sind. Zwei Jahre zuvor | |
hatten sie es bei dem Berliner CDU-Politiker Peter Lorenz noch getan. | |
Michael Buback, der Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts, will wissen, | |
wie es wirklich gewesen ist. Wie hoch veranschlagen Sie dieses Interesse? | |
Sehr hoch. Aber ich glaube nicht, dass die Kenntnis über den Tatverlauf den | |
Angehörigen der Opfer den inneren Frieden gibt. Den gibt es nur, wenn man | |
sich in einer Gesellschaft aufgehoben fühlt, die mittrauert. Dieser Schaden | |
ist schon eingetreten. Ein solches Trauma kann man nicht heilen mit der | |
Frage, ob Christian Klar noch ein Jahr länger im Gefängnis sitzen muss. Das | |
ist eine Placebo-Debatte. | |
Haben die Konservativen mit dem Ausnutzen der Opferrolle und dem Ruf nach | |
historischer Wahrheit einfach nur linke Argumente aufgenommen? | |
Das gehört eben zu diesem destruktiven Wettstreit: Man kann die größten | |
Debattenerfolge mit dem moralischen Bonus der Opferrolle erringen. Wir | |
kennen dasselbe aus der Vertriebenendebatte. Aber wenn man einen Konflikt | |
beendet hat, ist nichts dümmer, als ihn ritualmäßig immer wieder mit | |
verteilten Rollen durchzuspielen. Das Trauma bleibt, der Freiheitsgewinn | |
wird verspielt. | |
Die Initiative der Schleyer-Witwe gegen eine Begnadigung Klars hatte für | |
Sie kein Gewicht? | |
Von den Angehörigen selbst ging niemals diese Forderung aus, die sind immer | |
von den Medien angespitzt worden. Was soll etwa die Witwe von Schleyer auf | |
die Frage sagen, ob sie die Strafe für Klar ausreichend findet? Das ist | |
doch eine illegitime und amoralische Frage! Wie soll sie den Tod ihres | |
Mannes in Haftjahren bewerten? | |
Frühere Jahrestage der RAF-Anschläge verstrichen weitaus leiser. Warum | |
kommt die Debatte ausgerechnet jetzt? | |
Weil man nichts mehr befürchten muss. So leichtfertig hätte man die | |
Debatten in den Achtzigerjahren nicht geführt. Das ist nur noch just for | |
show. Und dann gibt es eine reale Angst vor dem islamistischen Terrorismus | |
der Gegenwart, über dessen Ursache man lieber nicht redet. Da dokumentiert | |
man das Prinzip der kostenlosen Tapferkeit lieber beim RAF-Terror, den man | |
nicht mehr fürchten muss. | |
Kann man aus der RAF-Geschichte etwas lernen für die Auseinandersetzung mit | |
dem heutigen Terrorismus? | |
Über diese Frage hatte ich schon 2001 einen interessanten Briefwechsel mit | |
Horst Herold, dem Expräsidenten des Bundeskriminalamts. Mir wird immer | |
gesagt: Du spinnst, wenn du unseren kleinen Terrorismus von damals mit dem | |
weltweiten von heute vergleichst. Aber auch Herold sah da Vergleichbares. | |
Was ist ähnlich? | |
Die Söhne nobler Familien, hochintelligent und gut ausgebildet, reagieren | |
auf die Bigotterie ihrer jeweiligen Führungsschicht. Auf ganz ähnliche | |
Weise wie die RAF reklamieren sie die heiligste Mission für sich und | |
kreieren auf diese Weise ihren Mythos. Deshalb kommt es vor allem darauf | |
an, den Mythos zu demontieren, der die Sympathisanten mobilisiert. Diese | |
Auseinandersetzung kann aber wirksam nur aus der eigenen Gesellschaft | |
kommen, von den eigenen Intellektuellen, von den Frauen etc. Einfach nur | |
den Außendruck und dazu rein militärisch zu erhöhen, macht eine | |
innergesellschaftliche Auseinandersetzung unmöglich. Das ist ziemlich | |
unintelligent. | |
Wer wäre Ihr Dialogpartner in der Islamismusdebatte? Wollen Sie mit den | |
beiden Kofferbombern aus dem Regionalzug nach Koblenz reden? | |
Unser Anteil wäre gewesen, aus diesen Menschen nicht gleich eine hochaktive | |
Al-Qaida-Zelle zu machen, sondern sie einigermaßen nüchtern einzuschätzen | |
und Hysterien nicht zu füttern. Für einen Dialog wäre das Minimum, dass man | |
sich mit den unterschiedlichen Strömungen in den islamischen Gesellschaften | |
auskennt. So wie die Besucher damals wenigstens linke Ideologie und linke | |
Träume verstehen mussten, um mit den RAF-Terroristen reden zu können. | |
Sind Innenminister wie Schily und Schäuble in ihrer Reaktion auf den neuen | |
Terror stark von der RAF-Erfahrung geprägt? | |
Schily ganz sicher, Schäuble in gewisser Weise auch. | |
Aber sie haben die falsche Konsequenz gezogen? | |
Alle beide, fatalerweise. | |
Weil sie nur auf Repression setzen? | |
Und zwar ausschließlich. Im Zweifel ist es immer der Dialog, der die | |
entscheidenden Türen öffnet. Das heißt nicht, dass es nicht einen gewissen | |
Verfolgungsdruck geben muss. Sonst hat auch der Dialog keinen Rückhalt. In | |
Italien ist man aus dem Terrorismus herausgekommen, weil es Initiativen zum | |
Dialog aus der Kirche und sogar von Seiten der Angehörigen von Opfern gab. | |
Das gab es in Nordirland oder dem Baskenland nicht. Deshalb hat sich der | |
Terror dort fast verewigt. | |
Damit setzen Sie ein bestimmtes Bild von Terroristen voraus: Das sind | |
Leute, deren Motiv sich von gewöhnlichen Kriminellen unterscheidet. | |
Zumindest bei der ersten Generation, die den Mythos kreiert und deshalb so | |
gefährlich ist. Das sind hochmotivierte Ideologen, auf die man im Sinne | |
einer politischen Lösung noch intellektuell einwirken kann. Die zweite | |
Generation ist schon sehr viel schwerer zu erreichen, und bei der dritten | |
Generation handelt es sich oft nur noch um anonyme Kriminellenbanden - wie | |
in Kolumbien. Deshalb ist es so wichtig, rechtzeitig einzugreifen. | |
Die Terroristen sind nicht die Einzigen, die in Deutschland länger als | |
zwanzig Jahre einsitzen. Warum redet die linksliberale Öffentlichkeit immer | |
nur über die RAF - und nicht über die allgemeine Tendenz zu immer längeren | |
Haftstrafen? | |
Ich ignoriere das nicht, und es gehört zur liberalen Rechtsstaatstradition, | |
die Idee der ewigen Haft ganz generell aufzuheben. Aber im Vergleich zu | |
NS-Tätern oder Angehörigen des SED-Regimes kann man nun wirklich nicht | |
sagen, die RAF-Leute seien haftmäßig mit Samthandschuhen behandelt worden. | |
Das gilt aber nicht unbedingt im Vergleich zu gewöhnlichen Serienmördern. | |
Der Unterschied ist: Der Staat hatte ein besonderes Interesse, den | |
Terrorismus auch durch Begnadigungen zu beenden. Einfach weil er eine | |
besondere gesamtgesellschaftliche Gefahr bedeutet hat. Nicht nur wegen der | |
Morde selbst, sondern auch wegen der Militarisierung der ganzen | |
Öffentlichkeit. | |
Bei einer Terrorgruppe, die sich längst aufgelöst hat, gibt es dieses Motiv | |
nicht mehr. | |
Da ist das Motiv nicht mehr so groß, das sehe ich nüchtern. Trotzdem muss | |
man eine Debatte nicht so aus dem Ruder laufen lassen, wie es in diesem | |
Frühjahr geschehen ist. | |
Anders als bei der RAF geht die Gesellschaft mit der heutigen Terrorgefahr | |
relativ nüchtern um. Warum? | |
Es gab ein intuitives Sicherheitsgefühl wegen des deutschen Neins zum | |
Irakkrieg: Wir sind nicht als Erste bedroht, weil uns Rot-Grün damals | |
herausgehalten hat. Die neue Regierung ist gerade dabei, dies zu | |
verspielen. Und es gibt Stellvertreterdebatten, zum Beispiel über die | |
Moscheen. Auch die RAF-Diskussion vom Frühjahr war eine Ersatzdebatte. | |
Der Anschlag auf der tunesischen Insel Djerba, wo 14 Deutsche starben, | |
wurde hierzulande hingenommen wie ein Busunfall. Von Hysterie keine Spur. | |
Dafür gibt es auch keinen Grund. Ich hatte neulich eine Diskussion mit | |
einem arabischen Journalisten, der sagte: Wovor fürchten sich die | |
westlichen Gesellschaften eigentlich? Trotz aller Bomben wird der | |
Islamismus niemals in der Lage sein, euch zu überrennen oder zu erobern. | |
Wir, die arabischen Gesellschaften, aber zahlen auf Jahrzehnte mit der | |
Schwächung der Reformkräfte durch zu viel Außendruck und der | |
Generalverhaftung für diese angeblichen Verbrechen des Islam. | |
Was heißt das für die Lehren aus der RAF? | |
Bei der politischen Lösung des Themas RAF können wir sagen: Das ist | |
erfolgreich gelaufen. Wir könnten an dem Beispiel ins Freie diskutieren, im | |
Sinne einer richtig guten Lehre. Dafür hätten wir allerdings eine | |
Öffentlichkeit und Politiker gebraucht, die einen alten Konflikt auch | |
einmal als beendet erkennen können. | |
INTERVIEW: RALPH BOLLMANN UND STEFAN REINECKE | |
31 Aug 2007 | |
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Rote Armee Fraktion / RAF | |
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