# taz.de -- Prozesskostenhilfe: Armen soll das Klagen schwerer fallen | |
> Die Prozesskostenhilfe erleichtert Einkommensschwachen den Gang vor die | |
> Gerichte. Weil die Kosten steigen, wollen CDU-geführte Bundesländer den | |
> Zuschuss kürzen. | |
Bild: Richter und die Opposition warnen vor einem Zweiklassenrecht | |
BERLIN taz Für Bedürftige ist sie oft die einzige Möglichkeit, zu ihrem | |
Recht zu gelangen: die sogenannte Prozesskostenhilfe. Weil die Ausgaben für | |
den Zuschuss vor Gericht steigen, wollen CDU-geführte Bundesländer die | |
Hilfe nun allerdings drastisch einschränken. Ein entsprechender | |
Gesetzentwurf wird derzeit im Rechtsausschuss des Bundestages behandelt - | |
und ist dabei auf heftige Kritik gestoßen. | |
"In erschütternder Weise verfassungswidrig", sei die Initiative, krisitiert | |
die Neue Richtervereinigung, ein Zusammenschluss von RichterInnen und | |
StaatsanwältInnen. Dem einkommensschwachen Teil der Bevölkerung solle die | |
"grundsätzlich gewährleistete Rechtsschutzmöglichkeit genommen werden". Die | |
Initiative war von Niedersachsen und Baden-Württemberg 2006 in den | |
Bundesrat eingebracht worden und wurde dort mit CDU-Mehrheit verabschiedet. | |
Dass Menschen trotz eines geringen Einkommens ihr Recht vor Gericht | |
erstreiten können, ist ein Grundsatz des deutschen Rechtsstaates. Kritiker | |
befürchten, dass sich dies nun ändern könnte. "Zweierlei Recht für | |
Bemittelte und Unbemittelte" könne entstehen, warnt der Deutsche | |
Richterbund. Und auch FDP, Grüne und Linkspartei kritisieren das Vorhaben. | |
Selbst die Bundesregierung äußert verfassungsrechtliche Bedenken und sieht | |
den gleichberechtigten Zugang zu den Gerichten gefährdet. Dennoch sollen | |
die "sinnvollen Vorschläge" aus dem Bundesratsentwurf umgesetzt werden. | |
Etwa, dass Verbesserungen der Einkommenssituation unaufgefordert mitgeteilt | |
und mutwillig angestrengte Prozesse von vornherein nicht unterstützt werden | |
sollen. Dabei prüfen dies die Gerichte bereits jetzt und gewähren die Hilfe | |
nur, wenn gute Aussichten bestehen, einen Prozess auch zu gewinnen. Dafür | |
müssen auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse offengelegt werden. | |
Zwar sollen Hartz-IV-Empfänger auch weiterhin Unterstützung ohne eine | |
Eigenbeteiligung erhalten. Geringverdiener sollen die gewährte Hilfe für | |
Anwalts- und Prozesskosten aber künftig komplett zurückzahlen, wenn sie | |
mehr als 450 Euro von ihrem Monatseinkommen übrig haben - nach Abzug von | |
Miete und Heizkosten. Bisher liegt diese Grenze bei 555 Euro. | |
Mit dem Entwurf sollen auch die Freibeträge für Partner ohne eigenes | |
Einkommen von 382 auf 291 Euro, für Kinder von 267 auf 218 Euro sinken. | |
Außerdem soll der Prozessgewinn "bedingungslos" für die Rückzahlung der | |
Hilfe eingesetzt werden. Jemand, der etwa vor dem Sozialgericht auf höheres | |
Arbeitslosengeld I geklagt und Recht bekommen hat, soll künftig mit der | |
erstrittenen Summe die Prozesskostenhilfe zurückzahlen müssen. | |
Begründet wird das Vorhaben mit gestiegenen Kosten. Nach Angaben des | |
niedersächsischen Justizministeriums sind die Ausgaben für die | |
Prozesskostenhilfe seit 1998 um 40 Prozent von 261,7 auf 361,8 Millionen im | |
Jahr 2005 gestiegen. Schuld daran sei zunehmender Missbrauch. Mit dem | |
Gesetz wollen die Länder 100 Millionen Euro jährlich einsparen. Nach dem | |
Vorbild der Praxisgebühr in der Krankenversicherung soll dazu auch eine | |
Gebühr von 50 Euro dienen. | |
Kritiker argumentieren, es gebe keine verlässlichen Zahlen zum Missbrauch. | |
Außerdem fehle eine Analyse zu den Gründen für die gestiegenen Kosten. Die | |
ließen sich nämlich auch so erklären: 2004 wurden die Anwaltsvergütungen | |
per Gesetz angehoben. Generell hat die Zahl der Bedürftigen zugenommen. | |
Dazu kommt die gestiegene Zahl von Verfahren vor Sozialgerichten: Rund | |
80.000 Klagen allein zu Hartz IV wurden laut Bundesarbeitsministerium im | |
letzten Jahr eingereicht. | |
23 Dec 2007 | |
## AUTOREN | |
Jan Piegsa | |
## TAGS | |
Leutheusser-Schnarrenberger | |
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