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# taz.de -- Jagd - nur mit der Kamera: Wal in Sicht und im Bild
> Ob Pott-, Zwerg- oder Buckelwal: Auf den nordnorwegischen
> Vesterålen-Inseln gehen Touristen auf Waljagd - mit ihrer Fotokamera. Die
> Walsafaris gehören zu den beliebtesten Touristenattraktionen. Die
> Besucherzahl steigt stetig
Bild: Schwertwal (Orca) vor Norwegens Nordküste
Geschäftsführer Erwin Fulterer ist zufrieden. Seine Kunden schicke er mit
"der Erinnerung an ein einmaliges Erlebnis" nach Hause, gesteht er im
Gespräch. Denn der Direktor der Hvalsafari AS weiß, wie er seine Kundschaft
glücklich machen kann: "Sie müssen möglichst viele Wale zu Gesicht und vor
allem vor die Kamera bekommen. Als Trophäe für daheim."
Von Andenes aus, einer Ortschaft auf den nordnorwegischen Vesterålen-Inseln
gelegen, erreicht man in zwei Stunden Schifffahrt den Kontinentalsockel. In
dieser nährstoffreichen Meeresregion halten sich besonders gerne Wale auf.
Nirgends sonst in Europa hat man die Gelegenheit, so große Wale so nah an
der Küste zu beobachten. Die Wahrscheinlichkeit, diese riesigen
Meeressäuger zu entdecken, ist nirgends in Europa so hoch: In Andenes liegt
die Erfolgsquote immerhin bei 95 Prozent.
Eine Biologiestudentin, die hier am Nordwestende Europas Touristen auf
Walsafaris begleitet, erzählt, dass man hauptsächlich Pottwale zu Gesicht
bekommt. Doch neben den bis zu 20 Meter langen Pottwalen leben hier auch
Buckelwale, Schwertwale, Zwergwale, aber auch verschiedene Delfinarten.
"Allein im Nordatlantik gibt es an die 100.000 Zwergwale", erklärt die
Studentin, weist aber sogleich darauf hin, dass die Touristen solche Tiere
auf den Wal-Ausfahrten nur selten zu sehen bekommen. Das liegt daran, dass
die bis zu neun Meter langen Zwergwale nur für wenige Sekunden an der
Wasseroberfläche auftauchen, um wieder in der Tiefe des Meeres zu
verschwinden. Im Gegensatz zu ihren größeren Vettern in Norwegen dürfen sie
gejagt werden. Eine Tatsache, die dem Land bei Umweltschützern im Ausland
einen schlechten Ruf eingehandelt hat.
Die "Whale Watchers" auf den norwegischen Walfang angesprochen, geben sich
wortkarg. Nur einer der Wissenschaftler der Forschungsstation äußert sich,
wenn auch nur vage: "Wir hier sind natürlich neutral", sagt er lächelnd.
Dann fügt er hinzu, dass nach seiner Ansicht die Kritiker im Ausland
herzlich wenig über den Walfang wüssten. Deswegen verfehlten sie mit ihren
Argumenten meist das Ziel.
Erst 1988 begann man in Andenes mit den Touristenfahrten. Denn damals ging
den Forschern das Geld aus und sie konnten sich die Fahrten aufs Meer nicht
mehr leisten. Deshalb begannen sie Touristen auf die Beobachtungsfahrten
mitzunehmen. Damals, 1988, fuhren lediglich 375 Interessierte mit, heute
sind es bereits jährlich über 15.000 Menschen. Das Angebot kommt an. Die
Walsafaris gehören zu den beliebtesten Touristenattraktionen in
Nordnorwegen.
"Es wird dringend empfohlen, diese zwei Tabletten einzunehmen", ermahnt die
Führerin in gebrochenem Deutsch. Diese Medikamente seien hilfreich gegen
Seekrankheit. Während der ersten zwei Stunden der Ausfahrt konzentrieren
sich die meisten Passagiere darauf, ihren Mageninhalt bei sich zu behalten.
Die Mutigen holen sich Tee und Gebäck - schließlich ist das im Preis
inbegriffen. Die Vorsichtigen verzichten auf Speis und Trank, sitzen etwas
verkrampft auf ihren Plätzen und blicken zum Horizont. Dieses Verhalten
soll angeblich gegen aufkommende Seekrankheit helfen. Auf einmal weckt ein
Schrei vom Ausguck sowohl Teetrinker als auch die Meditierenden auf: "Hval,
hval", schallt der Ruf über das Boot. Helle Aufregung überall. Die
Wal-Touristen versuchen, mit Kameras bewaffnet, so schnell wie möglich an
die Reling zu gelangen. Stolpern übereinander. Bei 100 Leuten ist es nicht
einfach, auf dem kleinen Boot einen geeigneten Platz zum Fotografieren zu
ergattern. Eine Fontäne schießt in etwa 300 Meter Entfernung in die Höhe.
An der "Blasrichtung" des Strahls erkennen Sachkundige angeblich die
Walart. Die Führerin erklärt, dass es sich um einen Buckelwal handelt. Dies
sei ein Glückstag, denn einen solchen Wal sehe man hier nicht alle Tage.
Die Fotoprofis mit ihren 500-mm-Objektiven haben den Wal einigermaßen gut
aufs Bild bekommen. Bald darauf trifft das Touristenschiff auf einen
Schwarm Weißnasendelfine, die eine Weile neben dem Boot mitschwimmen. Nach
einiger Zeit hat jeder Tourist seinen Delfin im Kasten - auch die
Reisegäste ohne Teleobjektiv. Dann senkt sich die euphorische Stimmung: Die
"Action" auf dem Meer lässt nach.
Aber auf dem Rückweg erscheint im Blickfeld der Bootsinsassen doch noch der
berühmte Pottwal. "Dort drüben", ruft der Guide, und so, als sei dies der
Startschuss für einen Hundertmeterlauf, stürzen sich die Wal-Touristen
erneut zur Reling. Der Pottwal scheint zu wissen, dass er die
Hauptattraktion der Fahrt ist, und lässt das Schiff bis auf 30 Meter
herankommen. Jetzt klicken die Kameraverschlüsse wie wild. Nach etwa einer
Minute wird es dem Wal dann zu dumm: Er winkt zum Abschied mit seiner
riesigen Schwanzflosse in die Kameraobjektive der begeisterten Touristen.
Diese nehmen, wie von Fulterer versprochen, "die Erinnerung an ein
einmaliges Erlebnis" mit nach Hause.
25 Dec 2007
## AUTOREN
Rasso Knoller
## TAGS
Reiseland Norwegen
Schwerpunkt Artenschutz
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