# taz.de -- Werbung im Studennetzwerk: Vom StalkerVZ zum StasiVZ | |
> Wer seine Daten im Online-Studentennetzwerk von StudiVZ hinterlegt, | |
> bekommt bald maßgeschneiderte Werbung. Wer die nicht will, darf nicht | |
> mehr mitmachen. | |
Bild: Fundgrube für die Wirtschaft: Das Studentennetzwerk StudiVZ | |
Immer Ärger bei StudiVZ. Denn das Online-Studentennetz ist nicht nur die | |
größte Erfolgsgeschichte des Web 2.0, sondern auch seine verlässlichste | |
Skandalschleuder. Neuester Clou: Die Daten der Nutzer sollen ganz offiziell | |
zu Werbezwecken benutzt werden - und wer nicht mitmacht, fliegt einfach | |
raus. | |
Es ist eine dieser typischen Start-up-Geschichten. Ein paar Studenten | |
gründen ein Internetportal, haben Riesenerfolg und verdienen das große | |
Geld. Es waren zwei Mittzwanziger, Dennis Bemmann und Ehssan Dariani, die | |
im Oktober 2005 die Online-Plattform StudiVZ an den Start brachten. | |
Kritiker meinen, dieses "Studentenverzeichnis" sei ein Klon, eine beinahe | |
exakte Kopie der US-Plattform "Facebook". Denn Usern sind solche Vorwürfe | |
anscheinend egal. Vor allem junge Menschen zwischen 20 und 30 nutzen solche | |
"sozialen Netzwerkseiten", um miteinander in Kontakt zu bleiben oder alte | |
Freunde wiederzufinden. | |
Keine eineinhalb Jahre nach Gründung von StudiVZ kaufte die Verlagsgruppe | |
Holtzbrinck die Seite - für angeblich satte 100 Millionen Euro. Denn was | |
StudiVZ so wertvoll macht, sind vor allem die Daten seiner Benutzer. Diese | |
geben ganz freiwillig sehr viel von sich preis. Musikgeschmack, Hobbys, | |
Nebenjobs, alle diese Informationen sind Teil der Selbstpräsentation auf | |
den Profil-Seiten der Mitglieder. Also eine Goldgrube für Werbetreibende | |
und Datenhändler. Zwar versichert Holtzbrinck, keine Nutzerdaten | |
weiterzuverkaufen, aber man selbst möchte diese Informationen schon | |
verwenden, um Geld zu verdienen. | |
Jetzt soll die Werbung maßgeschneidert auf die Interessen der Nutzer | |
zugeschnitten werden. Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, haben | |
die Betreiber der Seite jetzt die Allgemeinen Geschäftsbedingungen | |
geändert. Bis 9. Januar müssen alle Nutzer dem neuen Text zustimmen. Wer | |
sich weigert, wird aus der schönen neuen Studentenwelt entfernt. | |
Man könnte sich nun fragen, was eigentlich so schlimm ist an der | |
studentischen Datenkrake? Immerhin geben die Nutzer ihr Leben freiwillig im | |
Internet preis und ein Holtzbrinck-Sprecher versichert, Datenschutz sei | |
"das höchste Gut". Die Erfahrungen der letzten Jahre zeichnen allerdings | |
ein anderes Bild: StudiVZ präsentierte sich immer wieder als eine einzige | |
Sicherheitslücke, ein gefundenes Fressen für Hacker und Datensammler. Und | |
Start-up-Gründer Ehssan Dariani verstärkte mit Nazi-Scherzen und peinlichen | |
Partyvideos noch den schmuddeligen Charakter der Seite, die bei Kritikern | |
als "StalkerVZ" verschrien ist. Es ist eigentlich erstaunlich, dass die | |
vielfältigen Skandale und Skandälchen der Plattform nicht längst eine | |
breitere Diskussion um Datenschutz und Datenkontrolle ausgelöst haben. Aber | |
wenn Millionen von Studenten einer allerhöchstens mäßig seriösen | |
Internetseite regelmäßig persönliche Informationen anvertrauen, dann liegt | |
vielleicht der Schluss nahe, dass den jungen Menschen ihre Privatsphäre im | |
Netz irgendwie egal ist. | |
Worauf die meisten von ihnen noch nicht einmal kommen: Natürlich haben auch | |
potenzielle Arbeitgeber einen Internetzugang und ein intensives Interesse | |
am Lebenswandel aussichtsreicher Bewerber. Und so wurden im Laufe des | |
letzten Jahres immer wieder Fälle bekannt, in denen junge Menschen wegen | |
deliriöser Saufbilder in sozialen Netzwerken Job-Absagen erhielten. Selbst | |
der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar warnt mittlerweile davor, | |
persönliche Daten im Internet allzu unvorsichtig herzugeben. | |
Die tiefsitzende Ignoranz weiter Teile der Gesellschaft gegenüber dem | |
Verschwinden der Privatsphäre zeigte sich ja bereits bei den recht | |
verhaltenen und öffentlich wenig wahrgenommenen Protesten zur | |
Vorratsdatenspeicherung. Und als wäre die staatliche Überwachung nicht | |
schon problematisch genug, fördern Millionen von Menschen zusätzlich ihre | |
kommerzielle Durchleuchtung, indem sie Seiten wie StudiVZ intensiv an ihrem | |
Privatleben teilhaben lassen. | |
Wer nach all diesen Zweifelhaftigkeiten seine Mitgliedschaft lieber | |
kündigen möchte, der sollte sich beeilen: Nur nach den alten AGBs kann man | |
seine Informationen völlig entfernen - danach darf Holtzbrinck sogar | |
gelöschte Daten behalten. | |
15 Dec 2007 | |
## AUTOREN | |
Klaus Uhrig | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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