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# taz.de -- Neapel versinkt im Müll: Kampf um jede Deponie
> Seit Wochen lagert der Abfall in der Stadt, eine Lösung des Problems ist
> nicht in Sicht. Die Camorra verdient damit gut.
Bild: Den NeapolitanerInnen steht's bis zum Hals.
ROM taz Nur acht Monate nach der letzten Müllkrise ertrinkt Neapel wieder
einmal im Abfall. Seit nunmehr fast drei Wochen ist im gesamten
Ballungsraum der Millionenstadt ebenso wie in der angrenzenden Provinz
Caserta die Abfallbeseitigung völlig zum Erliegen gekommen. Mittlerweile
sammeln sich 150.000 Tonnen Abfall in stinkenden Haufen an den
Straßenrändern.
Die Müllmänner haben die Zwangspause eingelegt, weil - wie in allen
regelmäßig wiederkehrenden Müllkrisen zuvor - sämtliche Deponien der Region
heillos überfüllt sind, während sich die Anwohner möglicher neuer
Müllkippen gegen deren Öffnung sperren. In diesen Tagen rebelliert der
Vorort Pianura am westlichen Stadtrand von Neapel; dort wird gerade unter
dem Schutz hunderter Polizisten ein altes Deponiegelände wieder
hergerichtet. Die Bürger Pianuras organisierten Sitzblockaden, während
vermummte jugendliche Demonstranten - laut Polizei Hooligans und Angehörige
des kriminellen Milieus der Stadt - die Schlacht mit Steinwürfen ebenso wie
mit Brandsätzen gegen Busse führten.
Die Deponie Pianura wird wohl in den nächsten Tagen eröffnet werden und
Neapel erneut für einige Monate Luft verschaffen. Eine wirkliche Lösung des
seit 14 Jahren herrschenden Müllnotstandes ist damit aber nicht in Sicht.
Michele Bonomo, Vorsitzender des kampanischen Regionalverbandes der
Umweltorganisation Legambiente, weist darauf hin, dass der Region ein
geschlossener Müllkreislauf fehlt: So gibt es keine einzige
Verbrennungsanlage, während Kampanien und Neapel auf Mülltrennung und
Recycling fast völlig verzichten.
Der Wahnsinn hat Methode: Seit Jahrzehnten hat die Region ein Müllproblem -
zugleich aber ist der Müll für die Politik, für die Wirtschaft, für die
Camorra - die Mafia von Neapel - ein mehr als einträgliches Geschäft. Denn
der italienische Staat lässt sich die Dauerkrise Milliardensummen kosten,
die in Müllentsorgungskonsortien, in neues Gerät, in den Ankauf von Gelände
für Deponien fließen. Das bringt politisch hochwillkommene Arbeitsplätze
und so manches schöne Geschäft, auch für die Camorra. Die ist oft genug
beim Fuhrgeschäft dabei, oder sie kauft billig Äcker auf, die der Staat
dann ein paar Wochen später teuer als Mülllagerplatz erwirbt.
Vor allem aber verdient die Camorra mit einem zweiten Müll-Business. Sie
entsorgt in Kampanien zu Schleuderpreisen hochgiftige Industrieabfälle aus
ganz Italien, illegal natürlich, durch simples Verbuddeln im Erdreich.
Kampanien wurde so zu einer flächendeckend verseuchten Region; dies auch
erklärt das hohe Misstrauen der Bürger gegen staatliche Pläne zur
Errichtung neuer Deponien oder Müllverbrennungsanlagen. Roberto Saviano,
der mit "Gomorrha", seinem Buch über die Camorra, im letzten Jahr Furore
gemacht hatte, rechnete jetzt in der Zeitung Repubblica vor, dass
Kampaniens Bürger bei Leber- oder Lungenkrebs ebenso wie bei Missbildungen
Neugeborener ein weit über Italiens Durchschnitt liegendes Risiko haben.
Jetzt aber soll mit Kampaniens Müllkrise endgültig Schluss sein. Nachdem
Staatspräsident Giorgio Napolitano den Notstand zur "Tragödie" erklärt
hatte, reagierte Regierungschef Romano Prodi umgehend - mit der verwegenen
Erklärung, das Problem werde "ein für alle Mal" beseitigt.
7 Jan 2008
## AUTOREN
Michael Braun
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