# taz.de -- EU-Gericht kippt Gesetz: Porsche kann VW übernehmen | |
> Obwohl Porsche mehr Anteile an VW besitzt als Niedersachsen, hatten beide | |
> dieselben Stimmrechte. Mit dem Urteil des EU-Gerichtshofs ist es damit | |
> vorbei. | |
Bild: Nun ist VW nicht mehr vor feindlichen Zugriffen geschützt. | |
LUXEMBURG/STUTTGART/HANNOVER Mit dem Urteil gegen das VW-Gesetz hat der | |
Europäische Gerichtshof den Weg dafür freigemacht, dass Porsche die Macht | |
bei Volkswagen übernimmt. Schon jetzt besitzt Porsche 31 Prozent des | |
größten europäischen Autobauers. Doch infolge des VW-Gesetzes verfügte die | |
Porsche AG bislang über dieselben Stimmrechte wie das Land Niedersachsen, | |
obwohl dieses nur 20 Prozent der VW-Anteile hält. Damit wird es bald vorbei | |
sein. Kurz nach dem Urteil ließ die Bundesregierung wissen, dass sie das | |
VW-Gesetz abschaffen oder zumindest ändern werde. | |
"Wir haben genügend Optionen, um unseren Anteil ordentlich zu erhöhen", | |
hatte der Vorstandsvorsitzende von Porsche, Wendelin Wiedeking, bereits vor | |
dem Urteil gesagt. Nun dürfte Porsche nach und nach 50,1 Prozent der | |
VW-Aktien erwerben und dann, nach der Änderung des Gesetzes, tatsächlich | |
die Macht bei VW übernehmen. Eine neue Holding, eine Gesellschaft | |
europäischen Rechts, ist bereits gegründet. In diese könnte der | |
Volkswagen-Konzern als Porsche-Tochter eingegliedert werden. | |
Gegen den Mitbestimmungsvertrag, den Porsche mit dem eigenen Betriebsrat | |
bei der Gründung der Holding abgeschlossen hat, klagt vor dem | |
Arbeitsgericht Ludwigsburg der VW-Betriebsrat. Die | |
Mitbestimmungsvereinbarung sieht unter anderem vor, dass jede | |
Porsche-Tochter gleich viel Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat der | |
Holding entsendet. Bernd Osterloh, der Vorsitzende des VW-Betriebsrats, | |
befürchtet, dass im wichtigsten Gremium der neuen Muttergesellschaft die | |
324.000 VW-Mitarbeiter genauso stark vertreten sind wie die 12.000 | |
Porsche-Beschäftigten. So oder so könnte die starke Stellung des | |
Betriebsrats bei VW bald der Vergangenheit angehören. Porsche-Chef | |
Wiedeking meint, dass die Mitbestimmung oder der Haustarifvertrag "keine | |
heiligen Kühe" seien, also abgeschafft werden können. | |
Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) betonte nach | |
dem Urteil, dass das Land auch mit seinen 20,1 Prozent eine Sperrminorität | |
bilden könne. Dafür sind auf den Hauptversammlungen die Stimmen von einem | |
Viertel der anwesenden Anteilseigner notwendig. Wenn aber Porsche und | |
Niedersachsen zusammen auf 70 Prozent der VW-Anteile kommen sollten, wäre | |
selbst diese Sperrminorität in Gefahr. Zwar könnte Niedersachsen, immerhin | |
der einstige Hauptaktionär, seinen Anteil auf 25 Prozent aufstocken. Aber | |
beim gegenwärtigen Aktienkurs würde dies 2,5 Milliarden Euro kosten. Und | |
die hat Niedersachsen nicht übrig. | |
Auch die beiden Sitze im VW-Aufsichtsrat, die Porsche Niedersachsen nach | |
Angaben von Wulff und des Sportwagenherstellers weiter zusteht, wären nach | |
einer Eingliederung von VW als Tochter in die neue Porsche Holding nur noch | |
von geringen Wert. Im Konfliktfall zählen die Mehrheiten auf der | |
Hauptversammlung, die sich auch auf die Gewichte im Aufsichtsrat auswirken. | |
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes ist damit die bedeutendste Zäsur | |
in der Geschichte von Volkswagen seit der Neugründung des Unternehmens nach | |
dem Zweiten Weltkrieg. Das Volkswagen-Stammwerk in Wolfsburg wurde einst | |
von der Deutschen Arbeitsfront gegründet - mithilfe von Kapital, das die | |
Nationalsozialisten bei der Zerschlagung der deutschen Gewerkschaften | |
geraubt hatten. Der Stammvater des Clans Porsche/Piëch, Ferdinand Porsche, | |
war der Konstrukteur des VW-Käfers, aber nie Eigentümer des Unternehmens. | |
Sein Schwiegersohn Anton Piëch, der Vater von Ferdinand Piëch, diente den | |
Nazis als Werkleiter in Wolfsburg. Volkswagen hat dennoch den Familienclan | |
reich gemacht. Der erste Porsche-Sportwagen war ein umgebauter Käfer, und | |
die Familie erhielt nach dem Zweiten Weltkrieg Lizenzeinnahmen von VW für | |
den Käferbau. Die Porsche Holding in Österreich verkauft heute VW-Modelle | |
in 17 europäische Länder und ist Europas größter Autohändler. Porsche läs… | |
seinen Cayenne zu großen Teilen bei VW in Bratislava fertigen. | |
Die Übernahme von VW würde auch den durchschnittlichen CO2-Ausstoß von | |
Porsche drastisch senken und könnte die Gefahren beseitigen, die dem | |
Unternehmen langfristig durch Klimagrenzwerte der EU drohen. Gegenwärtig | |
liegt der Schnitt der Porsche-Fahrzeuge bei fast 300 Gramm CO2 pro | |
Kilometer. | |
24 Oct 2007 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Voges | |
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