# taz.de -- Homophobie-Studie: Wer ist hier -phob? | |
> Die Mehrheit der Jugendlichen nichtdeutscher Herkunft findet Homosexuelle | |
> abstoßend, so eine Studie. Doch warum warnen jetzt alle wieder vor | |
> Islamophobie? | |
Bild: Schwul, Migrant, islamo- oder homophob? Bushido sorgt in dieser Diskssion… | |
Die Resultate der Studie des Sozialpsychologen Bernd Simon von der | |
Universität Kiel, vorgestern erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt, sind | |
denn auch brav in einigen Medien reportiert worden: dass das Gros der | |
Kinder von Ausländern (egal ob aktuell mit deutschem Pass ausgestattet oder | |
nicht) schwule Männer nicht nur seltsam findet, sondern auch aufrichtig | |
hasst. Von lesbischen Frauen ist in diesem Zusammenhang nur wenig die Rede, | |
weil die Objekte der Aversion vorwiegend Männer sind, Weibliches spielt die | |
Rolle einer Bagatelle. | |
Des Professors Institut hat freilich nur herausgefunden, was ein | |
gewöhnlicher Blick in Polizeistatistiken, was blankes Hörensagen in den | |
entsprechenden arabischen, türkischen und russischen Communities nur zu | |
deutlich belegt: Alles im Leben ist den ausführlich Befragten erträglich, | |
Armut, schulisches wie berufliches Scheitern, Krankheit - aber all das ist | |
nichts gegen das Schicksal, schwul zu sein oder einen schwulen Sohn, einen | |
schwulen Mann zu haben. | |
Entsprechendes sagen auch Sozialpädagogen und andere mit der Betreuung von | |
Menschen befasste Personen: Nichts verdient so sehr Verachtung, mehr noch, | |
Bestrafung wie ein Angehöriger, der homosexuell ist. Und was fällt Berlins | |
Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner dazu ein? Sie warnt davor, einen | |
Zusammenhang mit dem Islam herzustellen. "Das wäre hier die grundfalsche | |
Antwort. Ich wünsche mir, dass wir Homophobie nicht mit Islamophobie | |
begegnen." Als ob das jemand täte! | |
In Wahrheit gibt es einen Zusammenhang zwischen der herauskristallisierten | |
Parallelgesellschaft muslimischer Prägung, meinetwegen altpatriarchalischen | |
Formen des menschlichen Zusammenlebens und diesem grassierenden Hass auf | |
Homosexuelles, der mit dem Wort "Homophobie" nur unzulänglich umrissen ist. | |
Wer diese inneren Verbindungen leugnet, will letztlich auch nichts von den | |
Umständen wissen, denen Homosexuelle gerade in muslimisch geprägten | |
Gemeinschaften ausgesetzt sind. Das Argument, man dürfe nichts gegen den | |
Islam sagen, lebt ohnehin von der Unterstellung, dass auch das Christentum | |
in Sachen Antihomosexualität seine Leichen im Keller habe. Richtig, möchte | |
man sagen - aber die in Berlins Vierteln Neukölln und Wedding, in Hamburgs | |
Billstadt oder in Köln-Mülheim gelebten Arten des Hasses auf Homosexuelle | |
findet sich in altdeutsch (auch christlich) grundierten Milieus nur noch | |
selten: Und wenn, ist man dort seit vielen Jahrzehnten gewöhnt, dass die | |
betreffenden Kinder sich mit Hilfe eines Netzes von Hilfsangeboten aus den | |
homophoben Strukturen lösen können. | |
Den Alltag in muslimischen Vierteln aber kennzeichnet vor allem dies: Es | |
gibt reichlich Männer mit schwuler Praxis. Sie leben aber in | |
heterosexuellen Ehen - und spricht man sie denn an, was sie davon hielten, | |
wenn ihre Töchter und Söhne auch Nein, wehren sie brüsk ab, die müssten | |
dann verheiratet werden, im übelsten Fall sogar verstoßen oder getötet | |
werden. In diesen Milieus gibt es so viel Ehebetrug gerade mit schwulem | |
Unterfutter - und stets verteidigen die Betrüger ihre familiären | |
Verhältnisse mit dem Hinweis auf den Koran, auf Allah und auf die Familie, | |
die man nicht enttäuschen dürfe. | |
Das mag in jedem Einzelfall Verständnis wecken, aber in der Summe heißt es: | |
Da werden gesellschaftliche Strukturen unbehelligt gelassen, die nicht nur | |
Frauen knechten, sondern auch Männer, die sich immer wieder, religiös | |
begründet, auf ihre familiären Verhältnisse herausreden können. In diesen | |
Communities nistet wie eh und je ein dynastisches Denken, das nicht einmal | |
als gesellschaftlich bezeichnet werden kann: Zuerst die Familie und Gott, | |
dann alle andere Welt draußen. Und da darf doch, bitte sehr, auch mal, wie | |
einst in Deutschland, über Religion geredet werden. Das schon als | |
islamophob zu bezeichnen verrät obendrein Mangel an Respekt vor all jenen | |
Menschen, die aus muslimisch geprägten Verhältnissen kommen - der | |
ermordeten Hatun Sürücü beispielsweise - und sich aus ihnen losbanden. | |
Die ehrenwerte Senatorin ist ja keine singulär sprechende Politikerin. | |
Sagen doch inzwischen alle das Gleiche wie sie: "Akzeptanzförderung statt | |
Homosexuellenfeindlichkeit", wie eine Presseerklärung aus ihrem Hause | |
professionell verlautbart, denn "die gesamte Gesellschaft ist gefordert". | |
Wo es alle angeht, wird es niemanden betreffen. Was im Alltag bedeutet: | |
Homophobie unter Migranten? Nett, dass wir mal allgemein miteinander | |
geredet haben. Das aber ist, gemessen an der Not von Schwulen und Lesben in | |
diesen No-go-Areas, viel zu wenig. | |
27 Sep 2007 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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