# taz.de -- Die Müllkrise von Neapel: Randale hilft deutschen Entsorgern | |
> Der Abfall aus Neapel wird nach Leipzig und Bremerhaven gebracht. Prodi | |
> spricht von "Zügen der Schande" - aber ohne sie kommt er nicht aus. | |
Bild: Was hier noch auf den Straßen Neapels liegt, wandert demnächst in NRW u… | |
ROM taz Zwischen 100.000 und 150.000 Tonnen Müll haben sich in Neapel und | |
in Kampanien mittlerweile auf den Straßen angesammelt. Laut dem | |
italienischen Fernsehen könnte daraus ein Wolkenkratzer von 138 Meter Höhe | |
gebaut werden. Doch die Regierung Romano Prodi setzt auf andere Lösungen: | |
Die anderen italienischen Regionen sollen den Müll abnehmen. Sardinien | |
zeigte sich sofort bereit; am Donnerstagabend lief im Hafen von Cagliari | |
das erste Müllschiff mit 500 Tonnen an Bord ein. | |
Doch sardische Separatisten sowie die Rechtsparteien des Berlusconi-Lagers | |
hatten schon im Hafen eine Protestdemo organisiert, deren Teilnehmer sich | |
Schlägereien mit der Polizei lieferten. Und erneut gab es in der Nacht zu | |
Samstag schwere Ausschreitungen, als etwa 2.000 mit vollen Mülltüten, | |
Steinen und Knallkörpern bewaffnete Demonstranten vor die Villa des | |
Gouverneurs von Sardinien, Ranto Soru, gezogen waren, um gegen die | |
Verbrennung kampanischen Mülls in Sardinien zu protestieren. | |
Unproblematisch läuft hingegen auf den ersten Blick der Müllexport nach | |
Deutschland. Zwei Züge mit je gut 500 Tonnen rollen täglich über den | |
Brenner nach Bremerhaven und Leipzig. Die Geschäftsverbindung entstand | |
lange vor der letzten Müllkrise in Neapel. Im April 2001 richtete der noch | |
amtierende Gouverneur der Region Kampanien, Antonio Bassolino, ein | |
Nothilfeersuchen an die NRW-Landesregierung. Die wurde gerne tätig: In | |
Deutschland liefen die Müllverbrennungsanlagen schließlich mit Unterlast. | |
So kam die Remondis aus dem westfälischen Lünen ins Geschäft. Erst wurde | |
der kampanische Unrat in NRW verbrannt, gegenwärtig wird die Anlage in | |
Bremerhaven genutzt. Zum Umfang des Geschäfts, zu den gezahlten Preisen | |
will Remondis-Sprecher Michael Schneider sich nicht äußern, er sagt nur, | |
dass "weit unter 1.000 Tonnen" täglich eintreffen. Das wäre dann eben ein | |
Zug mit etwa 550 Tonnen. Die Preise sind auch in Italien Geheimsache; ein | |
Manager der für Mülltransporte zuständigen Staatsbahn-Tochtergesellschaft | |
Ecolog spricht unter dem Schutz der Anonymität von 170 bis 200 Euro pro | |
Tonne, allerdings inklusive Transportkosten. | |
Das zweite Reiseziel in Deutschland ist die Deponie Cröbern vor den Toren | |
Leipzigs. Dort errichtete die Westsächsische Entsorgungs- und | |
Verwertungsgesellschaft (WEV) 2005 die größte mechanisch-biologische | |
Entsorgungsanlage Deutschlands. Geschäftsführer Günter Lohmann zählt seit | |
Mitte letzten Jahres auch auf eine Zugladung süditalienischen Mülls pro | |
Tag. Der Dreck enthält anders als der gründlich-deutsch getrennte Müll aus | |
den Haushalten Sachsens ungefähr alles, was in die Tonne wandern kann, von | |
Pastaresten über Glas, Pappe und faule Tomaten zu Turnschuhen und | |
Blechdosen. Kein Problem, meint Lohmann, "unsere hochmoderne Anlage trennt | |
das alles ohne Schwierigkeiten", am Ende bleibe nur die kompostierbare | |
Biomasse. | |
Lohmann hat genauso wie die Remondis aus Lünen eine Sondergenehmigung der | |
Landesbehörden, und das Land Bremen beeilte sich am Freitag mitzuteilen, | |
"einmalig" habe es die Entsorgung von 30.000 Tonnen Müll aus Süditalien in | |
Bremerhaven gestattet. "Einmalige" Sondergenehmigungen sind die Grundlage | |
des seit nun immerhin sieben Jahren auf der Achse Neapel - Deutschland | |
laufenden Geschäfts, in dem die angesteuerten Müllverbrennungsanlagen und | |
Deponien immer mal wieder wechseln. | |
Doch Romano Prodi möchte dem internationalen Mülltransfer gern ein Ende | |
setzen - er sprach von "Zügen der Schande". Schändlich findet es der | |
italienische Ministerpräsident vor allem, dass Italien bei der | |
Müllentsorgung Auslandshilfe braucht, statt das Problem "autonom" zu | |
bewältigen. Deshalb will er den Abfall lieber nach Sardinien, nach Turin | |
oder Mailand verfrachten. Angesichts der Krawalle in Sardinien, angesichts | |
des Neins aus Norditalien könnte er aber weiterhin auf die Exportlösung | |
angewiesen sein. Die deutschen Entsorger stehen weiterhin bereit, und jetzt | |
meldete sich auch die Schweiz: In gleich 14 Müllverbrennungsanlagen würden | |
die Helvetier gern Müll aus Neapel verbrennen. | |
14 Jan 2008 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
Michael Braun | |
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