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# taz.de -- Verbot gefordert: Diabetikerprodukte sind sinnlos
> Diabetiker-Produkte aus Supermarkt oder Drogerien sind teuer und können
> sogar schädlich sein. Diabetes-Experten fordern jetzt ein Verbot für die
> Kennzeichnung "für Diabetiker geeignet".
Bild: "Für Diabetiker geeignet", wenn es auf der Packung steht? Experten raten…
Diabetiker werden von Gesunden gern ein wenig bemitleidet. Schließlich
dürfen die Betroffenen doch nicht alles essen, des Zuckers wegen.
Verzichten müssten Diabetiker etwa auf Süßkram oder Alkohol, so das weit
verbreitete Halbwissen. Sonderabteilungen in Supermarkt, Drogerie und
Reformhaus bieten darum spezielle Diätnahrung feil. Hier findet man
Rittersport-Schokolade, Kekse von Bahlsen oder Schneekoppe. Häufig ziert
die Produkte die Aufschrift: "für Diabetiker geeignet" oder
verwirrenderweise "Diät".
Mehr als 100 verschiedene solcher Diabetikerprodukte gibt es. In ihnen
stecken meist anstatt weißem Zucker Fruchtzucker (Fruktose) oder
Zuckeralkohole, die ohne Hilfe von Insulin im Körper verstoffwechselt
werden. Und diese Produkte werden immer noch von Diabetes-Patienten
konsumiert, obwohl Experten schon lange davon abraten.
Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) hat nun gefordert auf europäischer
Ebene die Bezeichnung "für Diabetiker geeignet" zu verbieten, weil solche
Lebensmittel nicht nur unnütz, sondern obendrein schädlich seien.
Schließlich liefern Diätkekse oft Weißmehl, ungünstige Fette und sogar mehr
Kalorien als vergleichbare Produkte. Zudem sind die Diätlebensmittel
erheblich teurer.
"Aber der Markt ist offensichtlich da", so Andreas Pfeiffer, Vorsitzender
des DDG-Ernährungsausschusses, der letzte Woche auch dem
Seehofer-Ministerium eine Stellungnahme zu Diätprodukten vorgelegt hat.
Ein Diabetes mellitus liegt vor, wenn im Blut immer wieder Glukosewerte von
mehr als 127 mg/dl gemessen werden. Man spricht vom Diabetes-Typ-1, wenn
die Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die das Insulin bilden, durch eine
überschießende Immunantwort zerstört worden sind. Diese Patienten können
also kaum Insulin bilden.
Gelangt nun Glukose aus Süßigkeiten, Obst oder Weißbrot in die Blutbahn des
Typ-1-Diabetikers, wird der Energielieferant mithilfe von Insulin in die
Zellen geschaufelt. Fehlt das Hormon, verhungern die Zellen in Muskel oder
Fett. Es kommt zu einem lebensgefährlichen Zuckeranstieg in Blut und Leber.
Darum müssen Typ-1-Diabetiker Insulin spritzen. Die Krankheit lässt sich
durch Ernährung zwar nicht heilen, aber die Menge der benötigten
Medikamente kann stark heruntergeschraubt werden, wenn sich die Patienten
an einige Tipps halten.
Anders beim Typ-2-Diabetiker. Er kann sein Leiden sehr gut therapieren. Vor
allem Übergewicht zählt zu den Hauptrisikofaktoren des Typ-2-Diabetes. Dies
liegt daran, dass das um den Bauch sitzende Fettgewebe Botenstoffe wie
freie Fettsäuren und Entzündungsfaktoren bildet, die eine Insulinresistenz
fördern. Das heißt, die Antennenmoleküle etwa auf Muskelzellen stumpfen ab
und erkennen das Hormon Insulin nicht mehr richtig. Es kommt zu einer
verzögerten Zuckeraufnahme in die Zellen, während im Blut Glukosemoleküle
zirkulieren. Diese Stoffe schädigen gemeinsam mit Fetten die Zellwände und
beschleunigen so Arteriosklerose, Nieren- und Augenschäden.
Ursprünglich nahm man an, dass normaler Haushaltszucker einfach ersetzt
werden müsse, um das Fortschreiten der Krankheit zu verzögern. So
entstanden die Diätprodukte. Allerdings mussten sich Forscher bereits in
den Achtzigerjahren von dieser Theorie verabschieden, da Studien sie nicht
stützten.
Nach neuem Forschungsstand ist Fruktose der Gesundheit von Diabetikern
sogar abträglicher als normaler Zucker, weil sie den Fettstoffwechsel
verschlechtert. "Viel wesentlicher ist eine Gewichtsreduktion", so Hans
Hauner, Ernährungsmediziner an der TU München. Denn wenn die Pfunde
schwinden, verbessert sich die Insulinresistenz - meist sogar stärker als
mit Hilfe von Medikamenten und ohne Nebenwirkungen.
Für alle Diabetiker gilt zudem: Reichlich ballaststoff- und vitaminreiche
Nahrungsmittel, Haushaltszucker in geringen Mengen ist erlaubt,
ungesättigte Fettsäuren aus Ölen und Fisch anstatt gesättigtes Fett und
Alkohol in Maßen. "Ballaststoffreiche Nahrungsmittel verbessern die
Insulinresistenz", so der Berliner Forscher Pfeiffer.
Die Empfehlung generell wenig Kohlenhydrate wie Reis, Mais, Brot oder
Kartoffeln zu essen, die schnell ins Blut gelangen, konnten Studien bislang
nicht untermauern. Darum bezeichnen Experten die auf Diabetikerprodukten
ausgewiesenen Broteinheiten (BE) als irrelevant.
Gesättigte Fette gelten als problematisch, da sie die Blutfette erhöhen und
daher die Blutgefäße Schaden nehmen können. Zudem steigern diese Fette die
Insulinausschüttung. Nicht jede Margarine ist also für Diabetiker geeignet
- sie bestehen je nach Qualität zu einem Großteil aus zwar pflanzlichen,
aber gehärteten Fetten. Auch der vollkommene Verzicht auf alkoholische
Getränke, hat sich in Studien als wenig vorteilhaft erwiesen. Ein Glas Wein
zum Abendessen scheint die Blutzuckerwerte sogar zu verbessern, zeigte
kürzlich eine israelische Forschergruppe.
Je nachdem wie gut die Stoffwechselwerte eines Patienten eingestellt sind,
verschreibt der behandelnde Arzt Insulin oder orale Antidiabetika. "Bei uns
stehen leider die Medikamente in der Diabetesbehandlung zu stark im
Vordergrund", bedauert Hans Hauner. Ernährungstherapien werden selten von
Kassen bezahlt. Aber auch die Patienten ziehen nicht so recht mit, verlangt
eine Ernährungstherapie doch erhebliche Disziplin.
Und wenn dennoch eine Diabetesberatung stattfindet, verläuft sie nicht
unbedingt optimal. "Es gibt zwar heute mehr Diabetiker, die über Ernährung
aufgeklärt worden sind als früher. Aber: Geschult wird häufig noch nach
altem Kenntnisstand", so Monika Toeller vom Deutschen Diabetes-Zentrum in
Düsseldorf. Dies gelte für Diätassistenten genauso wie für Ärzte. Teilweise
werden sogar noch in Kliniken Diabetikerlebensmittel ausgegeben. Aber auch
Krankenkassen, etwa die IKK, bezeichnen auf ihren Informationsseiten im
Internet solche Produkte immer noch als "große Hilfe".
9 Nov 2007
## AUTOREN
Kathrin Burger
## TAGS
FC Bayern München
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