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# taz.de -- Kolumne: Die zwölfte Frau
> Der "Uli Hoeneß" des Frauenfußballs spricht in Pudong über die
> Vermarktung des Frauenfußballs.
Bild: Die einstige Eisprinzessin Katarina Witt blickt zurück auf die Wendezeit
Wir haben es die ganze Zeit nicht gewusst, aber wir sind die "zwölfte Frau
des deutschen Teams". Gestern hat es uns jemand gesagt, als wir im
Restaurant der "Reichen und Schönen" (Marco-Polo-Reiseführer) M on the Bund
saßen, zu Abend aßen und auf die am Huangpu-Fluss gelegene Skyline von
Pudong schauten, die jemand von einer futuristischen Schülerzeichnung aus
den Siebzigern abgekupfert haben muss. Bisher kannten wir nur den zwölften
Mann. Er hat tausend Gesichter, sitzt in den Stadien von Gelsenkirchen,
Cottbus oder Dortmund und feuert seine Mannschaft an. Siegfried "Siggi"
Dietrich hat uns das mit der zwölften Frau verraten. Bei ihm können Männer
Frauen sein. Wenn es um die Vermarktung des Frauenfußballs geht, darf man
es nicht so genau nehmen.
Dietrich ist der bekannteste Manager im Frauenfußball, sozusagen der Uli
Hoeneß der Szene. Seine "Ladys", wie er sagt, heißen Nia Künzer, Steffi
Jones und natürlich Birgit Prinz. Dietrich ist auch der Manager des 1. FFC
Frankfurt, des FC Bayern der Szene. An ihm kommt keiner vorbei, auch die
deutschen Journalisten nicht, respektive die zwölfte Frau. Um die Nummer
zwölf so richtig in Promotionslaune zu bringen, hat uns Dietrich in jenes
feine Schanghaier Restaurant eingeladen. Das ist eine noble Geste, doch wir
fragen uns: Verdient man an den Ladys wirklich so gut? Lassen die sich
tatsächlich vermarkten, oder ist Siggi Dietrich doch eher ein Mäzen?
Über Zahlen will er nicht sprechen, dafür viel über die "einmalige
Erfolgsgeschichte Frauenfußball". Früher war er im Eiskunstlauf zugange,
mit Rudi Cerne und Katarina Witt, auch mit Boris Becker und Gabriela
Sabatini will Dietrich zu tun gehabt haben, aber Mitte der Neunziger hat er
dann alles auf den Frauenkick gesetzt, was eine sehr mutige Entscheidung
gewesen ist, denn damals war das fast so verwegen, als wolle man Kanupolo
oder Unterwasserrugby groß herausbringen. Im Spiel um die wichtigen
Sportarten wurde Frauenfußball von einer großen Zentrifuge immer wieder an
den Rand geschleudert. Dietrich aber stemmte sich gegen die Fliehkräfte. Es
zahlte sich aus, wenn auch erst nach dem WM-Titel. "Die mich früher
belächelt haben, die lachen heute - mit mir", sagt er.
Heute darf er 16 Journalisten bewirten, die vom Reisebüro des Deutschen
Fußball-Bundes (DFB) zu einem unschlagbar günstigen Preis nach China
expediert wurden und dort mehr oder weniger "embedded journalism"
betreiben. Gern wird mit Siggi über "die Rotti" (Silke Rottenberg), "die
Smisi" (Sandra Smisek) und "KG" (Kerstin Garefrekes) diskutiert. Das ist
gut so, denn im Männerfußball ist es ja auch nicht anders. Im vergangenen
Jahr wurde die Wade von Michael Ballack zum Objekt ausführlichster
Berichterstattung, an diesem Muskel hing das Schicksal der Fußballnation.
Warum also nicht über die aktuelle Muskelverhärtung im Oberschenkel von
Sandra Minnert sprechen und die Auswirkungen auf das deutsche
Defensivverhalten gegen England erörtern?
"Der Frauenfußball hat eine eigene Qualität, aber alles ist eine Frage der
Akzeptanz und der Lobby", sagt Dietrich zur zwölften Frau. Noch gebe es
viel zu tun. Die Vereine in der Bundesliga seien zu unprofessionell, die
Klubs der Männer müssten sich öffnen, so wie Werder Bremen es gerade
versucht. Siggi Dietrich träumt von "Events" und einer Profiliga, von neuen
Künzers und Jones. Auch Theo Zwanziger träumt da ein bisschen mit. Der
DFB-Chef hat recht kurzfristig die Delegationsleitung in China übernommen.
An ihm ist gleichfalls kein Vorbeikommen. Der Präsident lädt im Hotel Hua
Ting zum Kaffeekranz. "Die Sportlerinnen sind alles dufte Typen", sagt Theo
Zwanziger. Die zwölfte Frau lauscht andächtig.
* Aus einem Nichts etwas erzeugen (altchinesisches Kriegsstrategem)
14 Sep 2007
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Schwerpunkt Neues Deutschland
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