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# taz.de -- Nebensachen aus Delhi: Der teuerste Weg führt nicht immer aus Indi…
> Not macht erfinderisch, und wenn diese Not existenziell ist wie Armut
> oder ein getrenntes Familienleben, überwindet sie auch finanzielle
> Hürden.
Bild: Bettler ohne Fahrkarte, Neu-Delhi
Neben Boottransporten und Containerverstecken, Sportdelegationen und
Tanztruppen, die sich im Gastland plötzlich in nichts auflösen, haben die
indischen Spezialisten für Menschenschmuggel eine neue Verkaufsmethode
entdeckt: Diplomatenpässe. Kürzlich verhaftete die Polizei am Flughafen von
Delhi den Parlamentarier Babubhai Katara, als er mit "seiner" Frau und
"seinem" Sohn ein Air-India-Flugzeug nach Toronto besteigen wollte. Wie
üblich hatte Ehefrau Sharda ihr Gesicht züchtig verhüllt, als sie die
Passkontrollen passierte, und ein roter Dienstpass lässt indische Beamte
eher strammstehen als genau hinsehen. Beinahe hätte es geklappt, und Sharda
Katara wäre von ihrem Gatten ein weiteres Mal auf eine Auslandsreise
mitgenommen worden. Dummerweise hatte diesmal eine Mitreisende ihren Pass
verloren, dies führte vor dem Einsteigen zu Nachkontrollen, und als der
Beamte Sharda Katara nach ihrem Namen fragte, antwortete sie, nervös
geworden, "Paramjit Kaur".
Die echte Sharda lebt in einer Kleinstadt in Gujerat und hat das Land noch
nie verlassen. Ihr Mann dagegen, als Parlamentarier oft in Delhi
beschäftigt, reiste gern und nahm jeweils andere "Ehefrauen" und "Söhne"
mit in die Welt hinaus. Sie stammen meist aus dem Punjab, dessen Bewohner
am liebsten alle "Non-resident Indians" wären. Sein Sekretär identifizierte
über Reiseagenten willige Kandidaten, ließ sich eine Vorauszahlung geben,
während Katara den Hauptbetrag am Reiseziel kassierte. Paramjit Kaur hatte
sich zur Zahlung von 3,5 Millionen Rupien (rund 61.000 Euro) bereit
erklärt, dem 25-Fachen des Jahreseinkommens eines Durchschnittsinders. Sie
traf den Abgeordneten am Flughafen, dieser händigte ihr und dem "Sohn" die
Pässe aus (sie waren vom Sekretär bereits im Voraus abgestempelt worden),
und gemeinsam segelten sie durch die Polizeikontrollen. Doch es war Frau
Kaur offenbar nur eingebläut worden, ihren Schleier vors Gesicht zu ziehen.
Das Auswendiglernen des Namens "Sharda" wurde versäumt, schließlich hatte
es früher immer geklappt.
In den vergangenen drei Jahren sind über 4.000 Ausreisewillige beim
Verlassen des Landes mit falschen Papieren erwischt worden. Interessant
wäre jedoch die Feststellung der Dunkelziffer, denn sie dürfte laut Meinung
von Konsularbeamten ausländischer Botschaften ein Vielfaches davon
erreichen. Ein Indiz ist die Zahl der 404 Reiseagenten, die im gleichen
Zeitraum verhaftet worden sind. Die Seeroute dürfte immer noch Tausende
illegal ins Ausland bringen, vor allem Leute, die sich nicht wie Paramjit
Kaur und "ihr" 15-jähriger Sohn Amarjit - die beiden trafen sich am
Flughafen zum ersten Mal - so hohe Schlepperkosten leisten können. Die
meisten hoffen, im Ausland Armut und Schuldknechtschaft zu entgehen, und
sie verschulden sich für die Reisepauschale noch tiefer. Wer ein bisschen
besser gestellt ist, versucht den regulären Weg über ein Touristenvisum und
taucht dann, einmal angekommen, ab oder beantragt Asyl. So ist es wenig
verwunderlich, dass reisewillige Inder inzwischen nicht nur Pass und
Retourbillett einreichen müssen, sondern noch eine persönliche Einladung,
eine Bankgarantie und eine internationale Reiseversicherung. Doch Papier
ist geduldig und lässt sich fälschen. Die Pässe von Frau und Kindern, die
Katara jeweils unbegleitet von seinen Dienstreisen zurückbrachte, trugen
wundersamerweise alle einen indischen Wiedereintrittsstempel.
23 Apr 2007
## AUTOREN
Bernard Imhasly
## TAGS
Reiseland Indien
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