# taz.de -- Blinky Palermo-Retrospektive: Malen, um Normen zu ermitteln | |
> Er malte und er starb jung. Eine Retrospektive der Kunsthalle Düsseldorf | |
> stellt Blinky Palermos Werk vor, das auf dem schmalen Grat zwischen Bild | |
> und Objekt wandelte. | |
Bild: Zwischen zwei Blinky Palermos: eine Besucherin in der Düsseldorfer Kunst… | |
Blinky Palermo entwickelte seine Kunst innerhalb von fünfzehn Jahren | |
zwischen seinem 21. Lebensjahr und seinem Tod 1977 im Alter von 33 Jahren. | |
Inmitten der Kräftefelder von politischer Aktionskunst, Minimal, Pop und | |
Konzeptkunst und quasi in deren stillem Zentrum arbeitete er mit stoischer | |
Konzentration an einer Art "konkreter" Malerei ohne bildliche Illusionen. | |
"Malerei ist für mich Übersetzung der visuellen und materiellen | |
Wirklichkeit in ästhetische Normen", so Palermo. | |
Konstruktivistisch bemalte Leinwände in den Formensprachen Malewitschs und | |
Mondrians stehen am Anfang dieser Künstlerkarriere, der in der Kunsthalle | |
und im Kunstverein Düsseldorf eine umfangreiche Ausstellung gewidmet ist. | |
Sie ist in Werkgruppen gegliedert, die vor allem die bekannten | |
"Stoffbilder" (ab 1966) sowie die "Metallbilder" (ab 1973) umfassen. | |
Dazwischen tauchen immer wieder "Objekte" in Form von skulpturalen | |
Wandarbeiten auf. Die Übergänge zwischen Malerei und Skulptur sind bei | |
Palermo allerdings fließend, denn auch die Stoff- und Metallbilder sind | |
eigentlich "Objekte", die mit dem Gestus der Malerei experimentieren und | |
umgekehrt. Eine dunkelgrüne Holzlatte von 1969 mit feinen knallroten | |
Außenrändern symbolisiert einen Schmetterling, dessen bunte Flügel | |
geschlossenen sind. Die Arbeit deutet die noch unsichtbare Farbfeldmalerei | |
an, wie sie sich später in den Metallbildern ganz entfalten wird. Die | |
Ambivalenz zwischen Bildhaftigkeit und Objekthaftigkeit tritt besonders da | |
hervor, wo Palermo direkt auf Wände gemalt hat, wie 1970 in der Galerie | |
Konrad Fischer, wo er den zickzackförmig ansteigenden Wandanstrich des | |
Treppenhauses auf die Galeriewand transferierte und die Wand damit selbst | |
zur Kunst werden ließ. Die ortsbezogenen Arbeiten sind verloren und werden | |
in der Ausstellung durch zeichnerische Studien repräsentiert. | |
1962 begann er sein Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Bruno | |
Gollner mit analytischen Betrachtungen von konstruktiven Flächen- und | |
Raumformen. 1964 wechselte er in die Klasse von Joseph Beuys, wo er seine | |
zukünftigen Freunde Imi Knoebel und Sigmar Polke traf und wo er (alias | |
Peter Heisterkamp) wegen seiner Ähnlichkeit mit dem gleichnamigen Manager | |
des Boxers Sonny Liston das Pseudonym "Blinky Palermo" erhielt. Zeitgleich | |
mit der Namensänderung hörte er auf mit figürlicher Malerei und begann | |
ausschließlich abstrakt zu arbeiten. Beuys beschrieb diese Wende als | |
Entscheidung, "sich radikal von seiner Persönlichkeit, auch von seiner | |
eigenen Biografie abzukehren, um quasi eine neue Sache aus der Kunst heraus | |
zu machen". Dabei sei Palermo "hochpolitisch" gewesen, "aber unter der | |
Deklaration einer poetischen Haltung. Also er war politisch-musikalisch, so | |
könnte man sagen. Er verkörperte den Typus des Beatnik in einer etwas | |
späteren Phase. Er hat sich natürlich sehr schnell entwickelt, wie ein | |
schneller Entschluss." | |
Die malerischen Experimente, mit denen er die "ästhetischen Normen" seiner | |
Umwelt ermittelte, waren Ausdruck der Utopie einer durch künstlerische | |
Ordnung bestimmten Welt. Diese Ordnung ist vollkommen unhierarchisch, sie | |
besteht aus reinen Beziehungen zwischen Farbfeldern, Formen und | |
Materialien. In Palermos Ausstellungen ist wichtig, wie die Arbeiten auf | |
der Wand und im Raum verteilt sind, ihre Konstellationen unterliegen | |
strengem künstlerischem Kalkül. | |
1966 fertigte er die erste Stoffbildserie an, von der er ein einziges | |
rosafarbenes Quadrat aus zwei verschiedenen Stoffsorten, die vertikal und | |
mittig aneinander genäht sind, hat überleben lassen. Die meisten | |
zukünftigen Stoffbilder haben einen horizontalen Verlauf. Horizontal sieht | |
man "schneller" als vertikal und es kam ihm auf direkte Wirkung an. Darin | |
gleichen die Stoffbilder den Arbeiten Barnett Newmans, die auf einen Moment | |
der Überwältigung zielen, mehr aber noch denen von Ellsworth Kelly, der | |
seit Anfang der 50er Jahre mit Farbflächen experimentiert. Was sie diesen | |
gegenüber auszeichnet, ist ihre totale Einheit von Flächenstruktur und | |
Farbe. Sie bilden ein einziges Material: Stoff. | |
Die "Metallbilder", die Palermo zwischen 1973 und 1976 in New York | |
entwickelt hat, kehren dieses Prinzip um. Flächiges Aluminium reflektiert | |
wie ein Spiegel und ist damit quasi das Gegenteil von Farbe, die, wenn sie | |
darauf aufgetragen wird, keine Verbindung mit ihrem Trägermaterial eingeht. | |
Die Konturen des Farbauftrags verweisen ausschließlich auf die Materialität | |
der Streichfarbe, die regelrecht vor der Wand schwebt, da sich die | |
"Metallbilder" durch Leisten reliefartig von der Wand abheben. "Über einer | |
weißen Grundierung sind die Aluminiumtafeln mit Acrylfarben bemalt. Meist | |
liegen mehrere Farbschichten übereinander, da sich das ursprüngliche | |
Konzept während des Malprozesses oft verändert und das farbige Bild meist | |
aus einer Farbfolge bzw. aus einem Farbklang besteht, den ich mir bei | |
Beginn der Arbeit nicht ausdenken und vorstellen konnte." | |
Blinky Palermo starb jung infolge exzessiven Alkoholkonsums. Er ist, als | |
einer der Letzten, ganz ohne Ironie ausgekommen und, anders als | |
beispielsweise sein Zeitgenosse Jörg Immendorf, der auf ein Bild schrieb | |
"Hört auf zu malen!", auch ganz ohne Worte. Auf dem Kunstmarkt erscheinen | |
seine Arbeiten nur sehr selten. Man trennt sich wahrscheinlich schwer von | |
ihnen. Vor dem aktuellen Hintergrund des anhaltenden Malereibooms, in dem | |
sich viel zeigt, was einfach, bunt und schnelllebig ist, wirken sie | |
geradezu "zeitlos" und wie massive ästhetische Widerstände. | |
## Bis 20. Januar 2008, Katalog (DuMont Verlag, Köln) 29,80 ¤ | |
30 Oct 2007 | |
## AUTOREN | |
Saskia Draxler | |
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USA | |
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