# taz.de -- Handelsabkommen zwischen EU und AKP: Der Freihandelskrieg | |
> Die reiche EU will Freihandel mit den armen Staaten des Südens betreiben. | |
> Vielen Ländern droht der Ruin, wenn sie ihre Märkte öffnen müssen. | |
Bild: Nicht nur sie müssen um ihre Arbeit bangen: Teebauern in Kenia. | |
Ein Handelskrieg droht zwischen den reichsten und den ärmsten Ländern der | |
Welt. Schon Anfang November will die EU mit den 77 afrikanischen, | |
karibischen und pazifischen Staaten (AKP), die mit der EU über | |
Sonderabkommen verbunden sind, Freihandelsabkommen unterschriftsreif haben, | |
die Anfang 2008 in Kraft treten können. Doch dieser Zeitplan ist kaum | |
einzuhalten. Bei den jüngsten Gesprächen, die seit Donnerstag laufen, geht | |
es um gesichtswahrende Kompromisse, die strittige Fragen vertagen. Einzig | |
mit den Staaten der Karibik scheint ein Vertrag bis Jahresende möglich. | |
Bei den sogenannten Economic Partnership Agreements (EPAs) geht es um nicht | |
weniger als die Zukunft der europäisch-afrikanischen Beziehungen. Bislang | |
räumt die EU den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks | |
Sonderkonditionen für Importe nach Europa ein. Anfang 2008 aber läuft die | |
geltende Genehmigung der WTO (Welthandelsorganisation) für diese | |
Sonderregelungen aus. Danach sind nur noch echte Freihandelsverträge | |
erlaubt, bei denen beide Partner ihre Märkte öffnen. Die Entwicklungsländer | |
müssen also ihre Märkte für Europa viel weiter öffnen als bisher. | |
Für Afrika hat das dramatische Folgen, für Europa ist es marginal. 40 | |
Prozent des AKP-Außenhandels findet mit der EU statt, nur drei Prozent des | |
EU-Außenhandels mit den AKP-Staaten. Der Freihandel soll zwar erst 2020 | |
komplett gelten. Aber in vielen Ländern könnte er zum wirtschaftlichen Ruin | |
führen. | |
So läuft im Oktober 2009 die EU-Regelung für Zucker aus AKP-Staaten aus, | |
die diesem in Europa Preise weit über dem Weltmarktniveau sichert. Zwar | |
sollen die EU-Quoten für Zucker aus AKP-Ländern dann von 1,3 auf 2,5 | |
Millionen Tonnen jährlich steigen. Aber die zu erwartenden Preissenkungen | |
dürften viele Zuckerproduzenten in den Ruin treiben, schätzt der britische | |
Ökonom Paul Godison. Von den 18 AKP-Ländern, die derzeit Zucker nach Europa | |
verkaufen, werden nach seinen Prognosen nur fünf übrig bleiben: Swasiland, | |
Mosambik, Malawi, Sambia und Simbabwe. | |
Viele Länder Afrikas fürchten den Zusammenbruch ihrer einheimischen | |
Warenproduktion. Billigeinfuhren von Weizen, Früchten und Fleisch aus | |
Europa ruinieren schon heute afrikanische Bauern. In Kamerun bedurfte es | |
einer zivilgesellschaftlichen Kampagne, damit die Regierung Einfuhrzölle | |
auf gefrorenes Hühnerfleisch aus der EU verhängt, das aufgrund der | |
EU-Exportsubventionen einheimische Hühner vom Markt verdrängte und oft | |
gesundheitsschädlich war. Solche Regelungen dürften ein EPA nicht | |
überstehen. | |
So formiert sich in Afrika breiter Widerstand. Industrielle aus neun | |
Ländern lehnen in einer Petition die EPAs als Gefahr für die "entstehenden | |
und fragilen" Industrien Afrikas ab. In einem offenen Brief an | |
EU-Handelskommissar Peter Mandelson, unterschrieben unter anderem von | |
Fischexporteuren aus Kenia und der Lebensmittelindustrie von Burkina Faso, | |
denunzieren sie, dass die EU die ärmsten Länder "zwingt, sich zwischen der | |
riskanten Öffnung ihrer eigenen Märkte und der Gefährdung von | |
Arbeitsplätzen in ihren Exportbranchen zu entscheiden". | |
In Kenia reichte eine Koalition von Bauern- und Menschenrechtsgruppen diese | |
Woche Klage gegen die Regierung ein und verlangte eine einstweilige | |
Verfügung gegen den Abschluss eines Freihandelsabkommens. Der Wegfall von | |
Zollerlösen werde Kenias Staatseinnahmen einbrechen lassen und daher | |
soziale Grunddienste gefährden, hieß es. "Die EPAs entfernen alle | |
Handelsbarrieren zwischen Kenia und der EU, ohne dass im Gegenzug die | |
Barrieren zur Einwanderung aus Kenia in die EU aufgehoben werden", heißt es | |
weiter. | |
Es ist für Afrika nicht leicht, eine gemeinsame Position zu finden. Zum | |
einen verhandelt die EU nicht mit den AKP-Staaten insgesamt, sondern mit | |
vier Regionalorganisationen des westlichen, östlichen, zentralen und | |
südlichen Afrikas sowie separat mit den Karibik- und den Pazifikstaaten. | |
Zum anderen gelten unterschiedliche Regeln. Die am wenigsten entwickelten | |
Länder - 39 der 77 AKP-Staaten - genießen schon zollfreien Marktzugang zur | |
EU, mussten bislang aber ihre Märkte nicht öffnen. | |
Blockiert sind die Gespräche derzeit mit der Westafrikanischen | |
Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas). Sie verlangt eine mindestens zweijährige | |
Verlängerung der Gespräche. Es wäre "logisch und realistisch", bis Ende | |
2009 weiterzuverhandeln, erklärte die Organisation Anfang Oktober. Viele | |
Länder der Sahelzone sind Baumwollproduzenten, und Europas | |
Exportsubventionen machen den drei bis fünf Millionen Baumwollpflanzern | |
Westafrikas das Leben schwer. Dieses Problem will Westafrika erst geklärt | |
haben. | |
Die EU aber ist strikt gegen eine Verlängerung. "Wir müssen bis 1. Januar | |
2008 zum Schluss kommen", sagte EU-Handelskommissar Peter Mandelson. Er hat | |
vorgeschlagen, zumindest bis Ende Oktober ein Rahmenabkommen abzuschließen | |
- eine ähnliche Einigung gibt es bereits mit den Pazifikländern. | |
Zum größten Gegner der EU entwickelt sich paradoxerweise Europas größter | |
AKP-Handelspartner: Südafrika. Die südafrikanische Regierung sagt, eine | |
Einigung mit der EU sei unmöglich, solange die Europäer auf freien Zugang | |
zu den Dienstleistungsmärkten der Region bestehen - dieser Sektor sei der | |
WTO vorbehalten. Man sei nicht zu einem Deal bereit, der die | |
Entwicklungsprioritäten der Region missachte. | |
Gemeint ist damit, dass es vor allem um besseren Marktzugang für Produkte | |
des südlichen Afrika in Europa gehen müsse. In Afrikas Zukunftsbranchen | |
hingegen, wie Mobilfunknetzwerken und elektronischen Zahlungssystemen, sind | |
südafrikanische Unternehmen derzeit gut positioniert, und daher wollen sie | |
keine weitere Öffnung dieser Sektoren für Europa. Denn die Verträge regeln | |
nicht nur den Handel mit Lebensmitteln und Industriegütern, sondern auch | |
die Behandlung ausländischer Unternehmen. "Die Verwaltungen könnten dann | |
nicht mehr lokale Firmen bevorzugen, auch wenn sie das | |
entwicklungspolitisch für sinnvoll halten", sagt Luisa Bernal vom Genfer | |
South Centre, das die Entwicklungsländer bei den Verhandlungen unterstützt. | |
EU-Handelskommissar Mandelson warf Südafrika Anfang Oktober eine "sehr | |
negative" Rolle bei den EPA-Gesprächen vor. Die Haltung Südafrikas erzeuge | |
"tiefe Spannungen in der Region", sagt ein EU-Unterhändler. Es ist nicht | |
auszuschließen, dass die Region sich jetzt aufsplittert und einzelne | |
Regionalorganisationen eigene Abkommen mit der EU schließen. | |
Kompletter Freihandel, so Kritiker, bevorzugt europäische Produzenten | |
gegenüber afrikanischen. Europas Infrastruktur - ob im Verkehrswesen oder | |
im Finanzsektor - ist viel weiter entwickelter als die Afrikas, was einen | |
Kostenvorteil darstellt. Die afrikanischen Märkte komplett für Europa zu | |
öffnen, ohne dass Afrika ähnliche Produktkontroll- und | |
Zertifizierungsstrukturen wie in Europa bekommt, würde den Markt verzerren | |
und die Verbraucher gefährden. | |
Ein anderes Problem ist, dass Zolleinnahmen eine der wichtigsten | |
Einnahmequellen vieler afrikanischer Staaten sind - bis zu 58 Prozent der | |
gesamten Staatseinnahmen etwa in Guinea-Bissau. Eine Studie der | |
Friedrich-Ebert-Stiftung beziffert die abzusehenden Einnahmeverluste der | |
Regierungen allein in Westafrika im Zeitraum 2008 bis 2017 auf 2,5 | |
Milliarden Dollar. | |
Aus all diesen Gründen fordert Afrika Übergangshilfen aus Europa zur | |
Bewältigung des Freihandels. Bisher bietet die EU Finanzhilfen von zwei | |
Milliarden Euro pro Jahr im Rahmen des Hilfspakets Aid for Trade. Aber | |
diese Woche wurde bekannt, dass die EU-Kommission selbst nur die Hälfte | |
davon beisteuern will. Strittig ist zudem, wer über die Verwendung dieser | |
Hilfsgelder entscheidet. Manche afrikanischen Regierungen wollen darüber | |
alleine bestimmen, die EU will es in den EPAs festschreiben. | |
Die von Westafrika geforderte Verlängerung der EPA-Gespräche ist für die EU | |
nicht akzeptabel. Denn viele Zucker- oder Bananenproduzenten aus Südamerika | |
beispielsweise fühlen sich durch die Vorzugsbehandlung für AKP-Staaten von | |
den EU-Märkten ausgeschlossen. Wenn die AKP-Struktur über 2008 hinaus | |
bestehen bleibt, könnten sie dagegen bei der WTO klagen und eventuell | |
europäische Länder von ihren Dienstleistungsmärkten ausschließen. | |
Inzwischen bringt die EU die Idee eines "EPA light" ins Spiel. Das wären | |
Abkommen, die das Ziel des Freihandels bestätigen, schwierigere Bereiche | |
vertagen. Aber kurzfristig würden EU-Einfuhrzölle für manche afrikanischen | |
Handelswaren steigen. Namibia fürchtet den Einbruch seiner Fleischexporte | |
nach Europa, Kenia und Äthiopien sehen ihren Blumenexport in Gefahr. | |
Viele Afrikaner verlieren nun die Geduld. Sie setzen auf den neuen | |
Handelspartner Asien - oder gar den Handel untereinander. Die EU-Länder | |
wickeln zwei Drittel ihres Außenhandels unter sich ab, die afrikanischen | |
nur zehn Prozent. Senegals ehemaliger Handelsminister Mamadou Diop rechnete | |
kürzlich vor: "Wenn wir da auch nur ein Prozent pro Jahr hinzufügen | |
könnten, würde Afrika daran siebenmal so viel verdienen wie an der | |
jährlichen Entwicklungshilfe." | |
26 Oct 2007 | |
## AUTOREN | |
F. Misser | |
D. Johnson | |
N. Fichtner | |
## TAGS | |
Nigeria | |
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