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# taz.de -- Leichtathletik: Ein großer Wurf für die Vermarktung
> Das Olympiastadion meldet zum Istaf ausverkauftes Haus. Doch die Stimmung
> unter der Leichtathleten ist mies. Denn einige Funktionäre bezweifeln die
> Attraktivität der Wurfsportarten. Gerade hier aber sind die Deutschen
> erfolgreich
Bild: Dankbar für jeden Wurf: Speerwerferin Christina Obergföll
Sehr geschickt versteht es der Mann am Mikrofon, Modernes und
Traditionelles zu verbinden. Nachdem sich das Publikum im Olympiastadion
brav zum popigen Liedgut "Stand up for the Champions" erhebt, um
Leichtathletiklegenden wie Edwin Moses und Sergej Bubka ihren Respekt zu
erweisen, sagt er: "Sie können gleich stehen bleiben, wir spielen die
deutsche Nationalhymne." Dann ist das Lufwaffenblasorchester der Bundeswehr
an der Reihe. Mit viel Pathos und Pop werden die Leichtathletikwettkämpfe
des Internationalen Stadionfests (Istaf) schon seit Jahren unterlegt. Und
es war klar, dass es zum 70-jährigen Jubiläum des Istaf nicht leiser
zugehen würde. Dafür hatte schon einer der Hauptsponsoren gesorgt, der fast
die Hälfte der Eintrittskarten aufkaufte und selbst vertrieb. Dazu wurden
etwa 800 Busse in ganz Deutschland gechartert. 10.000 Zuschauer werden am
Sonntag im Olympiastadion allein aus Niedersachen willkommen geheißen.
Bereits seit Tagen lanciert der Veranstalter die stolze Meldung, das
Stadion sei mit 70.000 Zuschauern ausverkauft - das wäre der zweitbeste
Besucherandrang in der Istaf-Geschichte. Nur beim ersten Mal - im Jahr 1937
- waren mehr gekommen. Volle Arena also bei allerbestem Wetter. Unbedarfte
könnten zu dem Schluss kommen, dass es um die Leichtathletik in Deutschland
bestens bestellt ist. Doch der Eindruck täuscht - nicht nur, weil ein paar
tausend Plätze im "ausverkauften" Stadion unbesetzt bleiben. Es gibt ganz
grundsätzlichen Ärger hinter den Kulissen. Zwar gewann das deutsche Team
bei der Weltmeisterschaft im japanischen Osaka vor zwei Wochen unerwartet
viele Medaillen. Dennoch ist die Stimmung in der Leichtathletikszene
angespannt. In der öffentlichen Wahrnehmung hat sie über die Jahre gesehen
stetig an Bedeutung verloren. Und nun soll in zwei Jahren bei der WM in
Berlin die Trendwende geschafft werden. Ein Trainer des Berliner
Leichtathletikverbandes (BLV), der namentlich nicht genannt werden möchte,
spricht von zwei Konzepten, die zur Debatte stünden. Er unterscheidet
zwischen den Puristen und den Eventbeseelten. Erstere wollten den Sport
wieder in den Mittelpunkt stellen, die anderen setzten sich vornehmlich für
eine bessere Vermarktungs ein. Aus Sicht des Anonymus gehört der Istaf-Chef
Gerhard Janetzky zur letzteren Gruppe. Gerade dieser Tage verärgerte
Janetzky viele mit der Bemerkung, Hammerwerfen, Diskuswerfen und
Kugelstoßen seien nicht mehr zeitgemäß und den Zuschauern kaum
vermittelbar. Dabei sind das die Königsdisziplinen des deutschen Teams. Bei
der WM hatte die Mannschaft vier ihrer sieben Medaillen in diesen
Wettbewerben erworfen. Für das Showprogramm beim Istaf wollte Janetzky die
Medaillengewinner zwar mit einem Cabriolet durchs Olympiastadion
chauffieren lassen. Doch werfen sollten sie nicht. Der Berliner
Diskuswerfer Robert Harting lehnte ebenso empört ab wie seine Kollegin
Franka Dietzsch. Lediglich die deutschen Silber- und
Bronzemedaillengewinnerinnen im Speerwerfen, Christina Obergföll und Steffi
Nerius, durften im Vorprogramm zwischen den Rennen der Schülerstaffeln ihr
Können zeigen. Obergföll siegte mit einer Weite von 64,58 Meter und sagte
mit fast schon demutsvoller Dankbarkeit: "Ein super Wettbewerb. Wir
Speerwerferinnen standen voll im Mittelpunkt!" Bei der WM 2009 in Berlin
wird man die Werfer nicht ins Vorprogramm abschieben können. Dabei sollte
das Istaf doch eigentlich so etwas wie ein Testlauf für die
Weltmeisterschaft sein. Doch auch in dieser Angelegenheit werden Fehden im
Hintergrund ausgetragen. Es geht wieder um die Vermarktung. Janetzky
erklärte mehrmals, wie enttäuscht er sei, dass die WM-Organisatoren das
diesjährige Istaf nicht als günstige Gelegenheit nutzen würden, um für ihre
Veranstaltung zu werben. Clemens Prokop, Präsident vom Deutschen
Leichtathletikverband konterte, die 150.000 Euro, die Janetzky für ein
Werbebanner verlangt hätte, seien schlicht zuviel. Für die sportlichen
Gewinnerinnen des gestrigen Tages, die russische Stabhochspringerin Jelena
Isinbajewa und die 400-Meter-Läuferin Sanya Richards (USA) wäre diese Summe
hingegen ein Klacks. Sie knackten mit ihren ersten Plätzen den Jackpott der
Golden League-Serie. Mit ihren Erfolgen auf der letzten Station in Berlin
standen sie zum sechsten Mal in Folge ganz oben auf dem Treppchen und
wurden dafür königlich mit jeweils 500.000 Dollar entlohnt.
16 Sep 2007
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Leichtathletik-WM
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