# taz.de -- Neues Kool Savas-Album: Vom Saulus zum Paulus | |
> Kool Savas, Pionier des harten Berlin-Rap, hat einst den deutschen Hiphop | |
> sexualisiert. Auf "Tot oder lebendig" rappt er gegen Drogen, Gangbang und | |
> verrohte Gefühle. | |
Bild: Seine Reime sind wie "warmer Samen voll ins Gesicht", sagt Savas. | |
Was eine zünftige Rap-Platte sein will, beginnt mit einem Intro. Darin | |
macht der Rapper klar, was Sache ist: dass er zurück ist, dass er der | |
Größte ist, wenn nicht sogar der Allergrößte, und dass der Zuhörer zu Recht | |
auf diese Platte gewartet hat. Weil "Tot oder lebendig" (Optik Records/BMG) | |
eine zünftige Rap-Platte sein will, hat sie auch ein Intro, in dem ein Satz | |
all das zusammenfasst - und dann um eine überraschende Dimension erweitert | |
wird: "Ich bin wieder hier, der King", rappt Kool Savas zur Begrüßung, | |
"euer bester Freund". | |
Nun, dass Savas Yurderi Deutschlands bester Rapper sei, das fand lange Zeit | |
nicht nur der selbst ernannte "King of Rap", sondern auch der Großteil der | |
Experten, die Bildreichtum und Reimfrequenz analysierten. Nur: Savas war | |
zwar schon allerhand, Bürgerschreck und Hassfigur, Liebling der | |
Bundesprüfstelle, vielleicht auch dicker Kumpel - aber ein "guter Freund", | |
also verständnisvoller Zuhörer und Ratgeber für sein meist gerade knapp der | |
Pubertät entwachsenes Publikum, bislang noch nicht. | |
Zuerst einmal betreibt Savas auf "Tot oder lebendig", seinem zweiten | |
Solo-Album, wie von ihm erwartet, die Kunst des Battle-Raps mit Tracks wie | |
"Mona Lisa" in immer noch recht einsamer Höhe mit flinkem Mundwerk und | |
fantasievollen Metaphern. Dazu fährt der mittlerweile von Berlin nach | |
Heidelberg verzogene Rapper das gewohnte Arsenal auf: Mit "Essah" gibt es | |
den üblichen "Ich bin der Größte"-Song, mit "Nur ein Spiel" den | |
Respektier-Rap-Track, von Azad stammt der einzige und erwartbare | |
Gastbeitrag, und natürlich sind immer wieder die unverzichtbaren | |
Porno-Analogien zu hören (seine Reime sind, findet Savas, wie "warmer Samen | |
voll ins Gesicht"). Produziert wurden alle Beats von der langjährigen | |
Kollaborateurin MelBeatz, die sich wieder einmal vornehmlich an den | |
klassischen Vorgaben von der amerikanischen Westküste orientiert und meist | |
den flirrenden, warmen und entspannten Sound des G-Funk zitiert. | |
Die Welt aber hat sich weitergedreht. Im internationalen "game", wie der | |
"player" das zu nennen pflegt, sind die musikalischen Standards längst | |
andere. Und textlich haben im deutschen Rap die Frauenärzte und | |
Orgasmuskönige zwischenzeitlich die Charts erobert. Und nicht nur das: Es | |
sind zwar nur wenige Epigonen, die in der Lage sind, den mittlerweile | |
32-jährigen Savas mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, aber die | |
Kreuzberger von K.I.Z. haben mittlerweile seinen Ansatz, die Sprache | |
durchzusexualisieren, ein paar Umdrehungen weiterbefördert und bis ins | |
Kabarettistische übersteigert. Savas mag mittlerweile seinem eigenen | |
kleinen Label-Imperium vorstehen, aber seine Themen sind Charts-Alltag | |
geworden und Porno-Rap zum von kulturpolitischen Fraktionssprechern | |
diskutierten Mainstream. Reflexartig beklagt er diesen Zustand in "Der | |
Beweis", der ersten Single des Albums: "Muss ich euch wirklich noch was | |
beweisen?", fragt Savas, wohlwissend, dass dieser Zug abgefahren ist und | |
die eigentliche Zielgruppe längst mit anderen Großmäulern feiert. So findet | |
auf "Tot oder lebendig" neben dem von vornherein zum Scheitern verurteilten | |
Versuch, den verlorenen Battle-Thron zu reklamieren, ein zweiter, ungleich | |
interessanterer Prozess statt: Nennen wir es die Selbstfindung eines | |
Rappers. Die allerdings geht weitgehend nicht innerhalb der Wortflut | |
vonstatten, sondern gerade in dem, was nicht gerappt wird: Konsequent | |
verzichtet Savas auf Zuhälter-Analogien und alles, was ihm als Homophobie | |
ausgelegt werden könnte. | |
Stattdessen schwingt sich der bekennende Vegetarier, der unlängst neben | |
Teenie-Star LaFee und Richterin Barbara Salesch sein Gesicht für eine | |
Anti-Cannabis-Kampagne des Landeskriminalamts Baden-Württemberg zur | |
Verfügung stellte, auf zum sozialen Gewissen: In "Krank" rappt er gegen | |
Drogen und Kriege, gegen Konsum und Massenmedien, gegen "Neid und | |
Gefühlskälte", gegen "Arroganz und Ignoranz", die böse Gesellschaft und | |
missgünstige Mitbürger, "gegen Volksverdummung und Rassentrennung", gegen | |
"Überwachen und Mauern", und gegen die (glaubt man mancher Politikerin, von | |
ihm mitverantwortete) Verrohung der Gefühlsbeziehungen unter Jugendlichen: | |
"Mit 13 das erste Mal Gangbang, das ist krank". Wer hätte das gedacht: Kool | |
Savas hat eine neue Nische gefunden und wird womöglich zum Pfarrer Fliege | |
des deutschen Rap. THOMAS WINKLER | |
8 Nov 2007 | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
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