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# taz.de -- Alternativ- und Schulmedizin: Die Toskana ist das Vorbild
> Nirgends funktioniert das Zusammenspiel von Schulmedizin und alternativen
> Heilmethoden so gut wie in der Toskana. Das sollte Schule machen, fordern
> Ärzte auf einer Tagung.
Bild: Gemein:Die Toscana ist nicht nur wunderschön - hier werden auch Schul- u…
Mit dem Stichwort Toskana stellen sich unwillkürlich malerische
Impressionen ein: Pinien und Zypressen, Medici-Villen und Statuen von
Leonardo da Vinci. Aber auch Barolotrauben und kalt gepresstes Olivenöl
stehen für die toskanische Lebensart. Die Liste der Tugenden muss um eine
weitere Variante von Lebensqualität erweitert werden. Die Toskana avanciert
zum Mekka für komplementäre und alternative Medizin (CAM). In keiner Region
Europas harmonieren konventionelle Schulmedizin und "grüne"
naturheilkundliche Therapien besser als in Mittelitalien. Die Provinzen
Lombardei und Toskana dürfen sich mit Recht als europäische Modellregionen
für integrative Medizin bezeichnen.
Dies wurde beim 1. Europäischen Dialogforum für Pluralismus in der Medizin
vergangene Woche in Brüssel deutlich. Dort trafen sich rund 120 Schul- und
Komplementärmediziner aus 15 Ländern mit dem Ziel, einen Brückenschlag
zwischen den bisher feindlich gesonnenen Brüdern zu wagen.
Das 1. Europäische Dialogforum für Pluralismus in der Medizin legte den
Grundstein für verstärkte Kooperationen zwischen den sich ehemals feindlich
gesonnenen Medizintraditionen. "Der Patient zwischen konventioneller und
komplementärer Medizin" umriss im Untertitel der in der
baden-württembergischen EU-Landesvertretung veranstalteten Konferenz das
Spannungsfeld zwischen den verschiedenen Disziplinen.
"Patienten stehen nicht selten vor dem Dilemma, sich zwischen Behandlungen
konventioneller und alternativer Therapien entscheiden zu müssen",
beschrieb Professor Stefan Willich von der Berliner Charité die
Wirklichkeit deutscher Patientenakten. Das dies so ist, sei der mangelnden
Bereitschaft vieler Ärztekollegen zuzuschreiben, auf einander zu zugehen
und miteinander die besten Therapien für Behandlung zu wählen.
Als Direktor des Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und
Gesundheitsökonomie sucht Willich diesem Dilemma auch in der Charité -
Europas größter Universitätsklinik - sowie als lehrender Professor an der
Universität Greifswald zu entkommen. "Die komplementäre und alternative
Medizin muss zum Eckpfeiler der öffentlichen Gesundheitssysteme in der EU
werden" lautet das Credo von Willich. Gemeinsam mit dem
Bundesärztekammerpräsident, Professor Jörg-Dietrich Hoppe, gründete er im
Jahre 2000 in Deutschland das Dialogforum Pluralismus in der Medizin. Aus
dem Ursprungsland der Homöopathie, begründet von Samuel Hahnemann vor nun
mehr als 200 Jahren, betritt das Dialogforum jetzt die europäische Bühne.
Mit dem in München und Harvard studierten 48-jährigen - für neue
medizinische Therapien offenen - Willich und dem fast 30 Jahre älteren
Pathologen Hoppe, in der Tradition der Schulmedizin verwurzelt, haben sich
zwei Protagonisten zugunsten des Patientenwohls gefunden.
"Medizin ist keine reine Naturwissenschaft, was seit Mitte des 19.
Jahrhunderts behauptet wird, sondern vielmehr ein Hybrid", markierte
Jörg-Dietrich Hoppe beim Brüsseler Dialogforum seine heutige Position.
Viele Krankheitsverläufe seien mit purer Naturwissenschaft nicht erklärbar.
Umso wichtiger sei es, alle seriösen Therapieformen der komplementären und
alternativen Medizin (CAM) zum Nutzen der Patienten einzusetzen, plädierte
der renommierte Schulmediziner für "mehr Teamwork" zwischen alternativer
Medizin und konventionellen Therapien.
Immer mehr Patienten vertrauen in der erweiterten EU auf alternative
Therapien zur Linderung ihrer Schmerzen. Aber noch zu viele Halbgötter in
Weiß ignorieren inzwischen wissenschaftlich belegte Erfolge der
Komplementärmedizin: Vor allem bei chronischen Krankheitsverläufen wie
Arthritis, Influenza und Hüftgelenkbeschwerden und verschafft
beispielsweise Akupunktur Beschwerdefreiheit. Aber auch in komplementärer
Behandlung zur Chemotherapie bei Krebspatienten weist CAM Erfolge auf.
Mehr als 150 Millionen Patienten in Europa schwören auf Naturheilverfahren.
Dies geht aus jüngsten Erhebungen des Berliner Instituts für
Gesundheitsökonomie hervor. In den vegangenen zehn Jahren hat sich die Zahl
der ausgebildeten CAM-Mediziner in Deutschland zwar verdoppelt und es
finden sich 30.000 ausgewiesene Akupunkteure. Aber nur ein Zehntel der rund
300.000 praktizierenden deutschen Allgemeinärzte bieten CAM-Therapien als
Regelleistung an.
Der Blick auf die europäische Landkarte offenbart ein Nord-Süd-Gefälle:
Während in den skandinavischen Ländern Norwegen, Finnland und Schweden
CAM-Therapien nur zögerlich Eingang in den medizinischen Alltag finden oder
gänzlich untersagt sind, zählen neben den Kernländern Deutschland,
Österreich und der Schweiz seit Neustem die italienischen Regionen
Lombardei und Toskana zu den Protagonisten der sanften Medizin.
"Die Toskana kann mit ihren Erfolgen in der Integration von alternativen
und konventioneller Medizin als Modellregion Europas gelten", berichtete
der Mediziner Elio Rossi von der Homöopathieklinik in Lucca. So stellte die
Region Toskana jüngst im Februar 2007 die Alternativ- und Schulmedizin
gleichberechtigt auf eine gesetzliche Grundlage. Sie regelt die Erstattung
durch die Krankenkassen und organisiert ineinandergreifende Therapien. Seit
2003 wird die klinische Erforschung von Alternativmedizin in der Heilkunde
offensiv begleitet. Ebenso ist in der Lombardei rund um Mailand CAM seit 10
Jahren als Regelleistung etabliert.
In anderen Ländern der Europäischen Union steht dies noch aus, müssen
Patienten für alternative Therapien tief in die eigene Tasche greifen. So
zahlen britische Patienten für CAM-Therapien im Wert von 2 Milliarden Euro
750 Millionen davon selbst. In Deutschland werden Naturmedizinpräparate in
Höhe von 2 Milliarden Euro und der gleiche Betrag für CAM-Therapien von den
Krankenkassen erstattet. Aber auch zwischen Potsdam und Passau berappen die
Patienten rund 5 Milliarden Euro für alternative Behandlungen aus dem
eigenen Portemonnaie.
Das "Modell Toskana" sollte nach Meinung des italienischen Weinliebhabers
Willich Schule machen, zugunsten der Patienten in Greifswald wie in
Göteburg. Bis zum geplanten zweiten Europäischen Dialogforum für
Integrative Medizin in Berlin im Jahre 2008 zusammen mit den Vereinten
Nationen kämpfen Hoppe und Willich weiter für Durchdringung von "grüner"
und konventioneller Medizin.
25 Oct 2007
## AUTOREN
Thomas A. Friedrich
## TAGS
Anthroposophie
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