Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Weltleitsportart: Welcher Ball soll es sein?
> Am Wochenende ging in Frankreich die Rugby-WM zu Ende. Doch Rugby hat
> hierzulande schlechte Karten gegen einen seiner größten Gegner: den
> Fußball.
Bild: Also, beim Fußball ginge so was aber nicht: Rote Karte!
Mit vier Milliarden Fernsehzuschauern ist die Rugby-WM, die gerade in
Frankreich zu Ende gegangen ist, nicht gerade ein Weltmedienereignis der
kleineren Art. Sie reicht zwar noch nicht an die Werte heran, die
Olympische Spiele oder die Fußball-WM erreichen, aber andere sportliche
Großereignisse bewegen sich in vergleichbarer Größenordnung. Sportarten wie
Fußball, Football, Baseball, Basketball, Eishockey, Kricket oder eben Rugby
sind seit etwas mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr nebeneinander
existierende, national mal so oder mal so bevorzugte Freizeitvergnügen. Sie
sind Konkurrenten auf dem Sportweltmarkt, es geht um die weltweit
gehandelten Fernsehrechte, um Absatzmärkte für Produkte des Merchandising,
und es geht um die Sportstars als Werbeträger auf internationalen Märkten.
Kurz: Es geht um die Weltleitsportart.
Ende der Achtzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts beschloss die NFL, der
Dachverband des professionell betriebenen American Football, ihre Sportart
auf europäischen Märkten zu platzieren. Dies geschah zunächst durch in
Europa stattfindende Preseason-Games. Kurze Zeit später wurde die World
League of American Football ins Leben gerufen, eine Art Zweite Liga der
NFL, nur im Weltformat, die aber bald auf Eis gelegt wurde, bis sie als NFL
Europe zurückkam. Das Resultat war ähnlich: guter Stadionbesuch, miserabler
TV-Rechte-Verkauf. Die NFL Europe, die zuletzt aus fünf deutschen und einem
niederländischen Team bestand, wurde in diesem Sommer 2007 eingestellt.
Was der NFL tatsächlich gelang, ist, dass ihr teuerstes Verwertungsobjekt,
der Superbowl, als Weltereignis etabliert werden konnte. Die NFL wurde auch
deswegen aktiv, weil Anfang der Neunzigerjahre der europäisch und
südamerikanisch geprägte Fußball versuchte, auf dem nordamerikanischen
Markt Fuß zu fassen. Höhepunkt war die Fußball-WM 1994, zu deren Anlass der
Fußballweltverband Fifa auch die Einführung einer Profiliga in den USA
durchsetzte.
Auch für die Fifa, die mit der Fußball-WM über die neben den Olympischen
Spielen teuerste Ware Verwertungsobjekt des Fernsehsports verfügt, war die
Sättigung der bisherigen Märkte der Grund für das Expansionsstreben. Diese
Suche nach neuen Märkten ließ die Fifa auch die WM 2002 nach Japan und
Südkorea vergeben - mit dem kleinen Nebeneffekt, dass Baseball, früher
führende Sportart in Japan, vom Fußball erfolgreich verdrängt wurde.
Ähnlich wie in den Siebzigerjahren in den USA hatte es ab Anfang der
Neunzigerjahre in Japan mit der überwiegend national finanzierten J-League
einen ersten Versuch gegeben, den Fußball zu etablieren. Der Durchbruch in
Japan gelang freilich erst mit der WM 2002.
Im Jahr 2010, wenn die Fußball-WM in Südafrika, also erstmals in Afrika
stattfindet, geht es wieder um die Platzierung der Ware Fußball auf neuen
Märkten.
Die gegenwärtig in China stattfindende WM im Frauenfußball gilt sowohl bei
den chinesischen Organisatoren als auch bei der Fifa als Probelauf für eine
später dort stattfindende Männer-WM.
Auf den chinesischen Markt ist auch das IRB, das International Rugby Board,
scharf. In China spielen schon eine Million Menschen Rugby, was als
Anknüpfungspunkt für künftige Vermarktungsoffensiven attraktiv ist. Drei
Zielmärkte hatte das IRB in einer Studie von 1997 ausgeguckt: die USA, den
deutschsprachigen Raum und China.
Erst seit 1987 gibt es Weltmeisterschaften im Rugby Union, der
bedeutenderen Variante des Rugbysports. Erst 1990 ließ das IRB Sponsoren
zu, und erst 1995 kippte das Amateurstatut. Die zum Rugby Union
konkurrierende Variante des Sports, das Rugby League, wird zwar schon seit
Jahrzehnten professionell gespielt, aber nur in einem nördlichen Teil
Englands. Rugby League ist eher die proletarische Variante des Sports und
konnte sich nie gegen Rugby Union durchsetzen. Bis in die Neunzigerjahre
war das bedeutendste Turnier des Rugby Union das Five Nations: Nur England,
Schottland, Wales, Irland und Frankreich durften mittun. Aber in den
Neunzigerjahren, als die Bedeutung des Commonwealth auf null zurückging,
drängten mit Australien und Neuseeland große Länder, in denen Rugby
Nationalsport ist, auf den Markt. Vor allem als die Weltmeisterschaft 1995
in Südafrika ausgetragen wurde und die Gastgebermannschaft, bestehend aus
schwarzen und weißen Spielern, den WM-Titel holte, begann eine Öffnung und
Demokratisierung des Rugbys. Auch das war ein vor allem ökonomisch
geleiteter Prozess: Die australischen Medienkonzerne des Rupert Murdoch und
des Kerry Packer forderten professionelle Strukturen und eine Ende des
Amateurstatuts, denn sie wollten ihre Pay-TV-Kanäle durchsetzen. Die
jüngste Variante der Globalisierung des Rugbys findet sich im Strategieplan
des IRB. Im Jahr 2012, da finden die Spiele in London statt, soll Rugby
wieder olympisch sein, das war zuletzt 1924 so, und da waren auch die
Olympischen Spiele noch kein Weltereignis. Um besonders attraktiv zu
wirken, will das IRB das schnellere Siebenerrugby spielen, also mit sieben
statt mit 15 Spielern pro Mannschaft.
Auf die Olympischen Spiele als Bühne für eine Globalisierung setzt auch
Kricket. Der Sport, dessen Regeln sogar eine Teepause vorsehen, will sich
auch 2012 in London präsentieren. Kricket ist, mehr noch als Rugby, eine
typische Commonwealthsportart. Nicht nur das komplizierte Regelwerk und das
Image, ein elitärer Oberklassensport zu sein, sperrt sich gegen die
Popularisierung des Krickets. Mehr noch ist es der Zeitbedarf: Mehrere Tage
dauert ein klassisches Kricketspiel. 2003 führte der englische Verband eine
neue Variante ein, das Twenty20: Nur noch zwei Innings, jeweils maximal 75
Minuten dauernd, darf ein Match dauern. In Indien, das schon aufgrund
seiner demografischen und ökonomischen Stärke zu den Kricketgroßmächten
gehört, setzt sich dieses fernsehfreundlichere Format immer mehr durch.
"Das könnte sogar eine Herausforderung für Bollywood werden", sagte Ayaz
Memon, ein indischer Sportjournalist, neulich zur New York Times, "denn es
dauert auch etwa dreieinhalb Stunden, bietet gute Unterhaltung und ist eine
Realityshow." Wenn Kricket auf diese Kurzform setzt und auch seine besten
Profis zum olympischen Turnier schicken möchte, wird das Internationale
Olympische Komitee (IOC) kaum etwas dagegen haben.
Das ist es nämlich, was andere verweigern: Beim Fußball dürfen auf Weisung
der Fifa nur die U-23-Teams bei Olympia spielen. Beim Eishockey
demonstrieren die Profis die Höherwertigkeit der nordamerikanischen
Meisterschaft, des Stanley Cups, gegenüber den Olympischen Spielen, indem
immer nur die Spieler antreten, deren Team gerade aus dem Stanley-Cup
ausgeschieden ist. Beim Baseball wollte die Major League Baseball (MLB),
der organisatorische Zusammenschluss der zwei großen amerikanischen Ligen,
einen ähnlichen Status bei Olympischen Spielen durchsetzen. Das aber gelang
nicht, hier gewann das IOC den Machtkampf. Die MLB begnügt sich seither mit
relativ wenig Exportmaßnahmen, freut sich aber daran, dass ein großer Teil
der weltweit verkauften Basecaps von der MLB lizenziert sind und sie
folgerichtig daran verdient.
Ein Sonderfall ist Basketball, das seit 1992 die olympische Bühne massiv
nutzt, so wie es Rugby und Kricket bald gerne täten. Bei den Olympischen
Spielen 1992 in Barcelona trat erstmals das Dreamteam an, die Auswahl der
besten amerikanischen Profis der NBA, der amerikanischen Basketballliga,
damals von Michael Jordan und Magic Johnson angeführt. Für diese
NBA-Initiative war auch die Sättigung der nationalen Märkte das treibende
Motiv. Mittlerweile zeigen sich die Effekte: Das Dreamteam hat schon des
Öfteren verloren, was eine Folge der Internationalisierung der NBA ist.
Die NBA hat einerseits Fernseh- und Merchandisingmärkte auf der ganzen Welt
erobert, und sie hat auch in den verschiedenen Gesellschaften nationale
Stars hervorgebracht, zum Beispiel Dirk Nowitzki. Basketball ist nun, was
alle anderen Sportarten sein wollen: ein wirklich globaler Sport.
Die noch größeren Sportarten rangeln noch um die Vorherrschaft.
22 Oct 2007
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Alba Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Alba Berlin in der Euroleague: Rauswurf in aller Freundschaft
Hingabe allein reicht nicht: Gegen Maccabi Tel Aviv vergibt Alba Berlin die
historische Chance aufs Euroleague-Viertelfinale.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.