# taz.de -- Gemeinsam Wohnen: "Wohnprojekte brauchen Zeit" | |
> Wohnen in eigener Regie wird immer beliebter, sagt Mathias Heyden, der | |
> gerade ein Buch über Wohnprojekte veröffentlicht hat. Mit den | |
> Experimentdays 07 soll dazu beigetragen werden, dass das auch für die | |
> Verwaltung so gilt. | |
taz: Herr Heyden, seit wann gibt es selbstbestimmtes Wohnen in Berlin? | |
Mathias Heyden: Berlin hat da eine lange Tradition, denken Sie nur an die | |
Genossenschaften Anfang des 20. Jahrhunderts. Aus den 80er- und den | |
90er-Jahren gibt es zwei Hausbesetzergenerationen. Von denen haben zirka | |
300 die bauliche Selbsthilfeförderung des Senats in Anspruch genommen und | |
eigene Hausprojekte gestartet. Neu sind die so genannten Baugruppen, die | |
sich Reihenhäuser, "Townhouses", mitten in der Stadt bauen, und | |
Baugemeinschaften. Die bauen quasi gestapelte Eigentumswohnungen. In Berlin | |
ist das recht neu. In Tübingen und Freiburg gibt es das schon länger. | |
In Berlin sind in den letzten Jahren um die 70 Wohnprojekte entstanden. | |
Warum ist das Bauen und Wohnen in Eigenregie zunehmend beliebt? | |
Weil die Mieten steigen. Und wer stattdessen auf Eigentum setzt, möchte | |
heute zunehmend mit seinen Freunden oder Bekannten, sprich: mit netten | |
Leuten in einem Haus wohnen. Außerdem kann man bis zu 20 Prozent an Kosten | |
sparen, wenn man sich mit mehreren Mietparteien zusammentut. | |
Es gibt sogenannte Ökohäuser, alternative Wohnprojekte, | |
Mehrgenerationenhäuser oder Migrantengenossenschaften. Ist da ein Trend | |
auszumachen? | |
Heute werden die Wohnprojekte nicht mehr als linksalternative | |
Sonderwohnformen gesehen - das gilt für Wissenschaft wie auch für Politik | |
und Verwaltung. Vielmehr sind sie engstens gekoppelt an das Thema | |
generationenübergreifendes Wohnen. Vor dem Hintergrund der demografischen | |
Entwicklung geht es dabei letztendlich auch um zeitgemäße Formen des | |
Sozialen, auch der Nachbarschaftshilfe. Das Bundesfamilienministerium hat | |
eigens dafür Förderprogramme ins Leben gerufen. | |
Welche Klientel baut in Berlin in Eigenregie? | |
Außer von der linksalternativ geprägten Szene werden Wohnprojekte zunehmend | |
von der in der "alternativ-bürgerlichen" Mitte angekommenen Mittelschicht | |
realisiert. Diese Leute sind zwischen 30 und 45 Jahre alt, haben oft Kinder | |
und setzen auf eigentumsorientierte Wohnprojekte. | |
Bei der Vergabe von Grundstücken konkurrieren die Wohnprojekte mit den | |
großen Bauträgern. Unterstützt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung | |
Gemeinschaftsmodelle? | |
In Hamburg werden 15 Prozent aller Grundstücke für ein Jahr für | |
Wohnprojekte reserviert. So weit sind wir in Berlin noch nicht. | |
Wohnprojekte, egal ob miet- oder eigentumsorientiert, brauchen Zeit. Allein | |
die Guppenfindung, die Projektentwicklung, Finanzierungs- und Rechtsfragen | |
benötigen viel mehr Zeit als bei einem gewöhnlichen Investor. Das heißt, | |
die Berliner Wohnprojekte werden benachteiligt, weil vor allem der | |
Liegenschaftsfonds nach Meistgebot veräußert, statt einen Auftrag zur | |
nachhaltigen Stadtentwicklung zu haben. Da muss was passieren. | |
Berlin ist immer noch eine Mieterstadt. Was ist mit den Leuten, die sich | |
kein Wohneigentum leisten können? | |
Sicher ist die Unterstützung von eigentumsorientierten Wohnprojekten zu | |
begrüßen. Aber das löst die wohnungspolitische Frage in Berlin überhaupt | |
nicht. Die Frage ist die, wie wir einen selbstbestimmten und | |
gemeinschaftsorientierten Wohnungsbau für alle gestalten und was Politik | |
und Verwaltung dazu tun können. | |
7 Oct 2007 | |
## AUTOREN | |
Jan Piegsa | |
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