Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Pilger in Indien: Ausgang für Elefantendamen
> Wenn im November die Pilger an den Ganges strömen, versinkt Sonepur im
> Chaos. Für zahlungskräftige Ausländer baut die Tourismusbehörde ein
> Bambushütten-Camp auf.
Bild: Geschmückte Elefanten
Schon vor Sonnenaufgang beginnt die Massenwanderung zum Fluss. Bäuerinnen
in knallbunten Saris, Babys auf dem Arm, ganze Großfamilien vom Kleinkind
bis zum Greis. Viele balancieren ihr Gepäck in einem Bündel auf dem Kopf,
andere tragen es an einem Stock über der Schulter. Am Ufer stimmt eine
Gruppe fromme Gesänge an, während sich einige Pilger ins eiskalte Wasser
tasten. Nachdem der erste Schock überwunden ist, tauchen sie unter, um sich
von Sünden reinzuwaschen. Anschließend falten sie die Hände vor der Brust
und beten zur aufgehenden Sonne.
Plötzlich schreckt lautes Trompeten die Zuschauer auf. Wie von Geisterhand
bewegt teilt sich die Menge und zwei mächtige Elefanten trotten im
Laufschritt zum Fluss, offensichtlich in der Absicht, ebenfalls ein Bad zu
nehmen. Sie werden von einem Pfleger geführt, hier Mahaut genannt. „So ein
Elefant, das ist nur was für wirklich reiche Leute“, lässt uns ein in
schneeweiße Tücher gekleideter Besucher wissen, der sich als Umesh Kumar
Yadav vorstellt. „Bedenken Sie, ein ausgewachsenes Tier kostet so viel wie
ein Mittelklasseauto. Es braucht Pfleger und frisst täglich 200 Kilo
Grünzeug. Und es lässt sich nicht mal eben Gassi führen!“
Im Licht der aufgehenden Sonne schimmert der Gandak-Fluss wie flüssiges
Gold. Hölzerne Nachen setzen Pilger auf eine Sandbank über. Das Ufer ist
von einem bunten Meer erwartungsfroher Gottessucher überschwemmt, laut
schnatternd und rufend, stets in Bewegung. Mittendurch schieben sich
kolossale Elefantenleiber gemächlich ins labende Wasser. Der Mahaut kann
sich des Interesses hunderter von Schaulustigen sicher sein, wenn er das
Tier mit Wasser bespritzt und mit einem Stein abschrubbt. Elefanten und
Menschen friedlich vereint beim Bad im Fluss. Ein Bild aus Zeiten, als wir
noch mit der Natur in Frieden lebten!
Ein harter Schlag in den Nacken weckt mich aus meinen Tagträumen. Es
beginnt wie verrückt zu Jucken. Laut fluchend springe ich im Dreieck. Aber
auch mit heftigem Wischen ist dem Übel nicht beizukommen. Aufgeschreckt
durch mein Gezeter erklärt ein freundlicher Zeitgenosse, es müsse sich um
ein aus einer Pflanze hergestelltes Juckpulver handeln. Hiesige
Diebesbanden würden es einsetzen, um ihre Opfer abzulenken. Rasch taste ich
meine Taschen ab, es scheint nichts zu fehlen. Dann rät ein schlauer Bauer,
zu einem Gegenmittel: Elefantenscheiße. Ohne Zögern greife ich in den
nächsten Dunghaufen und streiche mir die feuchte Masse ins Genick. Es
wirkt. Der Juckreiz lässt spürbar nach. Nun muss ich nur noch den
Elefantenmist loswerden.
Überfüllte Züge, verstopfte Straßen, nervöse Polizisten - wenn im November
die Pilger zur Mela strömen, versinkt der kleine Ort Sonepur im Chaos. Es
gibt in der Stadt kein einziges Hotel, doch in diesen Tagen beherbergt sie
hunderttausende. Händler richten sich wochenlang in komfortablen Wohnzelten
ein. Bauern aus nah und fern übernachten in einfachen Baracken oder im
Freien am Lagerfeuer. Für zahlungskräftige Ausländer baut die
Tourismusbehörde ein Camp mit Bambushütten auf. In diesem Jahr zählte der
Manager Mukesh dort ganze 44 Gäste, aber: „In guten Jahren können es bis zu
einhundert sein!“
Mit dem Flugzeug waren wir in Patna gelandet, der Hauptstadt von Bihar, dem
ärmsten und korruptesten Staat Indiens. Aber Bihar ist auch das Stammland
der ersten indischen Großreiche und das Wirkungsfeld des historischen
Buddha. Ein Taxi bringt uns in einer Stunde von Patnas Zentrum nach
Sonepur, einer unscheinbaren Kleinstadt am westlichen Ufer des
Gandak-Flusses kurz vor dessen Mündung in den Ganges. Seit dem 17.
Jahrhundert wird hier alljährlich eine Mela gefeiert, ein Pilgerfest mit
Jahrmarkt. Der angeschlossene Viehmarkt soll der größte in Asien sein. Hier
werden Papageien, Schlangen, Ziegen, Kühe und Wasserbüffel, Kutschen- und
Reitpferde zum Kauf angeboten - und Elefanten.
Beim Frühstück im Touristencamp lerne ich Moish, den Weltreisenden und
Maler aus Israel kennen. Wir beschließen, gemeinsam zum Fluss zu
schlendern. In einem Bambuswäldchen, wo es nach Pferdemist duftet, bietet
man uns Ponys zum Schleuderpreis von umgerechnet 500 Euro an. Bald umgibt
uns das laute Grunzen von Wasserbüffeln. Inmitten der urig anmutenden
sanften Riesen feilschen Händler und Bauern lautstark um die Wette. Eine
Menschentraube macht uns auf einen Schlangenartisten aufmerksam, der eine
Kobra vorführt und dabei gruselige Geschichten erzählt. „Ich bin total
überrascht, wie aufgeschlossen und natürlich die Menschen hier sind“, sagt
Moish, der Weltenbummler. „Ich komme gerade aus Pushkar in Rajasthan, wo
zur selben Zeit der berühmte Kamelmarkt stattfindet. Der Touristennepp dort
ist kaum zum Aushalten. Hier dagegen wird man kein bisschen angemacht.
Sonepur ist eine echte Alternative!“
Am Ufer des Gandak-Flusses steht der unscheinbare Hariharnath-Tempel, der
dem Hindu-Gott Shiva geweiht ist. Von hier erstreckt sich ein Hain mit
Mangobäumen einen halben Kilometer am Ufer entlang bis zur Eisenbahnbrücke.
Im Schatten alter Bäume stehen an die 70 Elefanten, mit schweren
Eisenketten an allen Vieren angepflockt. Mahauts sitzen zu ihren Füßen in
einem Haufen Zuckerrohr. Sie brechen die süßen Stangen in unterarmlange
Stücke und binden ein halbes Dutzend davon zu einem Bündel. Sobald sie das
Zuckerpaket in die Höhe halten, greift ein gelenkiger Rüssel danach und
stopft es in ein unscheinbares Maul. Wir beobachten einen Mahaut, der
„sein“ Tier mit Öl einreibt, sodass die kaum behaarte Elefantenhaut schwarz
glänzt. Mit Kreide trägt er bunte Ornamente um die Augen und auf die Stirn
auf. Marketing für eine Elefantendame.
Es dauert nicht lange, bis wir dem freundlichen Herrn im weißen Wickeltuch
begegnen. Unser Verdacht bestätigt sich: Umesh Kumar Yadav besitzt drei
Elefanten und außerdem mehr als zehn Hektar fruchtbares Ackerland. „Ich
halte nur zum Spaß Elefanten. Gerne leihe ich sie für religiöse Zeremonien
und Hochzeiten aus. Viele Menschen glauben, Elefanten vermitteln göttlichen
Segen“, grinst der Großgrundbesitzer.
Wie denn die Geschäfte laufen, will ich wissen und ernte erstaunte Blicke.
„Um Himmels Willen, ich verkaufe keine Elefanten. Die Forstbehörde hat das
doch verboten. Früher kauften skrupellose Leute Elefantenbullen, um sie zu
töten und das Elfenbein zu verhökern. Daher darf man keine Elefanten
verkaufen, aber verschenken kann man sie“, merkt Yadav verschmitzt an. Was
er denn als Gegengeschenk erwarte, frage ich ihn. „Gar nichts, absolut gar
nichts.“ Yadav bricht in schallendes Gelächter aus.
Von einem Insider erfahren wir, dass Jungtiere mit umgerechnet 10.000 Euro,
ausgewachsene Elefanten mit über 15.000 Euro gehandelt werden - schwarz
natürlich. Vor vier Jahren waren die Preise hier nur ein Viertel so hoch.
Offensichtlich sind Elefanten eine lohnende Geldanlage. Herr Yadav kann das
bestätigen!
11 Mar 2006
## AUTOREN
Rainer Hörig
## TAGS
Reiseland Indien
Elefanten
## ARTIKEL ZUM THEMA
EU will Elfenbeinhandel nicht stoppen: Gar nicht elefantastisch
Eigentlich ist Elfenbeinhandel verboten, uneigentlich gibt es viele
Ausnahmen. Brüssel will daran nichts ändern. Das düpiert viele Staaten in
Afrika.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.