# taz.de -- Schmiergeld von Siemens: Nigeria untersucht deutsche Korruption | |
> Zehn Millionen Euro Schmiergeld sollen von Siemens an Entscheidungsträger | |
> Nigerias geflossen sein. Für Präsident YarAdua ist die Aufklärung eine | |
> Frage der Glaubwürdigkeit. | |
Bild: "Es wird keine heiligen Kühe geben": Präsident YarAdua | |
22. Mai 2004: 70.000 Euro an Nigerias Telekommunikationsminister Cornelius | |
Adebayo. 8. Juli 2002 und 25. August 2003: jeweils 150.000 und 550.000 Euro | |
an Telekommunikationsminister Bello Mohammed. Das sind nur einige Einträge | |
in der Siemens-Korruptionsliste, die das Wall Street Journal am vergangenen | |
Freitag druckte, und sie ist in Nigeria eingeschlagen wie eine Bombe. | |
Parlament und Behörden eines der korruptesten Länder der Welt untersuchen | |
nun Schmiergeldzahlungen aus der sauberen Industrienation Deutschland. | |
Die von der US-Zeitung veröffentlichte Liste stammt aus dem Anhang eines in | |
München am 4. Oktober gefällten Urteils gegen Siemens, als der | |
Elektrokonzern wegen Zahlung von rund 12 Millionen Euro Schmiergeld in 77 | |
Fällen zu einer Geldstrafe von 201 Millionen Euro verurteilt wurde. Von den | |
12 Millionen waren 10 Millionen nach Nigeria gegangen, der Rest nach Libyen | |
und Russland. Immer ging es um Entscheidungsträger im | |
Telekommunikationssektor - darunter in Nigeria vier ehemalige Minister. | |
Bislang waren aber weder die Zahler noch die Empfänger öffentlich genannt | |
worden. | |
Nun stellt sich heraus, wie korrupt die Liberalisierung des nigerianischen | |
Telefonsektors vonstatten ging. Bis vor wenigen Jahren hatte Nigeria nur | |
ein staatliches Festnetz mit 417.000 Anschlüssen für 120 Millionen | |
Einwohner, das fast nie funktionierte. 2001 vergab die Regierung des neuen | |
demokratisch gewählten Präsidenten Olusegun Obasanjo erstmals drei | |
Mobilfunklizenzen an private Anbieter, 2002 ließ es einen privaten | |
Konkurrenten für das staatliche Festnetz zu. Innerhalb weniger Jahre | |
schafften sich mehrere Millionen Nigerianer Handys an - wohl die größte | |
gesellschaftliche Veränderung seit dem Ende der Militärherrschaft 1999. | |
Korruption blühte im Telekommunikationsbereich Nigerias vor allem, nachdem | |
die Regierung die Regulierungskompetenz dafür an die Behörde NCC abgab. | |
2006 wurde die staatliche Telefongesellschaft Nitel teilprivatisiert - das | |
kurz zuvor gegründete nigerianische Unternehmen Transcorp kaufte den | |
Mehrheitsanteil für 500 Millionen Dollar. Da Präsident Obasanjo über eine | |
Stiftung einer der größten Aktionäre von Transcorp sein soll, gilt das | |
Geschäft als zwielichtig. Transcorp hat seitdem in Nigeria noch vier | |
Ölfelder gekauft und staatliche Bauaufträge erhalten. Präsident Obasanjo | |
gab dieses Jahr nach umstrittenen Wahlen die Macht an seinen Protegé Umaru | |
Musa YarAdua ab. Nach außen hin als Mitgründer der | |
Antikorruptionsorganisation Transparency International als Hüter der guten | |
Regierungsführung verehrt, hinterließ Obasanjo im eigenen Land einen | |
anrüchigen Ruf. | |
In einem solchen Umfeld ohne Korruption zu bestehen, ist nicht einfach. | |
Siemens ist seit langem in Nigeria präsent. Über eine Million neue | |
Festnetzverbindungen hat Siemens in den letzten Jahren eingerichtet und | |
moderne Digitaltechnologie eingeführt. Weiter erhielt Siemens im | |
vergangenen Februar den Zuschlag für den Bau des großen Gaskraftwerks | |
Geregu mit einer Kapazität von 414 Megawatt. Solche Aufträge gibt es nicht | |
ohne gute Beziehungen. | |
Für Nigerias neuen Präsidenten YarAdua, dessen Wahl noch immer vor Gericht | |
angefochten wird, ist es nun eine Frage der Glaubwürdigkeit, die Sauställe | |
seines Vorgängers Obasanjo auszumisten. In Reaktion auf den Bericht des | |
Wall Street Journal ordnete er eine umfassende Untersuchung an. Die | |
Antikorruptionsbehörde ICPC nahm offiziell am Montag Ermittlungen gegen | |
alle 27 auf der Siemensliste genannten Personen auf, die Telekom-Ausschüsse | |
beider Parlamentskammern kündigten eigene Untersuchungen an. Jerry Manwe, | |
einer der Ausschussvorsitzenden, drohte einen Ausschluss von Siemens aus | |
der öffentlichen Auftragsvergabe in Nigeria an. Alle Beschuldigten wiesen | |
vorerst alle Vorwürfe zurück. | |
"Es wird keine heiligen Kühe geben, und nichts wird unter den Teppich | |
gekehrt", sagte der Präsident. Im Zuge der Siemens-Affäre soll nun auch die | |
Teilprivatisierung von Nitel neu unter die Lupe genommen werden, dazu alle | |
während der Regierungszeit Obasanjos vergebenen Ölförderlizenzen. Auf | |
Nigerias notorisch korrupte Elite aus schwerreichen Politikern, Militärs | |
und Geschäftsleuten kommen bewegte Zeiten zu. | |
22 Nov 2007 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
Dominic Johnson | |
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Griechenland | |
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