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# taz.de -- Joschka Fischer: Rein zufällige Einflussnahme
> Er will sich nicht mehr in die die aktuelle Politik der Grünen
> einmischen, beteuert Ex-Außenminister Fischer. "Unter Abrechnung verstehe
> ich etwas anderes", sagt er über sein Buch.
Bild: "Unter Abrechnung verstehe ich etwas ganz anderes": Joschka Fischer bei s…
Da sitzt er also nun vor vielen Mikrofonen, Kameras und noch mehr
Journalisten. Er stellt sein neues Buch vor und genießt den Rummel. "Ich
hätte nie gedacht", sagt er zur Begrüßung, "dass ich mich so freuen würde,
Sie alle wiederzusehen." Es ist derselbe Mann, der vor zwei Jahren über
seine Zukunft gesagt hatte: "Ich mache nicht den Opa aus der Muppet Show,
der von der Zuschauertribüne aus nur noch hämische Kommentare gibt." Aus
seiner Sicht gibt es keinen Widerspruch zwischen diesem Satz und seinem
heutigen Verhalten.
Aus seiner Sicht, das macht Joschka Fischer sogleich deutlich, hat er sich
an seine Ankündigung gehalten, er werde sich zurückhalten. Schließlich habe
er sofort nach dem Machtverlust der Grünen 2005 auf seinen Platz im
Bundestag verzichtet. Das sei richtig gewesen, sagt er heute. Denn die
Journalisten würden sonst sicher nur darauf achten, ob er, Fischer, bei den
Reden seiner Parteifreunde im Parlament klatscht oder gelangweilt in der
Nase bohrt. Und so viel Aufmerksamkeit für ihn, nein, das wäre "für die
neue Führung nicht gut".
Ob es für die neue Führung der Grünen gut ist, was der frühere
Außenminister stattdessen macht - nämlich ein dickes Buch über "die
rot-grünen Jahre" schreiben, viele Interviews geben, zu einer
Solo-Pressekonferenz laden und ausführlich zu aktuellen Streitfragen der
Grünen wie dem Afghanistaneinsatz Stellung nehmen? Nun ja. Was kann er,
Fischer, denn dafür, dass zu seiner Buchvorstellung mehr Leute kommen als
zu allen Pressekonferenzen der Grünen-Führung in den vergangenen zwei
Jahren insgesamt? Dass der Spiegel seinen Kopf auf Seite eins hebt und
nicht den von Renate Künast oder Reinhard Bütikofer? Nein, Fischer hat die
Bild-am-Sonntag-Schlagzeile nicht geschrieben, in der es hieß: "Nur Joschka
kann die Grünen retten".
Fischer, so stellt er es zusammen mit seinem Verleger dar, hat einfach nur
ein lange geplantes Buch geschrieben. Ein Buch, dessen Erscheinungsdatum,
wie der Verleger betont, "nichts mit politischen Ereignissen zu tun" hat.
Ein Buch das "rein zufällig" direkt nach dem Desaster der neuen grünen
Führung auf dem Afghanistan-Parteitag fertig wurde und jetzt - das sagt der
Verleger nicht - mit großem Brimborium vermarktet wird. Fischer selbst
beschreibt seine Absichten so: "Es ist nicht mein Sinnen und Trachten, auf
die aktuelle Politik Einfluss zu nehmen." Fischer, der gelassene
Politrentner, der seine Nachfolger in Ruhe lässt? Zu schön für die neue
Grünen-Führung, um wahr zu sein.
Fischer hat in den Wochen seit dem Parteitag längst überaus deutlich
gemacht, dass er die Entscheidung der Grünen-Mehrheit, dem weiteren
Bundeswehreinsatz in Afghanistan wegen der Tornados die Zustimmung zu
versagen, für grundfalsch hält. Das soll keine Einflussnahme sein? "Ich
habe meine Meinung und werde mit meiner Meinung nicht hinterm Berg halten",
sagt er und wiederholt auch bei seiner Buchvorstellungspressekonferenz
seine Meinung, wonach Deutschland sogar mehr statt weniger militärisches
Engagement in Afghanistan - ja, auch im Süden! - leisten sollte.
Aber was andere aus seinen Meinungsäußerungen machen - dafür könne er doch
nichts. Um seiner Rolle der häufig überinterpretierten Sphinx der Grünen
gerecht zu werden, spielt Fischer den Missverstandenen. So sei es völlig
verkehrt, sein Buch und seine damit verbundene PR-Arbeit als "Abrechnung"
mit den Grünen zu bezeichnen. "Unter Abrechnung verstehe ich etwas ganz
anderes", ruft Fischer. Er habe bei der Betrachtung der Vergangenheit
"nichts schönen wollen" wollen, aber auch niemand unfair angegangen. Er
habe versucht, die Ereignisse "objektiv" zu schildern.
In der Tat spart sich Fischer Zensuren für einzelne Kollegen. Und auf die
Frage, ob die Grünen noch regierungsfähig seien, sagt er ausweichend: "Das
ist eine Frage an die Wählerinnen und Wähler." Weil das wieder
missverstanden werden könnte, fügt er, versöhnlich, hinzu: "Ich wähle meine
Partei, ich habe noch nie eine andere gewählt, das wird auch in Zukunft so
bleiben."
Doch Fischer wäre nicht Fischer, wenn er nicht neue Spannung aufbauen
würde. Er schreibe jetzt den zweiten Teil seines Werks über die rot-grünen
Jahre, kündigt er an. Und man werde ja sehen, ob daraus doch noch eine
echte Abrechnung werde. "Warten Sie die Gesamtbewertung ab!" Drohen - das
kann er noch.
5 Oct 2007
## AUTOREN
Lukas Wallraff
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Joschka Fischers Biografie: Das Prinzip Härte
"Die rot-grünen Jahre" heißt die Autobiografie von Joschka Fischer. Auf 443
Seiten erzählt er von seiner Zeit als Außenminister -und dem Ende vieler
Spontiträume.
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