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# taz.de -- Mafia: Kalabrien - Kolumbien - Kokain
> Die kalabrische Mafia hat jahrelang beim Drogenschmuggel mit Kolumbiens
> Paramilitärs zusammengearbeitet. Mehr Kokain in Europa - mehr Morde in
> Kolumbien.
Bild: Paramilitär-Kommandant Salvatore Mancuso.
Auch in Kolumbien, selbst mit einer der höchsten Kriminalitätsraten
weltweit gestraft, schafften es die Ndrangheta-Morde von Duisburg Ende
August in den Nachrichtenteil der Zeitungen. Denn auch in dem
südamerikanischen Land hat sich die kalabrische Mafia in den vergangenen
Jahren festgesetzt. Ermittlungen der italienischen Justiz zufolge ist die
Ndrangheta eng mit den rechten Paramilitärs der Vereinten
Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens (AUC) assoziiert. Die AUC,
ursprünglich von Großgrundbesitzern und Militärs gegründete Milizen,
spielen seit den frühen 1980er-Jahren eine Schlüsselrolle im
kolumbianischen Drogengeschäft. Und genau das ist offensichtlich Grundlage
der Kooperation von Ndrangheta und AUC.
Das Ausmaß dieser Verbindungen wurde der kolumbianischen Öffentlichkeit im
Dezember 2006 bekannt, als 49 Personen, darunter der italienische
Geschäftsmann Giorgio Sale, bei einer internationalen Polizeioperation
verhaftet wurden. Die seit 2003 ermittelnden italienischen Behörden
beschuldigten die Sale-Familie, direkt mit dem AUC-Kommandanten Salvatore
Mancuso zusammenzuarbeiten. So soll die kalabrische Mafia Besitztümer des
italienischstämmigen Mancuso in Spanien verwaltet und in Kooperation mit
den AUC mindestens acht Tonnen Kokain nach Europa geschmuggelt haben.
Bei den Ermittlungen kam auch ans Tageslicht, dass der mutmaßliche Mafioso
Sale beste Beziehungen zum kolumbianischen Establishment pflegte. Einem
führenden Beamten der Justizbehörden konnte nachgewiesen werden, dass er
Giorgio Sale über den Stand anhängiger Verfahren auf dem Laufenden gehalten
hatte.
Die Verbindung zwischen Ndrangheta und kolumbianischen AUC ist allerdings
nicht nur ein Hinweis auf die Transnationalisierung der organisierten
Kriminalität. Brisant ist vor allem die politische Dimension. In Italien
wird schon länger darüber spekuliert, dass der Bedeutungsgewinn der
kalabrischen Mafia in den 1990er-Jahren mit dem rasant wachsenden
Kokainkonsum in Verbindung steht. Offensichtlich eröffneten sich der
Ndrangheta dank der Beziehungen zu den kolumbianischen AUC neue
Produktionsquellen und Transportrouten. Der europäische Konsum der
Partydroge Kokain und die Ausbreitung des Paramilitarismus in Kolumbien
verstärkten sich gegenseitig.
Anders als federführende US-Drogenbekämpfer behaupten, kommt der
Kokainhandel keineswegs allen Akteuren des kolumbianischen Bürgerkriegs
gleichermaßen zugute. Der "Plan Colombia", das Anti-Drogen-Programm der
US-Regierung, in dessen Rahmen jährlich mehr als 500 Millionen US-Dollar
Militärhilfe nach Kolumbien gepumpt werden, dient fast ausschließlich der
Bekämpfung der Farc-Guerilla. Der lukrative und strategisch entscheidende
Teil des Drogengeschäfts ist jedoch nicht der Koka-Anbau in den
südkolumbianischen Guerillagebieten, sondern die Verarbeitung und
Verschickung, die im von Paramilitärs kontrollierten Norden des Landes
angesiedelt sind.
Unter maßgeblicher Beteiligung von Salvatore Mancuso eroberten die AUC
diese Region - von der panamaischen Grenze im Westen bis zum
venezolanischen Maracaibo-See - in den 1990er-Jahren und sicherten sich
damit die Kontrolle über die Exportrouten. Paradoxerweise konnten die AUC,
die von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch als "Sechste
Division der kolumbianischen Armee" bezeichnet worden sind, dabei auf die
systematische Unterstützung der kolumbianischen Sicherheitskräfte zählen.
Die bizarr anmutende Allianz hatte einen einsichti- gen Grund: Die AUC
verrichteten das schmutzige Geschäft der Aufstandsbekämpfung, indem sie
systematisch Gewerkschafter, Oppositionelle und Guerillasympathisanten
ermordeten. Im Gegenzug tolerierte die Staatsmacht die AUC-Drogengeschäfte.
Mittlerweile sitzen die AUC-Kommandanten, darunter auch Salvatore Mancuso,
im Gefängnis. Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe, nicht zuletzt dank
paramilitärischer Unterstützung zweimal hintereinander gewählt, steht in
Kolumbien wegen immer neuer Enthüllungen über die paramilitärischen
Allianzen unter Druck und muss deshalb Härte zeigen. An der dramatischen
Entwicklung hat das jedoch wenig geändert: Die verdeckte
Aufstandsbekämpfung der letzten zwei Jahrzehnte hat die Strukturen des
international operierenden Drogenhandels gestärkt. Davon profitieren rechte
kolumbianische Warlords und eine neue Generation der Mafia in Europa.
20 Sep 2007
## AUTOREN
Raul Zelik
## TAGS
Kolumbien
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