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# taz.de -- Kommentar Bundespräsidenten-Rede: Köhlers Anti-Ruck-Rede
> Die zweite "Berliner Rede" von Köhler war nicht brilliant, aber klug. Und
> endlich einmal hört man ihm wieder zu - weil er "das Volk" nicht als
> unmündiges Erziehungsobjekt bespricht.
Der Bundespräsident hat keine überragende "Berliner Rede" gehalten. Sein
Vortrag über die globalisierte Welt des 21. Jahrhunderts war dennoch klug
und nachdenklich. Diese Tatsache an sich ist schon eine kleine
Überraschung.
Horst Köhler glänzte bisher ja eher mit kraftmeierischen, alarmistischen
Wortbeiträgen zur angeblich desolaten Lage der Nation. Dabei offenbarte der
frühere Sparkassendirektor mehr als nur einmal sein seltsam eingeschränktes
Gesellschaftsverständnis. Es gipfelte in dem technokratischen Slogan von
der "Vorfahrt für Arbeit". "Das Volk" erscheint darin stets als unmündiges
Erziehungsobjekt, "die Politiker" gelten ihm als machtversessene Kaste, die
ihr reformerisches Potenzial in politischen Sandkastenspielen
verschleudert. Köhler steht damit ganz in der Tradition seines
Vorvorgängers Roman Herzog, der mit seiner schlichten Ruck-Rede von 1997 in
die Geschichtsbücher eingegangen ist.
Gerade weil der Bundespräsident in seiner Globalisierungsrede auf all
diesen Popanz verzichtete, hörte man ihm zum ersten Mal seit langer Zeit
wieder genau zu. Köhler verband die Globalisierung da draußen in der Welt
in wenigen, gescheiten Sätzen mit den dramatischen Veränderungen bei uns zu
Hause. Er sprach über die Vorteile dieser rasanten Entwicklung, verschwieg
aber auch nicht deren ungerechte Seiten. Er ermahnte nicht, sondern
ermunterte. Er plädierte für mehr Zusammenarbeit der europäischen Staaten,
für größere Regierungskunst in Afrika, für mehr politische Kontrolle der
internationalen Finanzmärkte. Sein Satz von der zunehmenden Ungleichheit
der Einkommensverteilung in Deutschland hatte nichts Relativierendes, er
war eine unmissverständliche Feststellung. Konsequent daher auch seine
Schlussfolgerung: "Der Aufstieg der einen darf nicht der Abstieg der
anderen sein."
Der Auftritt des Bundespräsidenten war frei von seinen sonst üblichen
politischen Ressentiments und Züchtigungsfantasien. Ob das gleich für ein
verändertes Amtsverständnis spricht, darf eher bezweifelt werden. Köhler
hat seine erste Anti-Ruck-Rede gehalten - nicht weniger, aber auch nicht
mehr.
1 Oct 2007
## AUTOREN
Jens König
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"Berliner Rede": Faire Welt à la Köhler
Nachdem er zuletzt manche irritiert hatte, kehrt der Bundespräsident wieder
auf den Weg des Ausgleichs zurück. Köhler forderte, die Lasten der
Globalisierung gerecht zu verteilen.
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