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# taz.de -- Berliner Adventskalender: Spreeweg 1
> Jedes Haus hat eine Nummer. Doch was dahinter steckt, wissen nur wenige.
> Zum Glück gibt es Adventskalender: Da darf man täglich eine nummerierte
> Tür öffnen - und sich überraschen lassen.
Bild: Hausnummer 1, Schloss Bellevue
Was für ein Glück: Ich darf die erste Tür des Adventskalenders öffnen: die
Nummer 1. Spreeweg Nummer 1. Unweit des großen Sterns befindet sich das
Haus; von hier sieht man die Goldelse.
Zu der unspektakulären, zweiflügligen Haustür aus kirschbaumfarbenem Holz
führt eine Freitreppe. Sie wird von Kandelabern flankiert. Vor der
Freitreppe ist ein Rasen, den rechts und links je acht Koniferen zieren.
Sie stehen da wie preußische Soldaten. Zwischen Rasen und Straße wiederum
verläuft ein eisener Zaun, dessen Stangen oben in Speerspitzen enden.
Das Gebäude ist gut bewacht, denn am Spreeweg 1 liegt nicht weniger als
unser Buckingham Palace - das Schloss Bellevue. Drinnen residiert niemand
Geringeres als unsere Queen - Bundespräsident Horst Köhler.
Köhler ist den Menschen zugewandt. Deshalb die Erlaubnis, hinter die gar
nicht so hochherrschaftliche Tür seines präsidialen Domizils blicken zu
dürfen. Als Prinz August Ferdinand von Preußen, der jüngste Bruder des
alten Fritz, das kleine Schloss vor 220 Jahren bauen ließ, hatte er mehr
ans Wohnen, denn ans Repräsentieren gedacht.
Ein Mann, dessen Name sehr kompliziert klingt und der sich weigert, ihn zu
buchstabieren, schließt mir die Tür auf. Nichts knarrt. Salopp und gar
nicht eingeschüchtert steige ich die Treppen hoch zum Schloss Bellevue und
schaue rein. Ich, die Adventstürchenöffnerin. Ich, die Zaunkönigin.
Ein heller Raum - "Lobby", "Eingangshalle", "sala terrena - ebenerdiger
Saal" nennen ihn die Eingeweihten - liegt hinter dem Eingang. Der Blick
fällt durch ihn hindurch direkt zur großen Glastür, hinter der der
Schlosspark beginnt. Flüchtig und leicht wirkt hier alles. Nichts
schüchtert ein. Der Weg nach draußen ist offen. Keine Vorhänge verdecken
die Fenster. Die beiden Säulen, die beiden 24-kerzigen Kronleuchter, die
drei schwarzen Amphoren mit opulenten Blumengestecken geben der Halle eine
lebendige Wärme. Selbst Theodor Heuss und Friedrich Ebert, die von ihren
Gemälden herab die Gartentür flankieren, blicken freundlich. Wer auch immer
diesen Eingang gestaltet hat, hat Maß gehalten: Augenmaß, Blumenmaß,
Farbenmaß, Menschenmaß.
Zwei Möbel stehen im Raum: ein antiker Tisch, ein antiker Stuhl. Wer sich
ins Gästebuch des Präsidenten einträgt, darf daran Platz nehmen. Passend
zur Jahreszeit - aber unpassend, ja gar ein Verrat an der 1 im
Adventskalender - wird gerade ein raumhoher Weihnachtsbaum dekoriert. Einer
der Schlossgärtner hängt silberne Kugeln und Strohsterne daran auf. Sie
sind so groß wie Suppenteller.
30 Nov 2007
## AUTOREN
Waltraud Schwab
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