| # taz.de -- Schweizer Wahlkampf: Krawalle gegen Rechtsausleger | |
| > Die größte Partei des Landes führt einen ausländerfeindlichen Wahlkampf, | |
| > kann aber nicht demonstrieren, weil Linksradikale ihre Bühne demolieren. | |
| > All das passiert wo? In der Schweiz! | |
| Bild: Vorn die Linken, hinten die Konservativen - und in der Mitte die Schweize… | |
| Die Schweiz wäre nicht die Schweiz, wenn die Innenstadt von Bern am | |
| Samstagabend ein anderes Bild böte: Nur wenige Stunden nach den schweren | |
| Ausschreitungen sind die Gassen und Plätze sauber gefegt, die zerstörten | |
| Stände der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und andere zu Bruch gegangene | |
| Dinge in Abfallcontainer gewandert. Aber die Geschehnisse sind in aller | |
| Munde. | |
| Zwei Wochen vor den Parlamentswahlen wollte die SVP den Umzug zum Höhepunkt | |
| ihres mit extrem ausländerfeindlichen Parolen geführten Wahlkampfs machen. | |
| Angeführt vom Bundesrat Christoph Blocher und begleitet von Fahnenträgern, | |
| Musikanten und Trychlern, setzten sich 10.000 Anhänger der | |
| rechtspopulistischen Partei vom Bärengraben aus in Bewegung. Schon bald | |
| stoppten einige hundert Gegendemonstranten den Zug mit einer Blockade. | |
| Diese löste die Polizei mit Gummischrot und Tränengas auf. Darauf schienen | |
| die Militanten nur gewartet zu haben: Sie zogen sich in die verwinkelten | |
| Altstadtgassen zurück, um, wie Polizeisprecher Jörg Gabi sagte, eine | |
| "Guerillataktik" anzuwenden: in kleinen Gruppen auftauchen, zuschlagen, | |
| verschwinden. | |
| Den größten Angriff gab es auf dem Bundesplatz, dem zentralen Platz der | |
| Hauptstadt, auf dem die SVP ihre Abschlusskundgebung abhalten wollte. 50 | |
| bis 100 Militante demolierten die Bühne, setzten Werbematerial der SVP und | |
| Autos in Brand, schmissen Fensterscheiben von Banken ein und zerstörten | |
| Marktstände. Zu diesem Zeitpunkt war kein Polizist auf dem Bundesplatz. Die | |
| SVP-Anhänger mussten nach langem Warten zum Auftaktort zurückkehren, wo | |
| eine kurze Kundgebung abgehalten wurde. Nach Angaben der Behörden wurden | |
| drei Demonstranten und 18 Polizisten verletzt, 42 Leute wurden | |
| festgenommen. | |
| Während die Straßenschlacht tobte, demonstrierten 3.000 Menschen friedlich | |
| gegen die Rechtspopulisten. Dazu hatte unter dem Motto "SVP nicht | |
| willkommen" ein Bündnis aus linken Gruppen, Gewerkschaften, NGOs und den | |
| Berner Sozialdemokraten aufgerufen. Das Bündnis, das sich in Anspielung auf | |
| ein ausländerfeindliches Wahlplakat der SVP "Das schwarze Schaf" nannte, | |
| bezeichnete die SVP als "Brandstifter" und warf ihr eine "rassistische" | |
| Politik vor. Daniele Jenni, der Sprecher der "schwarzen Schafe", zeigte | |
| sich mit der nicht bewilligten, aber geduldeten Gegenkundgebung zufrieden. | |
| Verantwortlich für die Krawalle aber sei die SVP. | |
| Die Krawalle sind der vorläufige Höhepunkt eines erbittert und aggressiv | |
| geführten Wahlkampfs, wie ihn die Schweiz noch nicht erlebt hat. Kein | |
| Wunder, dass sich die SVP auch die Ereignisse von Bern zunutze zu machen | |
| versuchte. Schon bei der improvisierten Abschlusskundgebung kritisierte | |
| Blocher, dass es offenbar nicht möglich sei, dass die größte Partei des | |
| Landes auf den Bundesplatz gehe. Die Krawalle seien eine "Schande für die | |
| Schweiz"; die "Demokratie und das freie Wort" seien "mit Füßen getreten" | |
| worden. | |
| Der Verurteilung der Gewalt stimmten die übrigen Parteien zu. Freilich | |
| fragten manche auch nach einer Mitverantwortung der Rechtspopulisten. So | |
| sagte die sozialdemokratische Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey der | |
| Zeitung Sonntagsblick, dass die "derzeitigen Provokationen und | |
| Anschuldigungen in der Politik Spuren" hinterließen. Man soll aufhören, | |
| "mit den Ängsten zu spielen, nur um ein paar Stimmen zu gewinnen". Die | |
| Berner FDP sprach in einer Mitteilung von einer "stillosen Politik von | |
| links und rechts" und erklärte: "Wer Hass sät, wird Hass ernten." | |
| Am 21. Oktober wird eine der beiden Kammern des Schweizer Parlaments | |
| gewählt. Dieses wiederum wählt die Mitglieder der Regierung, des | |
| Bundesrats, wobei gemäß dem Prinzip der Konkordanzdemokratie jede Partei | |
| Anspruch auf eine ihrem Stimmenanteil entsprechende Anzahl von Bundesräten | |
| hat. | |
| 8 Oct 2007 | |
| ## AUTOREN | |
| Nicola Mohler | |
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