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# taz.de -- Exbundeskanzler betreibt Wahlkampf für Putin: Im Russlandrausch
> Gerhard Schröder will bei seiner Rede in Stuttgart von
> Menschenrechtsverstößen in Russland nichts wissen. Die Menschen seien
> schließlich von Zar und Stalin noch ganz andere Sachen gewohnt.
Bild: Man sagt, sie habe magische Kräfte: die russische Seele
Natürlich kam sie auch diesmal, die Frage nach dem "lupenreinen
Demokraten". Ob er denn den russischen Präsidenten Wladimir Putin noch
immer so bezeichnen würde, wurde Gerhard Schröder gefragt. Auch jetzt noch,
angesichts der merkwürdigen Entwicklungen in Moskau. Er habe da nichts
zurückzunehmen, antwortete der Exkanzler knapp: "Abschwören? Nix da!"
Besser hätte man Schröders Rede am Donnerstagabend in Stuttgart nicht
überschreiben können. Der SPD-Politiker war auf Einladung des Autobauers
Audi hoch oben in den Fernsehturm gekommen, um vor einigen dutzend lokalen
Unternehmern über die Bedeutung der russisch-europäischen Beziehungen zu
sprechen. In 147 Metern Höhe schlürfte man Champagner, ergötzte sich an
Filetstückchen und Lachshäppchen - und Schröder gab sich als
leidenschaftlicher Russlandfan und Putin-Wahlkämpfer.
Daran können offensichtlich auch die widrigen Umstände der Parlamentswahl
am Sonntag nichts ändern. Im Gegenteil: Angesichts der internationalen
Kritik an Putins Machtfantasien, habe er manchmal den Eindruck, dass "die
Zeiten des Kalten Krieges zurückkehren", begann er. Für viele sei Russland
inzwischen eher Gegner als Freund. "Ich halte diesen Weg für falsch, ja
geradezu für gefährlich."
Geht es um Russland, verfährt Schröder seit langem nach dem Prinzip
größtmöglicher Oberflächlichkeit. So auch in Stuttgart. Zarenzeit, Stalin
und der Kommunismus hätten eben ihre Spuren hinterlassen, erklärte der
Exkanzler, da müsse man mal ein wenig nachgiebig sein. Und trotz
gewöhnlicher "Überreaktion staatlicher Macht" sei Russland verglichen mit
Algerien, Nigeria oder dem Iran ein geradezu vorbildliches Öllieferland.
Auf Kritik an Putins Umgang mit der Opposition, dem zu seinen Gunsten
veränderten Wahlmodus oder den Visaproblemen für internationale Beobachter
wartete man vergeblich. Stattdessen schob er dem Westen den Schwarzen Peter
zu. "Ich bedauere zutiefst, dass die OSZE sich nicht in der Lage gesehen
hat, Wahlbeobachter dorthin zu schicken." Und dann folgte noch die
historische Erklärung: "Für den moralischen Fingerzeig sind wir doch nicht
so ganz geeignet." "Zumindest nur manchmal", hätte Schröder ehrlicherweise
hinzufügen müssen, wenn er sich denn daran erinnert, wie er den USA die
Ablehnung des Irakkriegs einst begründete: Man müsse auch mal an Freunden
und Verbündeten Kritik üben dürfen. Nach einer Stunde verschwand Schröder
zum Abendessen in noch exklusiverer Runde.
Es war in weiten Teilen dieselbe Rede, die er bereits vor zwei Wochen vor
der Quandt-Stiftung gehalten hatte. Die war vor allem deshalb in die
Schlagzeilen geraten, weil Schröder seiner Nachfolgerin Merkel darin
indirekt vorgeworfen hatte, sich in der Außenpolitik von ihrer Biografie
leiten zu lassen - gerade in Bezug auf Russland. Darauf verzichtete er
diesmal. Für außenpolitische Sticheleien zwischen SPD und Union waren
gestern andere zuständig, genauer gesagt ein anderer: Hessens
Ministerpräsident Roland Koch (CDU), der für Außenminister
Frank-Walter-Steinmeier (SPD) nicht gerade freundliche Worte fand.
Steinmeier habe sich mit seiner Kritik an der Chinapolitik Merkels
menschenrechtspolitisch ins Abseits katapultiert. Der Außenminister erwecke
in Russland und China den Eindruck, die Deutschen seien bereit, jede Art
von Geschäften zu machen. "Damit schadet der Bundesaußenminister unserem
Land", sagte Koch. "Ein bisschen albern", konterte SPD-General Hubertus
Heil. Außerdem sei ja "Wahlkampf in Hessen".
1 Dec 2007
## AUTOREN
Veit Medick
## TAGS
Russland
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